Syrien: Neue Propaganda-Welle im Spiegel

Der Beginn dessen, was die westliche Presse den „syrischen Bürgerkrieg“ nennt, jährt sich zum zehnten Mal. Das scheint für den Spiegel Grund genug für einen propagandistischen Rundumschlag zu sein, den wir uns einmal anschauen wollen.

Ich haben bereits am 10. März über den ersten Spiegel-Artikel zu dem Thema geschrieben, indem der Spiegel über einen UNICEF-Bericht (des)informiert hat, indem er alles weggelassen hat, was nicht ins gewollte Bild passt, den Artikel finden Sie hier. Hätte ich gewusst, dass das nur der Startschuss für eine ganze Reihe von Artikeln zum Thema Syrien ist, hätte ich mit der Veröffentlichung noch gewartet.

Um den Syrienkrieg zu verstehen, muss man sich mit seinem Anfang beschäftigen. Daher wiederhole ich hier als Einleitung noch einmal, was ich am 10. März schon geschrieben habe.

CIA-Operation Timber Sycamore

In Deutschland haben die wenigsten von der CIA-Operation „Timber Sycamore“ gehört, weil die Medien darüber nicht berichten. Dabei ist diese CIA-Operation zur Bewaffnung und Unterstützung islamistischer Extremisten gegen Präsident Assad längst eine unbestrittene Tatsache.

Bei dieser Operation, die 2012 oder 2013 gestartet wurde (genaues ist noch geheim), hat die CIA Waffen aufgekauft, meist handelte es sich um alte sowjetische Waffen, von denen es in Syrien ohnehin reichlich gab, was es schwerer machte, ihre Spur zu den USA zurückzuverfolgen. Die Waffen wurden in Osteuropa und ehemaligen Sowjetrepubliken aufgekauft, das Geld dafür kam aus Saudi-Arabien, und dann wurden die Waffen über verschiedene Transportwege nach Syrien gebracht. Es gab einen Weg über Jordanien, einen über die Türkei und einen über Deutschland. Ich habe darüber im Detail mit allen Quellen berichtet, den Artikel finden Sie hier.

Ohne diese CIA-Operation zur Bewaffnung von Islamisten hätte es den Syrienkrieg mit einer halben Million Toten und Millionen von Flüchtlingen nie gegeben. Die USA und andere westliche Staaten, die im Zuge des arabischen Frühlings die „Opposition“ in Syrien unterstützt haben, haben mit den damals geheimen Waffenlieferungen an Islamisten den Krieg losgetreten.

Das aber erfährt man in deutschen „Qualitätsmedien“ nicht, eine Suchanfrage unter dem Begriff „Timber Sycamore“ ergibt im Archiv des Spiegel exakt 0 (in Worten Null) Treffer. Spiegel-Leser wissen nicht, wie es zu der humanitären Katastrophe in Syrien gekommen ist, die 2015 auch der Grund für die Flüchtlingskrise war. Spiegel-Leser werden dumm gehalten, oder um einen alten Werbeslogan des Spiegel zu gebrauchen: Spiegel-Leser wissen weniger!

Weil deutsche Medien darüber nicht berichten, war es mir wichtig, noch einmal explizit auf Timber-Sycamore hinzuweisen, denn in Deutschland weiß davon kaum jemand, stattdessen wird der Beginn des Syrienkriegs in den deutschen Medien als Volksaufstand gegen den brutalen Assad dargestellt. Das war es nie, in Wirklichkeit wurde der Krieg von den USA und dem Westen durch Waffenlieferungen an Dschihadisten im Wert von Milliarden Dollar ausgelöst.

Die Gründe: Erstens stand Assad einem Pipelineprojekt aus dem arabischen Raum im Weg und zweitens beherbergt Syrien die einzige russische Flottenbasis im Mittelmeer, die den USA ein Dorn im Auge ist. Dazu gibt es einen sehr interessanten Vortrag, in dem alle Quellen überprüfbar genannt werden. Den Vortrag in voller Länge (ca. eine Stunde) finden Sie hier, den Teil über die Pipeline (ca. sechs Minuten) finden Sie hier.

Spiegel: „Beweise Beweise für Angriffe auf Krankenhäuser“

Nachdem ich meinen Artikel am 10. März veröffentlicht hatte, hat der Spiegel am gleichen Tag noch einmal unter der Überschrift „Syrien – Menschenrechtsaktivisten legen Beweise für Hunderte Angriffe auf Krankenhäuser vor“ nachgelegt. In dem Artikel kommt eine Organisation namens „Syrian Archive“ zu Wort und der Spiegel zitiert lang und breit die „Erkenntnisse“ dieser Organisation.

Dass es sich dabei um eine völlig dubiose Organisation handelt, verschweigt der Spiegel. Sie soll, so hat die Deutsche Welle schon 2015 berichtet, von zwei Berlinern gegründet worden sein. Sie unterliegt also deutschem Recht, aber sie hält sich nicht daran. Die Seite hat nicht einmal ein Impressum. (Ich weiß, das hat der Anti-Spiegel auch nicht, aber ich lebe in Russland und unterliege daher russischem und nicht deutschem Recht. In Russland gibt es keine Pflicht, ein Impressum zu haben. Ich möchte meine Privatadresse nicht veröffentlichen, weil ich nicht möchte, dass Freunde oder Gegner meiner Arbeit vor meiner Wohnung auf mich warten, wenn ich mit vollen Einkaufstüten aus dem Supermarkt komme)

Hinzu kommt, dass das „Syrian Archive“ keinerlei Informationen über seine Finanzierung offenlegt, es gibt keine öffentlichen Jahres- oder Finanzberichte. Sie listen aber auf ihrer Seite ihre Geldgeber auf. Ob die Liste vollständig ist, kann man nicht überprüfen, aber die Liste ist für sich genommen schon aufschlussreich genug. Genannt werden unter anderem Soros (Open Society Foundation) oder die anti-iranische NGO Access Now. Zur Erinnerung: Der Iran ist ein Verbündeter von Assad.

Und auch die Liste der Partner des „Syrian Archive“ ist vielsagend, unter anderem findet sich da Bellingcat und wieder Soros mit der Open Society Justice Initiative. Das „Syrian Archive“ arbeitet also sehr eng mit Organisationen zusammen, die erklärte Gegner der syrischen Regierung und die mit den westlichen Geheimdiensten eng verbunden sind, und es wird von denen auch finanziert.

Das ist nicht verboten, aber da der Westen (und damit seine Geheimdienste) Assad stürzen will, kann man das „Syrian Archive“ nicht als neutrale Quelle zitieren, sondern man muss davon ausgehen, dass die Organisation ein weiteres Instrument zur propagandistischen Unterstützung der westlichen Bemühungen für einen Regime-Change in Syrien ist. Und so überrascht es nicht, wenn der Spiegel schreibt:

„In 90 Prozent der Fälle, in denen sich der Hintergrund klären ließ, seien Streitkräfte des syrischen Regimes oder Russlands verantwortlich zu machen, schreiben Khatib und seine Mitstreiter in ihrem Bericht.“

Kein Wort in dem Spiegel-Artikel hingegen über all die Verbrechen, die auf das Konto der „Opposition“ in Syrien gehen. Immerhin reden wir hier von Islamisten des IS und der Al-Qaida, aber die werden nicht nur nicht kritisiert, sie werden nicht einmal erwähnt. Dafür wird das Wort Chemiewaffen eingebaut, obwohl es bei den Vorfällen mit Chemiewaffen ungezählte Hinweise gibt, dass sie auf das Konto der Islamisten gehen. Das sagen auch Whistleblower aus der OPCW.

Aber da der Spiegel darüber nie berichtet hat, weiß der Spiegel-Leser nichts davon und assoziiert Chemiewaffen in Syrien automatisch mit Assad.

Der Spiegel zitiert in seinem Artikel also eine dubiose Organisation, über deren Finanzierung nichts bekannt ist, deren Internetseite nicht dem deutschen Recht entspricht, obwohl sie laut Deutscher Welle von Deutschen mit Wohnsitz Berlin betrieben wird und die engstens an westliche Geheimdienstkreise angebunden ist. Ist das eine neutrale Quelle?

Aber der Spiegel verschweigt seinen Lesern die Hintergründe.

Umgang mit Kriegsverbrechen im Westen

Angriffe auf Krankenhäuser gibt es leider immer wieder. Aber Wenn die USA Krankenhäuser angreifen und es sich nicht verheimlichen lässt, reden die westlichen Medien von „Kollateralschäden“ oder davon, dass die USA den Vorfall untersuchen würden. Dass bei den Untersuchungen nie etwas herauskommt und dass gegen die verantwortlichen US-Soldaten bestenfalls Disziplinarmaßnahmen verhängt werden, darüber wird hingegen möglichst unauffällig und kurz berichtet.

Wenn Russland so etwas passiert, oder wenn man es Russland auch nur unterstellen kann, sprechen die westlichen Medien hingegen von blutrünstigen und skrupellosen Russen. So ein Messen mit zweierlei Maß ist per Definition Kriegspropaganda. Die Historikerin Anne Morelli hat in ihrem Buch „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“ die zehn Regeln der Kriegspropaganda aufgelistet. Regel 5 lautet:

„Der Feind begeht wissentlich Gräueltaten; wenn wir hingegen Grenzen überschreiten, geschieht dies unabsichtlich“

Das ist genau das, was die westlichen Medien veranstalten, wenn sie über Kriege berichten: Alle Kriegsverbrechen des Westens werden heruntergespielt, das war nie Absicht. Dass das gelogen ist und dass im Westen Kriegsverbrechen vertuscht anstatt aufgeklärt werden, wird nie berichtet. Die Briten stellen einfach still und heimlich alle Verfahren gegen ihre Soldaten wegen Kriegsverbrechen im Irak ein, die Niederlande versuchen zu vertuschen, wie ihre Luftwaffe im Irak ein Dorf weggebombt und dabei mindestens 70 Zivilisten getötet hat, britische Soldaten haben in Afghanistan grundlos unbewaffnete Kinder ermordet. Die Liste ist lang und alle diese Fälle haben eines gemeinsam: Der Westen versucht, seine Kriegsverbrechen zu vertuschen, anstatt sie aufzuklären. Und Medien wie der Spiegel berichten nicht einmal darüber.

Der Spiegel und die humanitäre Hilfe für Syrien

Am 11. März ist im Spiegel ein weiterer Artikel zu Syrien mit der Überschrift „Zehn Jahre Bürgerkrieg – Guterres nennt Lage in Syrien »lebendigen Albtraum«“ erschienen, in dem der Spiegel auch wieder seine bekannten Feindbilder bedient hat. In der Einleitung konnte man lesen:

„Hilfsgüter kommen nur sehr eingeschränkt nach Syrien. Uno-Generalsekretär António Guterres hat nun einen verbesserten humanitären Zugang gefordert. Es ist vor allem ein Land, das im Uno-Sicherheitsrat blockiert.“

Welches Land mag der Spiegel da wohl meinen? Die wenig überraschende Antwort findet sich natürlich in dem Artikel:

„Im Juli vergangenen Jahres hatte ein russisches Veto im Sicherheitsrat zu einer drastischen Reduzierung der humanitären Grenzübergänge nach Syrien geführt. Seither gibt es nur noch einen solchen Korridor, der die Lieferung von Hilfsgütern ohne eine Genehmigung durch die Regierung in Damaskus ermöglicht. Im Juli dieses Jahres läuft die Regelung aus. Moskau hat bereits angedeutet, einer Verlängerung nicht zuzustimmen.“

Die bösen Russen wieder! Dabei war die Geschichte völlig anders, als der Spiegel sie darstellt. Es beginnt damit, dass es nicht nur Russland war, das damals ein Veto eingelegt hat, China hat das auch getan, was der Spiegel aber verschweigt. Die Medienkampagne dieser Tage im Spiegel zum Thema Syrien soll die Leser voll und ganz auf Russland fixieren, da lenken solche Feinheiten nur ab.

Der Spiegel verschweigt auch die Hintergründe der Resolution des UNO-Sicherheitsrates. Es ging darum, dass zu Zeiten, als in ganz Syrien Krieg herrschte, Hilfsgüter ins Land mussten und da die syrische Regierung die Grenzen nicht mehr kontrolliert hat, das haben damals die Islamisten getan, hat der UNO-Sicherheitsrat beschlossen, dass auch ohne Genehmigung der syrischen Regierung Waren ins Land gebracht werden können. Das ist heute nicht mehr nötig, denn Syrien kontrolliert fast alle seine Grenzübergänge wieder.

Syrien ist ein Land wie jedes andere auch und es möchte an seiner Grenze gerne kontrollieren, was ins Land kommt. Das will jedes Land, man stelle sich einmal vor, der Sicherheitsrat würde von Deutschland fordern, Waren unkontrolliert ins Land zu lassen, ohne Zollkontrolle, ohne Kontrolle darüber, was da so ins Land kommt.

Worum es bei den Veto wirklich ging

Und daran zeigt sich bereits, worum es bei der Resolution ging, gegen die Russland und China ihr Veto eingelegt haben: Der Westen wollte weiterhin unkontrolliert alles nach Syrien bringen, wozu er Lust hat. Wenn es um humanitäre Hilfe für die Menschen in Syrien ginge, dann würde Assad sie dankend ins Land lassen und auch die Verteilung ausländischen Hilfsorganisationen überlassen. Aber der Westen will den Menschen in Syrien nicht helfen, die sollen schön weiter leiden, damit die Assad-Regierung geschwächt wird. Das hat die EU in ihrem Grußwort zur Syrien-Geberkonferenz 2020 auch ganz deutlich gesagt:

„Wir als Europäische Union werden weiterhin Druck auf das Regime in Damaskus ausüben. Unsere Sanktionen sind in Kraft, damit das Regime vollständig und unmissverständlich begreift, dass es keine Normalisierung und keinen Wiederaufbau geben kann, bis es seinen Ansatz ändert, seiner Unterdrückung des syrischen Volkes ein Ende setzt und an [politischen] Verhandlungen teilnimmt.“

Politische Verhandlungen gab es zu dem Zeitpunkt längst, aber Hilfe des Westens sollten die Menschen in Syrien trotzdem nicht bekommen, solange Assad an der Macht ist. Ich habe über die Resolution damals ausführlich berichtet, den Artikel finden Sie hier. Russland und China ging es bei dem Veto darum, dass endlich auch die Menschen in Syrien selbst in den Genuss humanitärer Hilfe kommen sollen, aber das will der Westen nicht.

Wenn man das weiß, dann kann man auch folgenden Absatz in dem aktuellen Spiegel-Artikel richtig einordnen:

„Westliche Staaten werfen der Regierung in Damaskus vor, durch bürokratische Maßnahmen humanitäre Hilfen zu unterbinden. Damit wolle Syriens Machthaber Baschar al-Assad verhindern, dass die Hilfen auch bewaffnete Rebellengruppen erreichen.“

Man kann dem Spiegel nicht vorwerfen, er würde das Problem, dass die Hilfen des Westens nur den Rebellen (also Islamisten) zu Gute kommen sollen, verschweigen. Er berichtet darüber, aber er verklausuliert es so, dass der Spiegel-Leser, der die Hintergründe nicht kennt, es nicht verstehen kann.

Warten wir mal ab, ob der Spiegel in den nächsten Tagen zu dem Thema noch mehr solche Propaganda-Artikel nachlegt.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Eine Antwort

  1. Danke für den Link auf Gansers Vortrag! Das wird wieder eine grausam-unterhaltsame Stunde.

    Ich muss gestehen, dass ich erst durch anti-spiegel.ru auf die Operation Timber-Sycamore gekommen bin. Bislang hatte ich geglaubt, Deutschland mache sich „nur“ durch Beteiligung am EU-Boykott gegen Syrien mitschuldig an den Leiden der syrischen Bevölkerung. Aber das Beschweigen des Anstoßes – auch wenn Deutschland an den „Finanzierungsrunden“ und Waffendeals wahrscheinlich nicht selbst beteiligt war – macht die Sache in meinen Augen noch verwerflicher, denn solange das nicht allgemein bekannt ist, stehen die Sanktionen auf einem weniger effektiv angreifbaren Sockel.

    Wie ich schon an anderer Stelle erwähnte: Wenn eine Internet-Präsenz mit .de-Domain kein Impressum hat, muss dies nicht deutschem Recht widersprechen. Eine Unrechtmäßigkeit entsteht erst dann, wenn mit dem Auftritt eine Gewinnerzielungsabsicht verbunden ist. Das mag bei dieser obskuren „syrischen“ Organisation der Fall sein, klingt aber nicht danach, denn Gewerbetreibende verfügen eher ausnahmsweise über Unterstützer oder Finanziers.

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