Ukraine

Was ist aus dem Putschversuch geworden, den Präsident Selensky für den 1. Dezember angekündigt hat?

Vor einigen Tagen hat der ukrainische Präsident Selensky mitgeteilt, am 1. Dezember werde es einen Putschversuch in der Ukraine geben, und auch konkrete Putschisten benannt. Was ist am 1. Dezember dann tatsächlich passiert?

Die Medien haben weltweit berichtet, dass der ukrainische Präsident Selensky am 26. November für den 1. Dezember einen Putschversuch angekündigt hat. Dabei hat er konkret einen ukrainischen Oligarchen, mit dem Selensky im Streit liegt, der Mittäterschaft beschuldigt. Und natürlich sollten Russen an dem Putschversuch beteiligt sein. Über die Hintergründe des Streits zwischen Selensky und dem Oligarchen Achmetow habe ich berichtet, den Artikel finden Sie hier.

Der Putschversuch ist am 1. Dezember ausgeblieben, stattdessen hat Selensky im ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, eine 50-minütige Rede über seine Erfolge gehalten, bei der die Menschen im Lande aus dem Kopfschütteln kaum mehr herausgekommen sein dürften. Selensky scheint sich von den Realitäten im Land sogar noch weiter entfernt zu haben, als seine Vorgänger, denn in Kiew reiht sich mittlerweile ein Protest an den anderen. Inzwischen dürfte die Frage berechtigt sein, ob Selensky es wirklich schafft, bis zum Ende seiner Amtszeit Präsident zu bleiben.

Das russische Fernsehen hat in den Abendnachrichten über den Tag des angekündigten Putsches in der Ukraine berichtet und ich habe den russischen Beitrag übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Zwei Drittel der Ukrainer glauben, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt. Das sagen die Ergebnisse einer Umfrage, die heute Nachmittag vom Internationalen Institut für Soziologie in Kiew veröffentlicht wurde. Fast zeitgleich versuchte Präsident Selensky die Abgeordneten der Werchowna Rada und die Ukrainer vom Gegenteil zu überzeugen. Und viele konnte er nicht überzeugen. Nicht zuletzt, weil er nicht gesagt hat, worauf gewartet wurde. Was sind die Gründe dafür, dass Selensky dieses Mal weder seine reiche Erfahrung als Schauspieler, noch sein Flirt mit den Nationalisten geholfen haben? Eine Reportage über den Tag in Kiew.

Der Tag, für den der ukrainische Präsident den Staatsstreichversuch angekündigt hat, ist gekommen und die Straßen in Kiew wurden sogar vorsorglich mit Lastwagen blockiert. Aber im Stadtzentrum waren nur Leute mit Knallkörpern und Plakaten. Es handelt sich um Kleinunternehmer, die seit fast einem Monat gegen die neuen Registrierkassen revoltieren.

Die Werchowna Rada wurde von schwer bewaffneten Polizeibeamten abgeriegelt. Wladimir Selensky wurde im Parlament erwartet, um einen Bericht über die Lage im Land und in der Welt abzugeben. Die Fraktion „Diener des Volkes“ des Präsidenten zog sich T-Shirts mit der Aufschrift „Für den Präsidenten – Gegen Oligarchen“ an und wurde dafür von den Abgeordneten der Poroschenko-Partei gerügt, die ebenfalls nicht wie üblich aussahen. (Anm. d. Übers.: Die Leute von Poroschenko trugen T-Shirts mit Parolen gegen Selensky)

„Heute haben die ‚Diener‘ ihre Gucci-, Vuitton- und Valentino-T-Shirts aus und T-Shirts an gezogen, die für ein paar Kopeken aus den Briefumschlägen der Oligarchen hergestellt wurden. Aber der Kampf gegen die Oligarchen muss bei Selensky selbst beginnen“, sagte die Abgeordnete der Werchowna Rada Irina Geraschtschenko.

Von Selensky hatte man bei seinem Erscheinen in der Rada zumindest einige Details über den Putschversuch erwartet, aber er hat 50 Minuten lang kein Wort darüber verloren. Es ging in seiner Rede vor allem um Reformen, ohne die der Internationale Währungsfonds kein Geld geben wird, und um Erfolge.

„Die Energiekrise, die Einschränkung der Stromversorgung, der erhebliche Anstieg der Heiztarife – zum ersten Mal betrifft das nicht die Ukraine. Ich gratuliere Ihnen. So sind die Realitäten in der ganzen Welt, und trotzdem ist es uns gelungen, die Stabilität im Energiesektor zu erhalten“, sagte Selensky.

Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Nach Angaben von Gazprom liegen die ukrainischen Gasreserven fast 40 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres – und dieses Niveau wird als kritisch angesehen. Der Präsident erinnerte auch an den Krieg in der Ostukraine.

„Wir müssen die Wahrheit sagen, dass wir den Krieg ohne direkte Verhandlungen mit Russland nicht beenden können. Heute haben das schon alle ausländischen Partner anerkannt, aber einige inländische Partner erkennen das nicht. Wir müssen in dem Wissen sprechen, dass wir eine starke und mächtige Armee haben“, sagte Wladimir Selensky.

Und dann kam die Verleihung von Orden, bei der auch gezeigt wurde, aus wem diese Armee besteht. Selensky überreichte den Goldenen Stern des Helden der Ukraine an Dmytro Kotsyubaylo, Kommandant einer Einheit des Rechten Sektors .

Vor einem Jahr haben Journalisten der New York Times ihn an der Front besucht und einen Wolf bemerkt, der in einem Käfig saß.

„Die Ultranationalisten des Rechten Sektors in Avdiivka halten einen Wolf in einem Käfig neben ihrem Hauptquartier. Kommandant Dmytro Kotsyubaylo – Rufname Da Vinci – scherzte, dass er ihn mit den Knochen russischsprachiger Kinder füttere“, schrieben die Journalisten.

Vielleicht hat Selensky auch gescherzt, als über den Staatsstreich gesprochen hat, aber seine politischen Gegnern konnten darüber nicht lachen.

„Ich bin heute zum ersten Mal in Jeans, Turnschuhen und T-Shirt gekommen und warte auf den Putsch. Aber es gibt keinen. Was ist das für ein Putsch, zu dem niemand kommt?“, sagte der Abgeordnete Vadim Rabinowitsch.

Auch Petro Poroschenko war heute fassungslos. Und mit ihm Arsen Avakov und Arseniy Jatsenkjuk. Der ehemalige Präsident sagte, er erhalte Anrufe aus der ganzen Welt, in denen er gefragt werde, was im Lande vor sich gehe.

„Die erste Frage, die alle stellen, ist: ‚Das kann er doch nicht einfach so sagen, oder? Können Sie uns irgendeine geheime Information geben?‘ Aber das können wir nicht. Es war einfach schwarzer Humor. Ein Beispiel für die Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Land“, meint Petro Poroschenko.

Auf dem gleichen Sicherheitsforum sprach ein Gast von der anderen Seite des Ozeans. Victoria Nuland erinnerte per Videoverbindung daran, auf wen Kiew hoffen sollte.

„Die USA stehen immer an der Seite der Ukraine und unterstützen Sie in Ihrem Streben nach Unabhängigkeit und territorialer Integrität und einer anständigen, gerechten europäischen Zukunft. Alle NATO-Mitglieder sind mit der Ukraine solidarisch“, sagte Nuland.

Heute wurden auch Umfragen veröffentlicht, die zeigen, dass die Partei von Poroschenko bei der Beliebtheit zum ersten Mal die Partei von Selensky übertrifft. All diese Kämpfe finden vor dem Hintergrund zunehmender Straßenproteste statt. In Kiew wurden die kleinen Geschäftsleute am Abend durch Nationalisten ersetzt, die schließlich den gesamten Verkehr im Stadtzentrum zum Erliegen brachten.

Je näher die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen rücken, desto mehr Einfluss werden die Radikalen und ihre Anhänger auf das Handeln der derzeitigen Regierung haben.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

9 Antworten

  1. Zitat aus dem ersten Beitrag zum Thema:

    „Ich habe zum Beispiel die Information erhalten, dass es am 1. Dezember einen Staatsstreich in unserem Land geben wird. Das sind interessante Informationen und ich denke, es sind wichtige Informationen. Am 1. oder 2. Dezember.“

    Am 1. oder 2., morgen ist auch noch ein Tag. 😅

  2. Wenn zwei Drittel der Ukrainer glauben, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt, dann müsste sich das irgendwann irgendwo niederschlagen. Obwohl korrupte Säue aus den USA weiterhin Einfluss nehmen. Hierzulande glaubt ja immer noch eine Mehrheit, dass sich das Land in die richtige Richtung bewegt.

    1. In Deutschland glauben die Leute das nicht, in Deutschland sind die Leute einfach zu faul, fettgefressen und zu sklavisch… – denen geht es immer noch zu gut – darum gehen noch nicht Viele auf die Straße… 😉😋

  3. Selensky scheint ja in der Bevölkerung
    komplett unten durch zu sein. Interessanter
    ist die Frage, ob einzelne Oligarchen den
    Stimmungswechsel für sich selbst nutzen
    können ? Ist antirussische Stimmung bestimmend ?
    Sind die Menschen schon mit dem täglichen
    Überlebenskampf so beschäftigt, daß solche Fragen
    bereits in den Hintergrund treten ? Was kann
    man dazu sagen ?

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