Russland hat die Samthandschuhe ausgezogen: Navalny zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt

Heute fand die Gerichtsverhandlung gegen Navalny wegen seiner Verstöße gegen die Bewährungsauflagen statt. Das war im russischen Fernsehen ein großes Thema, weshalb ich die Gerichtsverhandlung hier sehr detailliert nachzeichnen kann.

Navalny ist wegen Unterschlagung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Da er jedoch, nachdem er aus der Charité als gesund entlassen wurde, seiner Pflicht, sich zweimal pro Monat bei den russischen Behörden zu melden, nicht nachgekommen ist, sondern in Deutschland Urlaub gemacht und seinen Film gedreht hat, wurde Anklage erhoben und gefordert, die Bewährung auszusetzen und ihn die Strafe absitzen zu lassen. Heute war die Gerichtsverhandlung.

Zu der Verhandlung sind auch etwa 20 Botschaftsmitarbeiter westlicher Staaten gekommen, was das russische Außenministerium als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands ansieht. Die Begründung ist einleuchtend: Es ist die Aufgabe von Botschaftsmitarbeitern, ihre eigenen Landsleute im Ausland zu unterstützen, wenn sie dort vor Gericht stehen oder ins Gefängnis kommen. Maria Sacharova, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, hat in einer Stellungnahme die Frage gestellt, was die westlichen Staaten damit erreichen wollten, zumal einige der Diplomaten, die im Gerichtssaal die Verhandlung verfolgt haben, nicht einmal Russisch sprechen.

In der Verhandlung selbst brauchte der Ankläger volle 15 Minuten, um alle Verstöße Navalnys gegen die Bewährungsauflagen aufzuzählen, denn es waren seit seiner Verurteilung 2014 insgesamt etwa 60 und der russische Staat hat darüber bisher großzügig hinweggesehen. Diese offensichtliche Besserstellung Navalnys im Vergleich zu anderen auf Bewährung Verurteilten, hat viele Russen ohnehin geärgert. Immerhin wird jedes Jahr Tausenden in Russland wegen Verstößen gegen die Bewährungsauflagen die Bewährung gestrichen, während Navalny eine regelrechte Narrenfreiheit hatte.

Zu den Bewährungsauflagen gehörte nicht nur, dass er sich zweimal monatlich bei den Behörden melden musste, dazu gehörte auch, dass er nicht zu nicht genehmigten Demonstrationen aufrufen durfte, was er aber mehrmals im Jahr getan hat und wofür er jedes Mal zu Ordnungshaft verurteilt wurde, ohne dass jemand an die Streichung seiner Bewährung gedacht hat.

Hinzu kommt, dass Navalny wohl der einzige in Russland ist, der zu zwei Bewährungsstrafen gleichzeitig verurteilt war. Er wurde nämlich in zwei Fällen verurteilt, aber auch nachdem er 2012 eine erste Bewährungsstrafe bekommen hatte und er in dann 2014 im zweiten Fall verurteilt wurde, war das wieder eine Bewährungsstrafe und auch die schon bestehende Bewährung wurde nach der zweiten Verurteilung nicht in eine Haftstrafe umgewandelt. Details über die Verurteilungen finden Sie hier.

In der Verhandlung hat Navalny die Gelegenheit genutzt, eine Ansprache zu halten, in der er unter anderem sagte:

„Es ist die Pflicht eines jeden Menschen, gegen dieses System zu kämpfen. Und es ist auch meine Pflicht zu kämpfen.“

Damit handelte er sich einen Ordnungsruf des Gerichts ein, das ihn zurechtwies, dass dies eine Gerichtsverhandlung sei und keine politische Demonstration, bei der man politische Parolen skandieren könne.

Aber das Gericht hat auch die Strafverfolgungsbehörden kritisiert. Als gemeldet wurde, dass das Gericht die Behörde dafür kritisiert hat, dass sie ihm so viele Verstöße gegen die Bewährungsauflagen haben durchgehen lassen, war für mich klar: Entweder wird Navalny freigesprochen, weil die Behörde jahrelang gepennt hat, oder er wird zum Absitzen seiner vollen Haftstrafe verurteilt, weil wohl niemand sonst in Russland so permanent, aber dafür folgenlos, gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen darf.

Und so ist es auch gekommen: Das Gericht hat Navalny verurteilt, die vollen dreieinhalb Jahre Haftstrafe in einer Strafkolonie abzusitzen. Allerdings wurden ihm die elf Monate, die bei der ursprünglichen Verhandlung in Hausarrest verbracht hat, angerechnet, sodass er nun für etwas über zweieinhalb Jahre von der Bildfläche verschwinden dürfte.

Natürlich werden Navalnys Anwälte gegen das Urteil vorgehen, aber bei so offenen und fortgesetzten Verstößen gegen die Bewährungsauflagen kann wohl kein Gericht ihn freisprechen, wenn gleichzeitig alle Normalsterblichen, die gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen, schnell ins Gefängnis kommen. In 2020 betraf das 15.000 auf Bewährung Verurteilte in Russland, die wohl kaum allzu viel Verständnis für Navalnys bisherige Narrenfreiheit haben dürften.

Damit dürfen wir gespannt sein, ob der Westen jetzt einen Ersatz für Navalny aufbauen wird oder ob Navalny uns die nächsten Jahre in den westlichen Medien als eine Art Märtyrer begleiten wird.

In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich direkt hier über den Verlag bestellbar.

Hier geht es zum neuen Buch

Werbung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

19 Antworten

  1. Ja, es wird mehr als nur interessant sein: 1. welche „Geschosse des Wertewestens“ auf Russland nun niederprasseln werden die kommenden Tage, damit sie den so teuer aufgebauten Nawalny nicht verlieren.
    In Folge dann NATÜRLICH das zumindest für mich selbst wesentlich WICHTIGERE , hier nämlich eben 2. : ob dann Russland doch mal wieder einknickt und das Berufungsgericht
    den auch Nicht-Juristen bekannten Spruch losläßt… “ in dubio pro reo“

    1. Zusatz zu:
      Damit dürfen wir gespannt sein, ob der Westen jetzt einen Ersatz für Navalny aufbauen wird oder ob Navalny uns die nächsten Jahre in den westlichen Medien als eine Art Märtyrer begleiten wird.

      Sofern auch die “ Berufung“ durch das zuständige russische Beschwerdegericht verworfen wird, bin ich fast felsenfest von meinen eigenen Ausführungen überzeugt,
      https://www.anti-spiegel.ru/2021/navalny-proteste-und-die-usa-russland-droht-konsequenzen-an/#comment-14370
      dass sich ab sofort rein Alles , was Russland gegen den Wertewesten unternimmt gegen die Destabilisierung in Russland, auch wieder in Russland selbst wird stattfinden.

      Insoweit haben die West-Diplomaten, die ja mit mehr als einem Dutzend Fahrzeugen ihrem Nawalny eine gebührende Abschiedsverantaltung boten im Gerichtssaal, dass sicher auch schon erfasst. Sie, die Damen und Herren werden es nun schon mit geänderter Gesetzeslage

      (in Bezug auf die „Sozialen Medien“- dass eben ab 01.02.2021 die Betreiber entsprechender Plattformen in Haftung genommen werden, wenn sie durch die zuständige russische Behörde entsprechende unwahre Behauptungen in Beiträgen und Kommentaren NICHT löschen auf Aufforderung eben der Behörde)

      wissen nun, dass sie eben ihre eigenen NGO*s nicht mehr so einsetzen können, wie das noch am 31.Januar möglich war. (Oder die Deutschen eben auch – und gerade – die Deutsche Welle )

      Einen Ersatz für Nawalny aufzubauen, wird fast unmöglich..

      Und das ist Gut so. (!)

  2. Meine Antwort auf Fragen oder Nachgeplappere über den „armen Nawallny“ lautet immer Julian Assange, um daran zu erinnern mit welch unterschiedlichen Maßstäben in der Wertegemeinschaft gemessen wird.

  3. Man fragt sich wo all die wertewesten Diplomaten bei den Verhandlungen von Assange waren? Ach shit, ging ja nicht, das Todesvirus hätte sie alle erhascht….
    Darüber hinaus kann man es noch eine Zynismusstufe höher schrauben: Drei Jahre müsste man im Fall Assange schon als einen sehr großen Erfolg werten, zumal man wohl im Fall Navalny auch nicht davon ausgehen kann, dass er mittels Isolationshaft gequält wird.

  4. Ergänzung: Man könnte das jetzt Whataboutism nennen. Kann man, ist es aber nicht. Es ist ein Vergleich von Werten und Wertigkeiten und dem konkreten Handeln unserer Politik. Das könnte man auch noch auf die Presse ausweiten, aber fairerweise muss man sagen, dass deren Schauspiel noch nie sehr überzeugend war.

  5. Nach Medienberichten sollen bei Protesten 1100 Anhänger Navalys verhaftet worden sein. Da haben die wohl seinen ganzen Fanclub verhaftet.
    Ich finde es jetzt interessant, wie es mit Nordstream 2 weitergeht. Sollte das Projekt scheitern, werden wir in Deutschland in wahrsten Sinne des Wortes Dunkle Zeiten erleben. Nach der nächsten Bundestagswahl werden die Grünen in der Regierung sitzen und für eine schnellere Energiewende sorgen. Ich habe schon einige skurrile Bemerkungen der Grün*innen gelesen, wie einfach es doch ist die Energiesicherheit aufrecht zu erhalten.
    Wie dem auch sei, Navalny sitzt jetzt im Knast und in 2,5 Jahren wenn er wieder freigelassen wird interessiert sich niemand mehr für ihn.

    1. Mit Hurra ist man dabei, solange es im eigenen Sinne ist. Fällt der Umjubelte aber Entscheidungen, die man nicht versteht und einem nicht passen, die man aber auch nicht verstehen kann weil man nicht in der selben Haut steckt, kippt die Stimmung und die Devotionalien werden in die Tonne gekloppt. Ein Verhalten, das mir ziemlich oft auffällt. Damit ist kein Staat zu machen.

      1. Ja so is es.
        Und es gehört schon eine Menge Einfühlungsvermögen dazu, um einen nüchtern, strategisch denkenden Pragmatiker von einem „Umfaller“ zu unterscheiden – Irrungen und Wirrungen nicht ausgeschlossen.

  6. Soeben bei Phönix (livetsream):
    Navalny sei zu 3 1/2 Jahren Hafte verurteilt worden. Das sei zu erwarten gewesen. Am treffendsten habe das Frau Annegret Kramp-Karrenbauer zu Ausdruck gebracht:
    „Erst Nawalny vergiften und ihn dann ins Gefängnis stecken, weil er im Koma liegend Bewährungsauflagen nicht erfüllt? Zynismus pur.“

    Kisseljow hat nun in diesem Zusammenhang wohl erstmals Goebbels ins Spiel gebracht.

    Auch wir sind zunehmend geneigt, unser auf ethisch-moralischen sowie sachlichen Erwägungen beruhende Zurückhaltung, diverse „Vergleichskulturen“ betreffend, aufzugeben.

    1. Für sachliche Erwägungen war bei mir schon lange kein Platz mehr, womit sich auch ethisch-moralische erledigt hatten. Wir stecken mittendrin in einem System, nachdem sich Göbbels und Co. die Finger geleckt hätten.

  7. *** Es ist die Aufgabe von Botschaftsmitarbeitern, ihre eigenen Landsleute im Ausland zu unterstützen ***
    Damit haben diese Staaten doch Glasklar gemacht, es ist UNSER Agent, es ist einer von UNS, wir lassen niemand von UNSERN Kämpfer zurück, ist doch die Legende der US Army.

    1. Werter Herr Klinckenberg, ich muss Sie an dieser Stelle mal für diesen wesentlich sachlicheren Kommentar auch mal loben. Machen Sie weiter so, es ist angenehm, jemanden ersnt nehmen zu können. 😊

  8. Natürlich ist der Märtyrer-Status von den Diensten schon mal eingerechnet. Ich hör sie schon heulen im Blätterwald. Dafür reicht mir ein Kommentar, damit sie alle schweigen: Julian Assange.

  9. Ich suche dringend nach Quellen die Navalny beim Aufruf zum Mord zeigen.
    Er hat „immer wieder gegen Menschen aus dem Kaukasus und generell gegen Moslems gehetzt und mal gesagt, da helfe nur ein Maschinengewehr.“

    Leider finde ich den Artikel nicht mehr, kann mir jemand helfen? Bei Google wird man nur mit westlicher Propaganda zugemüllt.

    1. Es gab einen Artikel in der Hamburger Morgenpost am 26. September 2020: „Nawalny: Die dunklen Seiten des „Kremlkritikers“.
      Ich hab leider den Link nicht mehr. Aber einen Auszug hatte ich kopiert:

      Auszug aus dem Artikel:

      Rauswurf aus liberaler Partei wegen Nationalismus und Rassismus

      Nawalnys erstes politisches Engagement fand von 1999 bis 2007
      statt. Er war Mitglied, teils sogar im Vorstand, der liberalen Partei
      „Jablonko“ und machte sich parallel schon einen Namen als
      Blogger gegen Korruption. Nawalny behauptet, es habe
      persönliche Gründe für seinen Rauswurf aus der Partei gegeben, er
      kritisierte damals den Partei-Gründer Grigori Jawlinski. Der aber
      sagt: Nationalistische und rassistische Äußerungen hätten zum
      Rauswurf geführt.

      Homophobe und rassistische Äußerungen: „Schwuchteln“ und
      „Nagetiere“

      Nach seinem Rauswurf soll er sich mit dem nationalistischen Gruß
      „Ehre sei Russland“ verabschiedet haben, so Jablonko-Mitglied
      Boris Wischnewsky. Das ist schwer zu belegen.
      Besser dokumentierte Nawalny selbst auf seinem eigenen Blog
      seine damalige Haltung. Bürgerrechtler nennt er dort: „quasiliberale
      Wichser“, Homosexuelle: „Schwuchteln“, die weggesperrt
      gehörten.

      Und als Russland 2008 in Georgien einmarschierte,
      sprach er sich für die Deportation aller Georgier aus Russland aus.
      Und schrieb, dass „das Hauptquartier der Nagetiere“ (Tiflis) mit
      Marschflugkörpern zerstört gehöre.

      Redner beim teils rechtsextremen „Russischen Marsch“
      (Anmerkung von mir: Hier wurde ein Foto von Typen mit dem Hitlergruß eingeblendet)

      Nach seinem Rauswurf nahm Nawalny dann auch direkt am jährlich
      stattfindenden „Russischen Marsch“ teil. Dort treffen sich
      Konservative, Nationalisten, Monarchisten sowie offen
      rechtsextreme Gruppen, um gegen die Regierung zu
      demonstrieren. Der „Kremlkritiker“ trat dort mehrfach als Redner
      auf, war im Orga-Team. Seine von ihm gegründete
      „Fortschrittspartei“ nannte er zu der Zeit selbst „nationalistisch“.

      Bürgermeisterwahl 2013: Wahlkampf gegen Migranten

      Als er 2013 für das Amt des Bürgermeisters von Moskau antrat,
      erzielte er seinen bisher größten Erfolg: Mit 27 Prozent errang er
      den zweiten Platz, stieg endgültig zum bekanntesten
      Oppositionellen auf. Allerdings: Gewonnen hatte er die Stimmen
      mit einem klar antimigrantischen Wahlkampf, hantierte mit
      nachweislich falschen Zahlen. Etwa, dass die Hälfte der Moskauer
      Kriminalität von Einwanderern aus dem Kaukasus ausgehe.
      Tschetschenen als „Kakerlaken“, gegen die man sich
      bewaffnen müsse.
      Außerdem bemühte er das bekannte rechtspopulistische Klischee,
      dass russische Frauen „nicht mehr auf die Straße gehen“ könnten.
      Sich gegen Verbrecher und Terroristen, etwa aus Tschetschenien,
      auszusprechen ist an sich natürlich gut und richtig. Deren
      Entmenschlichung als „Kakerlaken“, gegen die sich die gesamte
      Bevölkerung bewaffnen müsse, mutet aus westlicher Sicht
      dennoch eigen an.

      Auszug des Artikels, Ende

      Die MOPO ist den MSM zuzuordnen. Daher ist dieser Artikel schon bemerkenswert!

Schreibe einen Kommentar