Russland und die Türkei

Erdogan besucht Putin: Eine Analyse der komplizierten russisch-türkischen Beziehungen

Weitgehend unbemerkt von den westlichen Medien hat der türkische Präsident Erdogan letzte Woche den russischen Präsidenten Putin getroffen. Das ist eine gute Gelegenheit, sich die komplizierten russisch-türkischen Beziehungen einmal genauer anzuschauen.

Geopolitik ist eine komplizierte und komplexe Thematik. Das gilt vor allem für die Beziehungen zwischen Putin und Erdogan, denn in vielem haben die beiden Staaten vollkommen gegensätzliche Interessen, auf anderen Gebieten wieder arbeiten sie hervorragend und vertrauensvoll zusammen. Wie das gehen kann, muss sich gerade das westliche Publikum fragen, das in Sachen Geopolitik von seinen Medien immer nur schwarz-weiße Darstellungen bekommt, in denen andere Länder entweder als gute Freunde oder als Bedrohungen für was auch immer dargestellt werden.

Das russische Fernsehen hat in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick am Sonntag eine sehr interessante und in meinen Augen sehr treffende Analyse der Beziehungen der beiden Länder und ihrer Präsidenten gebracht, die ich übersetzt habe. Wer sich für weitere Details interessiert, dem empfehle ich auch diesen älteren Artikel von mir zu dem Thema, in dem Sie sicher viel erfahren werden, was Sie in westlichen Medien nicht erfahren haben.

Beginn der Übersetzung:

Es war ein wichtiges Treffen zwischen Putin und Erdogan in Sotschi. Wie der russische Staatschef treffend formulierte, „kann man am Telefon nicht über alles reden“. Ja, der türkische Präsident ist ein schwieriger Partner und ein harter Verhandlungspartner. Ja, die russisch-türkischen Beziehungen waren schon immer wechselhaft, mit einem Dutzend russisch-türkischer Kriege, unglücklichen Zwischenfällen und sogar der Tragödie des abgeschossenen russischen Flugzeugs, wofür sich Erdogan nach einem siebenmonatigen kalten Krieg zwischen unseren Ländern bei Putin entschuldigen musste. Ja, Erdogan erkennt die Krim nicht als russisch an und er hat bei der lächerlichen „Krim-Plattform“ mitgemacht. Ja, Erdogan beliefert Selensky mit Bayraktar-Kampfdrohnen. Ja, wir haben es mit der Türkei in Libyen schwer und auch fast jeden Tag in Syrien. Aber das ist alles, wie man so sagt, nur die eine Waagschale. Aber in der anderen….

Da ist die Blue-Stream-Gaspipeline zwischen Russland und der Türkei, die durch das Schwarze Meer verläuft und bereits in Betrieb ist. Und die neue Turk-Stream-Pipeline, die Gas nach Ungarn und Kroatien transportiert, ist voll ausgelastet. So weitsichtig waren Putin und Erdogan, als der russische Präsident Ende 2016 die Türkei besuchte und sie sich auf Turk Stream geeinigt haben. Im Vergleich zur Gashysterie in der EU ist die Türkei nun sehr entspannt. Hinzu kommt der Bau des ersten türkischen Kernkraftwerks, des Projekts Akkuyu, das Russland baut. Die Staats- und Regierungschefs unserer Länder planen, den ersten Block bereits im nächsten Jahr zu starten. Und dann wird klar, wie stabil die Energieversorgung in der Türkei wird, alleine schon im Vergleich zu Deutschland mit all seinen grünen Übertreibungen. Akkuyu wird 10 Prozent des Stromverbrauchs der Türkei erzeugen. Der Vertrag mit Rosatom hat ein Volumen von 20 Milliarden Dollar. Und auf lange Sicht kann es um zwei weitere Kernkraftwerke für die Türkei gehen. Standorte werden bereits gesucht.

Bei dem Treffen in Sotschi wies Putin auf die russischen Touristenströme in die Türkei hin, die nun wieder wachsen: „Im Jahr 2019 besuchten 6,8 Millionen russische Touristen die Türkei, im Jahr 2020 nur noch 1,5 Millionen. Diese Situation korrigiert sich nun allmählich: 2,5 Millionen russische Touristen waren in den ersten neun Monaten dieses Jahres in der Türkei“, sagte das russische Staatsoberhaupt.

Erdogan bedankte sich ohne Umschweife bei Putin: „Ich möchte mich vor allem im Bereich des Tourismus bedanken, in dem Sie unser Land ebenfalls unterstützt haben. Wir sind auch dankbar dafür, dass russische Bürger es vorgezogen haben, in dieser Zeit in unserem Land Urlaub zu machen“. Auch hier gibt es ein Pluszeichen in den Beziehungen.

Hinzu kommen die russischen S-400 Luftabwehrsysteme, die bereits in der Türkei im Einsatz sind, und Erdogan will nach eigenen Angaben weitere S-400 aus Russland kaufen. Trotz des Widerstands der USA.

Übrigens wurde mit der Türkei auch eine positive Bilanz bei der Normalisierung der Lage in Berg-Karabach gezogen. Das ist sehr viel wert. Natürlich sind der Presse nicht alle Einzelheiten der aktuellen Gespräche zwischen Putin und Erdogan in Sotschi bekannt. Bekannt ist aber, dass Erdogan Putin als Partner, als Verhandlungspartner und als Mensch ziemlich imponiert. Mit ihm umzugehen ist schwierig und leicht zugleich. Schwierig, weil Erdogan die Interessen der Türkei immer konsequent und entschlossen verteidigt. Und leicht deshalb, weil Erdogan für Putin deshalb berechenbar ist. Und, was am wichtigsten ist, Erdogan hält sein Wort. So charakterisierte Putin Erdogan in seiner Pressekonferenz Ende letzten Jahres: „Wir sind derzeit in bestimmten Fragen mit Präsident Erdogan uneins. Vielleicht sind wir manchmal auch gegenteiliger Ansichten. Aber er ist ein Mann, der sein Wort hält, eben ein Mann. Er wedelt nicht mit dem Schwanz. Wenn er der Meinung ist, dass es für sein Land von Vorteil ist, geht er bis zum Letzten. Das ist ein Element der Vorhersehbarkeit, das sehr wichtig ist, um zu verstehen, mit wem man es zu tun hat.“

Nach dieser Beschreibung ist es besonders wertvoll, Erdogans Einschätzung der jüngsten Verhandlungen in Sotschi zu hören: „Wir haben gesehen, dass bei diesem bilateralen Treffen in fast allen Fragen Einigkeit herrschte. Natürlich ist das ein erfreulicher Teil der Arbeit. Zum Abschluss unseres Treffens bat ich darum, dass Herr Putin uns so bald wie möglich einen Gegenbesuch abstattet. Er reagierte positiv. Und ich sagte: „Lassen Sie uns noch in diesem Jahr in der Türkei ein hochrangiges Treffen des Strategischen Rates abhalten“. Er hat auch eine positive Antwort gegeben.“

Also „Einigkeit in fast allen Fragen“. So sagte es Erdogan kurz nach den Gesprächen auf dem Rückflug von Sotschi vor Journalisten im Flugzeug. Hervorragend. Eine Einigung über Syrien wäre von grundlegender Bedeutung. Wenn wir uns erinnern, bezeichnete Putin bei seinem jüngsten Treffen mit dem syrischen Präsidenten Assad die illegale Präsenz ausländischer Truppen in Syrien als das wichtigste Problem des Landes. Putin setzte das Thema mit Erdogan fort, der bekräftigte, dass „die Amerikaner früher oder später Syrien verlassen und das Land dem syrischen Volk überlassen müssen“.

Dafür gibt es Applaus. Erdogan ist in Syrien nicht mit der US-Politik einverstanden. Joe Biden spürt den türkischen Affront und ist nicht bereit, Erdogan zu empfangen – er ist nur bereit, ihn kurz zu treffen, vielleicht am Rande des G20-Gipfels in Rom Ende Oktober. Und auch das ist noch unbestätigt. Unter diesen Umständen ist Russland ein sehr viel attraktiverer Partner für Erdogan.

Um auf Syrien zurückzukommen: Die Türkei hat sich verpflichtet, die Terroristen aus der Deeskalationszone in Idlib zu vertreiben. Bislang ist der Türkei das nicht gelungen. Vielleicht sollte sie wenigstens nicht stören? Vielen Beobachtern ist jedenfalls aufgefallen, dass sich die türkische Armee unmittelbar nach dem Ende der Sotschi-Gespräche aus Idlib zurückzuziehen begann.

Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten und anerkannter Türkei-Kenner, äußerte sich vorsichtig, aber auch verständlich zu dem Thema: „Hier kann ich leider nicht ins Detail gehen, ich habe nicht alle Informationen. Aber das Thema wurde tatsächlich diskutiert. Das Bekenntnis zu früheren Vereinbarungen wurde bekräftigt und es wurde betont, dass diese umgesetzt werden müssen, um die terroristischen Elemente, die sich dort noch aufhalten und die eine Bedrohung darstellen und aggressive Angriffe auf die syrische Armee durchführen können, aus Idlib zu vertreiben.“

Es sieht also so aus, als ob wir das syrische Idlib nun genauer beobachten sollten. Die Provinz wird früher oder später von den Terroristen gesäubert werden und die Türken werden mit Damaskus auch die Rechtsgrundlage und den Umfang ihrer Präsenz in Syrien festlegen müssen. Die Syrer werden wieder die die ungeteilten Herren ihres multi-ethnischen, säkularen und freundlichen Landes sein.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

10 Antworten

  1. Ja, eine weitere Jubelarie über Putin.
    „Irgendwann werden die Amis aus Syrien abziehen müssen“. Allein an dieser Aussage sieht man schon, wie machtlos die Russen sind. Leider. Die Amis werden gehen, wenn es ihnen in den Kram passt.
    Alles immer wieder nur leeres Gelaber.

    Was könnte Russland alles bewirken, wenn sie die Macht und den Willen hätten. Sie könnten zB ein klares Statement gegen Impfpässe geben. Allein das würde ein unglaubliches internationales Echo in allen Nicht-Westlichen Ländern geben und die Verbreitung der NWO weltweit behindern.
    Aber die Russen sind im besten Fall zu machtlos und im schlimmsten Fall steckt Putin bis zu Hals mit im WEF. Schliesslich hält er dort Vorträge und laut Klaus Schwab gehört er zusammen mit Tony Blair und Angela Merkel zum young global leader programm:
    https://derwiderstand.createaforum.com/vernetzung/putin-mit-im-club

    1. Du machst es dir zu einfach. Vermutlich hast du in deiner Denkweise immer Deutschland vor Augen.
      Hast du dich schon einmal gefragt, wie viel Völker (!) in der Russischen Föderation leben?
      Ich denke, du solltest noch einmal neu nachdenken. Vielleicht gelangst du zu einer neuen Erkenntnis.

  2. Putin spielt nicht den lieben Gott zur Rettung des Planeten, wie wir es von manch anderem Politiker kennen. Für ihn geht es erstens, zweitens und drittens um die Interessen der Rußländischen Förderation – wie er sie versteht und wofür er regelmäßig in direkter geheimer Wahl das Mandat erhielt. Das muß uns nicht gefallen, aber eine grundlegende / liberale Alternative scheint mir angesichts der militärischen Einkreisung auf lange Sicht leider Gottes illusionär.

    1. Zur Einkreisung auf lange Sicht ein Hinweis. Besuchen Sie doch mal ganz aktuell gleich mal eine der beiden Seiten:

      flightradar24 oder flightaware beide mit .com
      Seit 5 Stunden fliegt da eine USAF Boeing RC-135W Rivet Joint / Kennung: ZEUS 11
      bei uns vor der Haustür rum. Heute morgen auf Kreta von CHQ Chania abgehoben, fein säuberlich um die Türkei herum und den ganzen Vormittag, sehr wahrscheinlich bis in den Abend von Sotchi nach Odessa, ihre Dauerschleife.
      Das gleiche spielt sich immer wieder ab. Im Juli war es eine Lockheed EP-3E Orion als die NATO hier gespielt hat.

      Was wollen diese Ka**bratzen hier?

      1. „Was wollen diese Ka**bratzen hier?“ Ganz einfach, sie sichern dort den Frieden und dämmen die russische Aggression ein!
        Jetzt mal im Ernst, ja, was wollen die dort? Die wollen die russische Abwehr ausspionieren, Signale empfangen, entschlüsseln, Befehlsketten auskundschaften, Standorte des Militärs erkunden, die Reaktionen testen usw.!

        1. Tawarisch Kutusow.
          Ich war als Zetti im AG 52 (Aufklärungsgeschwader) und bin mit der Materie, der Fähigkeit der LfZ und deren Aufträge als auch Fähigkeiten bestens vertraut. Jetzt, 40 Jahre später, kann ich mir nur schwer ein Bild über die heutigen Möglichkeiten machen.
          Die knipsen wahrscheinlich heute Fotos von deiner Zigarettenschachtel die Du in der Hand hast, da hörst Du Die nicht einmal.
          Die RC-135 hat andere Aufgaben als die Phantom 4F bei uns damals, aber das die Flotte in Sevastopol liegt ist nun auch nicht so neu und der militärisch genutzte Flughafen Belbek da in der Nähe ist ja nun auch kein echtes Staatsgeheimnis.

          Als Botschaft: Ich wollte dem Zufallsbesucher mit dem Hinweis auf die webseiten ein wenig Starthilfe geben und, der, der sich dann vielleicht noch mit dem Fluggerät beschäftigt und feststellt, dass das ein Fernglas, Hörgerät und eine Axt in einem ist und das es keiner lustig finden würde wenn irgendjemand vor seiner Haustür so rumlaufen würde, so wie ich es gerade hier mal wieder erlebe, würde mir das schon ausreichen.

          Ich denke, schon wieder gelogen, Sie haben mich verstanden.

          1. Heute war HOMER21 für 10 Std. 22 Min. auf der Pirsch:

            https://ru.flightaware.com/live/flight/HOMER21

            Alles dabei, sehenswert. 3x Sturzflugmanöver, mit einer RC-135U Combat Sent mit über 100t auch nicht ohne, inclusive 2x Abfangen bei 1/3 und einmal bei 2/3 zur Zielhöhe mit Weiterflug bei 430 km/h in knapp 250 Meter Höhe.
            Das dritte Manöver dann am Schluß auf 360 Grad Richtung Tschernomorsky mit Sinkgeschwindigkeit (nun deutlich leichter) klar über 1000 Meter/min mit direktem Abfangen auf 2000 ft.

            Eine Provokation die bei den meisten, also vor anderer Leute Haustür, zu einer Reaktion geführt hätte weil sich ein LfZ, bei solchen Manövern, durchaus mal in einer Luftnotlage befinden könnte.

  3. Erdogan verteidigt höchstens die Interessen der NATO und sticht mit dem Messer zu, wenn man Erdogan den Rücken zukehrt oder auf dem Boden liegt. Genau darauf wartet Erdogan bei Russland.
    So hat er es ja auch einst bei Syrien gemacht.

    1. Dem Stimme ich zu. Die Tatsache, dass Erdogan Assad als Freund in den Rücken gefallen ist, und die Aussage, er stehe zu seinem Wort, sind ein Widerspruch. Russland ist er mit dem Flugzeugabschuss damals auch in den Rücken gefallen.

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