Afghanistan

Russland sieht „hoffnungsvolle Signale“ von den Taliban

Während die westliche Berichterstattung über Afghanistan sich praktisch auf die Situation auf dem Flughafen Kabul beschränkt, berichten russische Medien vermehrt von einer Normalisierung der Situation in Kabul und richten ihren Blick auf die politische Zukunft.

Afghanistan ist für Russland ein wichtiges Land, denn es grenzt an ehemalige Sowjetrepubliken, mit denen Russland verbündet ist. Eine Destabilisierung der Lage in und um Afghanistan hätte also direkte Auswirkungen auf Russland. Auch daran, dass Afghanistan ein neuer Hafen für islamistische Terroristen wird, kann Russland schon aufgrund seiner geografischen Nähe zu Afghanistan kein Interesse haben.

Russland hat die Machtübernahme der Taliban kommen sehen und im Gegensatz zu westlichen Regierungen heuchelt in Moskau niemand, man sei von dem schnellen Vormarsch der Taliban überrascht worden. Russische Experten meinten schon kurz nach der amerikanischen Erklärung, Afghanistan zu verlassen, dass die westliche Marionettenregierung in Kabul sich nur drei Monate halten kann. Das ist ziemlich exakt eingetroffen

Das Afghanistan-Fiasko des Westens

Diese Meldungen aus Russland wird man vor drei Monaten auch im Westen gelesen haben. Mehr noch: Es ist unwahrscheinlich, dass man im Westen ernsthaft geglaubt hat, die Marionettenregierung hätte eine Chance gegen die Taliban. Es war allen Experten bekannt, dass das vom Westen eingesetzte Regime in Kabul durch und durch korrupt war. Die Soldaten der afghanischen Armee haben oft nicht einmal ihren ohnehin geringen Sold pünktlich erhalten. Wofür sollten sie kämpfen, wofür ihr Leben riskieren?

Trotzdem heuchelt man im Westen Überraschung über den schnellen Vormarsch der Taliban, immerhin haben sich viele Provinzen des Landes kampflos ergeben, und versucht sich nun darin, die Katastrophe schön zu reden. Selbst wenn deutsche Politiker wie Merkel und Maas nun kleinlaut „Fehleinschätzungen“ eingestehen, fehlt der Wille, sich kritisch mit dem Afghanistan-Krieg auseinanderzusetzen. Wozu sind dort hunderte westliche Soldaten und schätzungsweise 250.000 Afghanen gestorben? Wozu wurde 20 Jahre Krieg geführt? Wohin sind die über zwei Billionen Dollar gegangen, die die afghanische Regierung und ihr Militär vom Westen bekommen haben? Das wären die Fragen, die man heute endlich stellen muss. Aber davon ist im Westen nicht die Rede.

Besonders lächerlich wird es, wenn westliche Politiker behaupten, man habe die gesteckten Ziele in Afghanistan erreicht. Zur Erinnerung: Die seinerzeit verkündeten Ziele waren die Vernichtung der Al-Qaida und der Taliban. Außerdem hat man versprochen, Afghanistan Demokratie und Frauenrechte zu bringen.

Nichts von all dem wurde erreicht. Al-Qaida ist heute stärker als vor 20 Jahren, denn heute ist Al-Qaida nicht nur in Afghanistan aktiv, sondern auch in Syrien, dem Irak, Jemen, Somalia, Libyen und so weiter und so fort. Und die Taliban, die man schlagen wollte, regieren seit Sonntag wieder in Afghanistan. Was aus den Frauenrechten wird und ob man Afghanistan als demokratisch bezeichnen kann, möchte ich nicht kommentieren.

Sleepy Joe macht sich lächerlich

Besonders lächerlich gemacht hat sich US-Präsident Joe Biden. Diese Aussagen von Joe Biden gegenüber Journalisten sind nur wenige Wochen alt.

Biden behauptete vor wenigen Wochen noch, die afghanische Armee sei den Taliban überlegen. Und auf die Frage, ob man Bilder wie seinerzeit in Vietnam erwarten müsse, als US-Hubschrauber Menschen in aller Eile vom Dach der US-Botschaft in Saigon evakuiert haben, sagte Biden, dass sei vollkommen ausgeschlossen. Biden hatte sogar recht, denn die Bilder aus Kabul heute sind nicht wie die Bilder aus Saigon seinerzeit, sie sind wesentlich schlimmer.

Man kann wirklich und ohne Übertreibung sagen, dass Afghanistan sich für die USA und den Westen nahtlos an die Niederlage in Vietnam anfügt. Die westlichen Truppen sind innerhalb aller kürzester Zeit aus dem Land geflohen und deren Marionettenregierung ist genauso kollabiert, wie seinerzeit die Marionettenregierung der USA in Vietnam. So ist das nun einmal, wenn man in einem Land von außen eine Regierung von ausländischen Gnaden einsetzt. Ohne Rückhaltung in der Bevölkerung kann sich keine Regierung halten, wenn der ausländische militärische Schutz abgezogen wird.

US-Präsident Biden redet das Fiasko hingegen schön, indem er im Nachhinein die ursprünglichen, offen verkündeten Kriegsziele verändert.

Plötzlich redet Biden davon, es sei nie das Ziel gewesen, ein demokratisches Afghanistan zu schaffen. Es sei nur um Terrorbekämpfung gegangen. Und kein Journalist in den deutschen „Qualitätsmedien“ haut Biden diese Aussage um die Ohren und stellt die oben genannten Fragen: Wofür wurde 20 Jahre in Afghanistan gekämpft, wenn die Al-Qaida dort doch offiziell noch in der Zeit von Präsident Bush besiegt wurde? Und wofür wurden zwei Billionen Dollar ausgegeben? Bisher heiß es offiziell, mit dem Geld solle ein stabiler afghanischer Staat mit einem Militär geschaffen werden, das diesen Staat stabilisieren und befrieden kann.

Das hat nicht nur nicht geklappt, Biden bestreitet heute alles, was noch vor kurzem die offizielle Linie des Westens in Afghanistan war. Und die deutschen – angeblich kritischen – „Qualitätsmedien“ lassen ihn mit einer solchen Erklärung davon kommen.

Frauen demonstrieren auf Kabuls Straßen

Die russischen Medien berichten über das Chaos in Afghanistan und die Bilder vom Kabuler Flughafen laufen auf russischen Nachrichtensendern als regelrechte Dauerschleife. Darin dürften sich die russischen Nachrichten derzeit nicht von den Nachrichten in Deutschland unterscheiden.

Es gibt jedoch einen großen Unterschied in der politischen Einschätzung. Ich habe schon am Montag berichtet, dass in Russland gemeldet wurde, die Lage in Kabul habe sich am Tag nach der Machtübernahme der Taliban entspannt. Das in den Medien gezeigte Chaos betrifft ausschließlich den Flughafen, nicht die Stadt selbst.

Dass die heutigen Taliban anscheinend nicht mehr die Steinzeit-Fundamentalisten sind, die vor 2001 das Land regiert haben, zeigte sich bereits an ihren ersten Dekreten, über die ich heute bereits berichtet habe. Auch weitere aktuelle Meldungen scheinen das zu bestätigen. So wird aus Kabul eine Demonstration von Frauen gemeldet, die auf der Straße mit Plakaten für eine Einbindung von Frauen in die neue Regierung demonstrieren. Das russische Fernsehen hat sogar Bilder davon gezeigt. So etwas wäre unter den früheren Taliban gänzlich undenkbar gewesen, als Frauen das Haus überhaupt nur in Begleitung eines Mannes verlassen durften. Das Frauen öffentlich (und ohne in Begleitung eines Mannes zu sein) für ihre Rechte demonstrieren, war undenkbar. Heute geschieht das und die Taliban schreiten nicht ein.

Wie geht es politisch weiter?

Die Frage ist nun, wie eingangs erwähnt, wie es politisch zwischen Russland und Afghanistan weitergeht. Auch dazu gibt es immer neue Meldungen. Der russische Botschafter in Afghanistan hat von einem ersten Treffen mit Vertretern der Taliban berichtet. Das russische Fernsehen zitiert ihn wie folgt:

„Es handelte sich um ranghohe Vertreter der Taliban in der Stadt. Das Treffen war positiv und konstruktiv. Den Aktivitäten der Botschaft werden keine Hindernisse in den Weg gelegt. Es wird keine Verschlechterung des Status gegenüber der Vorgängerregierung geben“

Auch der russische Außenminister Lawrow wurde von Journalisten zu dem Thema befragt und das russische Fernsehen hat darüber berichtet. Ich habe den kurzen Artikel des russischen Fernsehens übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Russland nimmt positive Signale der (in der Russischen Föderation verbotenen) Taliban für die weitere Entwicklung Afghanistans zur Kenntnis. Der sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einer von Rossiya 24 übertragenen Pressekonferenz vor Journalisten.

„Wir sehen ermutigende Signale von den Taliban, die sagen, dass sie eine Regierung unter Einbeziehung anderer politischer Kräfte wollen“, sagte Lawrow.

Die Taliban erklären sich insbesondere bereit, Beamten, die unter Präsident Ashraf Ghani gearbeitet haben, den Weg nicht zu versperren und auch die Prozesse im Zusammenhang mit der Bildung für Mädchen fortzusetzen. Moskau stellt auch positive Entwicklungen auf den Straßen von Kabul fest. Laut Lawrow ist die Lage recht ruhig, „die Taliban sorgen insgesamt wirksam für Recht und Ordnung.“

Russland hat es jedoch nicht eilig, das Taliban-Regime in Afghanistan anzuerkennen. „Wir haben es, wie alle anderen Länder auch, nicht eilig, sie anzuerkennen“, sagte der Außenminister.

Wie bereits berichtet, traf der russische Botschafter in Afghanistan, Dmitri Schirnow, in Kabul mit Vertretern der Taliban zusammen.

Ende der Übersetzung

Man muss nun abwarten, ob diesen durchaus moderaten Tönen der Taliban auch entsprechende Taten folgen werden. Natürlich wird Afghanistan unter den Taliban kein Land, das den westlichen Werten folgt. Aber wenn eintrifft, was sich abzeichnet, dann dürfte die Taliban-Regierung nicht restriktiver werden als die saudische Regierung. Und dass Saudi-Arabien eine absolute Monarchie nach den Gesetzen der Scharia ist, hat den Westen noch nie gestört.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

5 Antworten

  1. Wir wissen natürlich nicht, wie es wird, auch ausserhalb von Beiruts, wenn die Kameras verschwinden.

    Aber vielleicht ist es ja doch ein wenig so, dass die Taliban verstehen, dass ein absolut fundamentalistischer Staat es einfach zu schwer haben wird, wo sonst die allermeisten Staaten, bspw. bzgl. Frauenrechten, ganz woanders steht.

    Versöhnlich könnte man sagen, das wäre dann schon ein Verdienst der „Weltgemeinschaft“.

  2. *** So ist das nun einmal, wenn man in einem Land von außen eine Regierung von ausländischen Gnaden einsetzt. ***
    Nun bei dem deutsch Personal in der BRD und dem übrigen Personal in Europa, hat es doch vorzüglich funktioniert.
    Bei Verwurzelten und Charaktervollen Völkern, wie den Afghanen funktioniert das natürlich nicht.

  3. Bemerkenswert: Die Taliban wollen eine inklusive Regierung der nationalen Einheit im Rahmen der Scharia bilden. Es wird mit mehr Frauenrechten und mehr praktischen Freiheiten zu rechnen sein als in Saudi-Arabien. Auf der Pressekonferenz* verlauteten die Taliban sogar deutlich, dass Mädchenschulen weiter offenbleiben und das Arbeitsrecht für Frauen weitergelten wird. Es gibt sogar eine Amnestie für alle, die in den letzten Jahren auf der gegnerischen Seite standen, schließlich brauchen sie Spezialisten und Experten, wenn das Land eine Zukunft haben soll. Also völlig konträr zu den Lügen der Westpresse.

    Im Westen hat immer noch niemand begriffen, dass das »Grand Chessboard« gerade ein für alle Mal gekippt ist. Was hier passiert ist, ist eine grandiose Meisterleistung der russischen und chinesischen Diplomatie, gemeinsam mit Pakistan und dem Iran.

    Washington brüstet sich indes mit »Reverse Reparations«, indem einfach mal das afghanische Zentralbankgeld (rd. 10 Mrd. USD) eingefroren wird. So typisch. Aber das wird die Taliban nicht von einem ruhigen Schlaf abbringen — chinesische und russische Firmen stehen bereits in den Startlöchern für den Wiederaufbau der Infrastruktur in diesem vom Wertewesten geschundenen Land. Insofern werden nicht einmal IWF-Knebelkredite nötig sein.

    *) https://www.moonofalabama.org/2021/08/afghanistan-taliban-press-conference-notes.html
    sowie Kommentar Nr. 19 mit Bezug auf russische Diplomaten: https://www.moonofalabama.org/2021/08/afghanistan-taliban-press-conference-notes.html?cid=6a00d8341c640e53ef026bdee94e40200c#comment-6a00d8341c640e53ef026bdee94e40200c

    1. Wer ist „der Westen“?
      Das Grand Chestboard ist schon lange „gekippt“ wir sehen nur die Auswirkungen. Leute wie Trump / Biden sollen das US-Imperium abbauen, deshalb werden auch häufig die „Verbündeten“ verprellt.

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