Wie die aktuellen Entwicklungen in Nordkorea in Russland eingeschätzt werden

In den letzten Tagen gab es auch in Deutschland Medienberichte über den Parteitag in Nordkorea. Da die russischen Berichte aus dem abgeschotteten Land wesentlich detaillierter und dabei neutraler und objektiver formuliert sind, als die Berichte in Deutschland, will ich hier einen russischen Bericht aus dem Land zeigen.

Auf dem Parteitag hat Kim Jong-Un eingestanden, dass Partei und Staat die gesetzten Ziele des letzten Fünfjahresplanes nicht erreicht haben. Diese Selbstkritik ist etwas Neues in dem Land. Viel mehr hat man in deutschen Medien nicht erfahren. Das russische Fernsehen hat in einem Bericht über den Parteitag über mehr Details berichtet und auch einen Blick in die Zukunft der Beziehungen zu den USA gewagt. Oder zumindest einen Blick auf das, was Nordkorea sich erhoffen dürfte.

Eine Schlüsselrolle dabei dürfte die in Deutschland weitgehend unbekannte Schwester von Staatschef Kim, Kim Yo-Jong, spielen. Über diese geheimnisvolle Frau habe ich schon mal in einer Analyse berichtet, die Sie hier finden. Die Schwester wurde daher auch recht ausführlich in dem Bericht des russischen Fernsehens behandelt, den ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Die Hoffnungen und Enttäuschungen des Kim Jong-Un: Eine Reportage aus dem abgeschottetsten Land der Welt

Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-Un ist zum Generalsekretär der Arbeiterpartei Koreas ernannt worden. Zuvor war er ihr Vorsitzender. Die Entscheidung wurde auf einem Parteitag in Pjöngjang getroffen. Beobachter stellten fest, dass Kim Jong-Uns Schwester nicht Mitglied des neuen Politbüros des Zentralkomitees ist. Was bedeutet diese Veränderung in einem der am stärksten abgeschotteten Länder der Welt?

Auf den wenigen Bildern, die vor dem Kulturpalast aufgenommen wurden, ist zu sehen, wie sich 5.000 Delegierte aus dem ganzen Land zum Parteitag der Arbeiterpartei versammeln. Die große Treppe des „Palastes des 25. April“ war bereits leer, als Kim Jong-Uns Autokolonne am Eingang vorfuhr.

Alle Vorbereitungen des Kongresses wurden streng geheim gehalten. Dass er begonnen hatte wurde erst bekannt, nachdem Satelliten eine Ansammlung von Autos in der Nähe des Palastes im Zentrum von Pjöngjang aufgezeichnet haben.

Der Kongress der Arbeiterpartei findet alle fünf Jahre unter Kim Jong-Uns Leitung statt, um Bilanz zu ziehen und die Aufgaben für die nächsten fünf Jahre festzulegen. Diesmal lag der Fokus auf Innenpolitik und Wirtschaft. Kim Jong-Un hat bereits in seiner Begrüßungsrede über die Probleme gesprochen, mit denen das Land in den letzten Jahren konfrontiert war: „Die Fünfjahresstrategie für die Entwicklung der Staatswirtschaft ist abgeschlossen, aber in fast allen Bereichen haben wir unsere Ziele nicht allzu sehr erreicht“, räumte er ein.

Die Reformen wurden auf dem Kongress nicht offen diskutiert, aber Experten schließen einen neuen Kurs in der Wirtschaft nicht aus. Ebenso wie das mögliche Wachstum des Einflusses der Unternehmerklasse in Nordkorea. „Es gab keine Hinweise auf eine Orientierung, das Segment der neuen Wirtschaft abzuwickeln und zu schließen“, sagte Alexander Woronzow, Leiter der Abteilung Korea und Mongolei des Instituts für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften. „Die Unternehmerklasse wurde aufgerufen, patriotisch zu sein, aber gleichzeitig wurden die Bedingungen für ihre Entwicklung und Bewahrung nicht verändert.“

Dem militärischen Bereich und der Außenpolitik insgesamt wurde nicht viel Beachtung geschenkt. Es gab nicht einmal die traditionellen Raketentests, die solche Kongresse sonst begleiten. „Ich betrachte das als einen bekannten Appell an die neue amerikanische Regierung in Bezug auf Pjöngjangs Bereitschaft, Verhandlungen aufzunehmen und über wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten nachzudenken, unter Berücksichtigung der Entwicklung von Beziehungen zur Außenwelt“, kommentierte Anatoly Torkunov, Rektor der Staatlichen Moskauer Universität Korea-Experte.

Dennoch bleibt die Armee eine Priorität für Nordkorea. Zu den Aufgaben für die kommenden Jahre gehört es, die Zielgenauigkeit von Interkontinentalraketen mit einer Reichweite von bis zu 15.000 Kilometern – von Nordkorea bis in die Vereinigten Staaten sind es 10.000 Kilometer – zu erhöhen. Außerdem geht es um die Schaffung von Hyperschall-Fluggeräten mit neuen taktischen Raketen und der Entwicklung eines eigenen Atom-U-Boots.

Die Nachricht vom nordkoreanischen U-Boot wird in südkoreanischen Medien besonders aktiv diskutiert. Es ist schwierig, Starts aus dem Meer zu verfolgen, abgesehen davon, dass Seoul keine Atom-U-Boote hat, und wenn Pjöngjang sie entwickeln wird, kann es das Machtgleichgewicht in der Region verändern.

„Es gibt Grund zu der Annahme, dass sie diese Aufgabe erfüllen werden, und das wird ihr nukleares Potenzial noch weiter ausbauen“, sagte Alexander Woronzow, Leiter der Abteilung Korea und Mongolei des Instituts für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften. „U-Boote sind mobil und schwerer zu verfolgen. Das bedeutet für die Amerikaner und ihre Verbündeten zusätzliche Herausforderungen.“

Kim Jong-Uns Status hat sich seit dem Achten Kongress geändert. Heute ist er Generalsekretär der Arbeiterpartei. Sein Vater und Großvater hatten zuvor diese Position inne. Experten zufolge ist diese Bezeichnung keine Überraschung: „Das ändert nichts“, sagte Kim Yong-Un, ein führender Forscher am Zentrum für koreanische Studien. „Einzig: Das liegt im Allgemeinen nahe an dem, was in sozialistischen Ländern geschieht. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die ehemaligen Führer der UdSSR – Gorbatschow, Breschnew – die Position des Generalsekretärs inne hatten.“

Das Politbüro wurde nach dem Kongress verjüngt. Aber die Aufmerksamkeit der asiatischen Medien konzentriert sich darauf, wer unter den 30 Führern der Partei keinen Platz bekommen hat. Hongkonger Medien fragen sich, warum Kim Jong-Uns Schwester nach dem Kongress im Schatten blieb. „Kim Jong-Un scheint beschlossen zu haben, seine Schwester vor der übermäßigen Aufmerksamkeit der ausländischen Presse zu schützen“, schreibt der Autor eines Artikels in der South China Morning Post. „Sie wird für eine Weile eine wenig sichtbare Figur sein. Aber es ist offensichtlich, dass ihre Macht in der Partei weiter wachsen wird. Sie kann so etwas wie eine Ministerin für besondere Aufgaben werden.“

Südkoreanische Medien haben es nicht eilig, über eine Niederlage von Kim Yo-Jong zu sprechen. Die südkoreanische Nachrichtenagentur schließt nicht aus, dass Kim Yo-Jongs Status sich dramatisch verbessern könnte. Und Experten von Think Tanks erwägen sogar ernsthaft, die Gespräche zwischen den USA und Nordkorea im Format zweier Frauen wieder aufzunehmen: Kamala Harris und Kim Yo-Jong. Dadurch kann der Verhandlungsprozess von Grund auf neu beginnen.

„Wir wissen, dass sie eine Person ist, der Kim Jong-Un sehr vertraut und sie hat früher eine bedeutende Rolle bei den Kontakten mit Südkorea gespielt“, erinnert sich Anatoly Torkunov, Rektor der Staatlichen Moskauer Universität. „Mir scheint, dass hier jede Wendung möglich ist. Und dass sie nicht in die Parteiführung eingetreten ist, ist ein taktischer Schritt, der mit ihren ausländischen Kontakten der Zukunft verbunden ist.“

Der achte Parteitag endete mit einer Militärparade. Allerdings kann man dieses Mal nicht über ihr Ausmaß oder die gezeigten Waffen sprechen. Wie schon im Oktober fand die Parade in der Nacht statt, und sie wurde nur durch Satellitenbilder bekannt, die die Umgruppierung und Verlagerung von militärischer Ausrüstung zeigen. Experten glauben, dass die Regierung Nordkoreas diese Entscheidung im Interesse der Tarnung getroffen haben. Jeder, der die Parade mit eigenen Augen im Zentrum von Pjöngjang sehen sollte, hat sie gesehen.

Ende der Übersetzung

Hinweis in eigener Sache: Da ich in Russland lebe und auch den Iran schon ausgiebig bereist habe, weiß ich, dass die westlichen Medienberichte über die „bösen Länder“ der Welt wenig mit der Realität zu tun haben. Eine Reise nach Nordkorea würde mich daher sehr reizen, um mir ein eigenes Bild zu machen.

Ich habe vor einiger Zeit eine Reportage von Arte – also einem, was anti-westliche Standpunkte angeht, sehr unverdächtigen Sender – gefunden, die ich jedem, der sich für Nordkorea interessiert, sehr ans Herz legen möchte. Für mich war es eine sehr gut investierte Stunde, diese Reportage anzuschauen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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