EU vs. Orban

Wie in Russland über den LGBT-Streit zwischen der EU und Ungarn berichtet wird

Der Dauerstreit zwischen der EU und Ungarn verschärft sich und zum ersten Mal in der Geschichte will Brüssel einem EU-Staat die Gelder streichen. Der Grund ist ein Streit über Kinderschutz und LGBT. Wie wird in Russland darüber berichtet?

Das Thema des Streits zwischen Brüssel und Budapest ist ein ungarisches Kinderschutzgesetz, das den Eltern das alleinige Recht einräumt, ihre Kinder in Bezug auf die sexuelle Orientierung zu erziehen. Werbung für andere Formen der Familie vor Kindern ist in Ungarn nun verboten, weshalb Unterrichtsmaterialien überprüft, bestimmte Werbespots verboten werden und der Einsatz von LGBT-Aktivisten zum Beispiel an Schulen nicht mehr erlaubt wird. Die EU – oder besser vor allem die westlichen Staaten der EU – schäumt vor Wut und sieht darin eine Diskriminierung von LGBT-Menschen. Da Ungarn jedoch auch durchaus Unterstützer in der EU hat, könnte der von Brüssel auf die Spitze getriebene Streit die EU insgesamt spalten, wie ich hier aufgezeigt habe.

Die Berichterstattung in Deutschland über das Thema ist allgemein bekannt. Daher habe ich als „Alternativprogramm“ einen Bericht aus den russischen Abendnachrichten vom Sonntag über den Streit zwischen der EU und Ungarn übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Europäische schmutzige Wäsche: Rutte will Orban in die Knie zwingen

Ungarn könnte das erste EU-Land ohne Subventionen aus den EU-Fonds werden. Der Grund für diese Ultimaten aus Brüssel war das Gesetz zum Verbot der Förderung von Homosexualität unter Minderjährigen, das von Budapest verabschiedet wurde und diese Woche in Kraft trat. Es ist nicht das erste Mal, dass Ungarn mit einer solchen europäischen Erpressung konfrontiert wird – die Europäische Union hat keine ihrer früheren Drohungen dieser Art umgesetzt. Budapests Entscheidung wird von sechs Ländern unterstützt, indem sie ein Verbot homosexueller Verbindungen in ihre Verfassungen aufgenommen haben. Aus Europa berichtet Michail Antonow.

Ungarn und die Europäische Union haben unterschiedliche Charaktere. Wie dramatisch die Folgen für die europäische Familie sein werden, ist nicht absehbar aber die Menge an schmutziger Wäsche, die gewaschen wird, stellt jede Scheidung in den Schatten. Einen Tag vor Inkrafttreten des ungarischen Gesetzes zum Verbot von Gay-Propaganda unter Kindern verabschiedete das Europäische Parlament eine verurteilende Resolution, nachdem es zuvor einen Bericht des Abgeordneten Cyrus Engerer gehört hatte. Der wurde 2014 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er einen Privatporno seines Ex-Freundes online gestellt hatte.

Der ungarische Regierungssprecher antwortete in einem Tweet auf die Resolution:

„Lassen Sie mich das klarstellen. Der Sozialist Cyrus Engerer, der von einem maltesischen Gericht wegen der „Verbreitung von Rache-Pornos“ verurteilt wurde, ist nun als Europaabgeordneter für die Überarbeitung des ungarischen Kinderschutzgesetzes zuständig? Wird das das gleiche sein? Also ein Racheakt?“, schrieb Zoltán Kovács .

Dass solche parlamentarischen Experten die Einschätzung der Europäischen Union beeinflussen, interessiert außer die Ungarn niemanden. In Budapest ist man sich sicher, dass es in diesem Fall nicht um Fakten, sondern um Verurteilungen geht.

„Das Gesetz schützt Kinder, weil es den Eltern das alleinige Recht gibt, sie bis zum Alter von 18 Jahren in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung zu erziehen. Mit anderen Worten: Dieses Gesetz sagt nichts über die sexuelle Orientierung von Erwachsenen aus“, sagte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó.

In der EU ist der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte – in der Presse wird regelmäßig über seine nicht-traditionelle Orientierung spekuliert – der Hauptgegner des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Ihr Gespräch, das laut Berichten aus dem Plenarsaal des Europäischen Rates laut wurde, endete erwartungsgemäß damit, dass Rutte sich berechtigt fühlte, Ungarn die Tür zu weisen:

„Unser Ziel ist es, die Ungarn in dieser Frage in die Knie zu zwingen. Sie müssen verstehen, dass sie entweder Teil der Europäischen Union sind und unsere Werte teilen, oder sie sind es nicht“, sagte Rutte.

Orban antwortete: „Meiner Meinung nach ist der niederländische Ministerpräsident persönlich davon überzeugt, dass er auf einer höheren moralischen Ebene steht als wir Ungarn… Diese Haltung ist nicht ungewöhnlich. Er ist ein leuchtendes Beispiel, aber es gibt andere, die diese schlechten Instinkte irgendwie von ihrer europäischen kolonialistischen Vergangenheit geerbt haben“

Orban hat diese Art von Aussagen schon früher gemacht. Und in der Vergangenheit wurde er als Autokrat, Nationalist und korrupt bezeichnet. Es gab viele Gründe für Streitigkeiten: Änderungen der ungarischen Verfassung, die die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau festlegen, die Weigerung, Flüchtlinge nach Quoten aufzunehmen, der Rauswurf von Soros aus Ungarn, die mangelnde Bereitschaft, den Brüsseler Rechtsstaatlichkeitsmechanismus zu befolgen, der Kauf von russischen Impfstoffen und viele andere Kleinigkeiten. Aber ein Verbot, LGBT-Aktivisten in Kindergärten und Schulen zuzulassen, während ganz Europa seine nicht-binäre Natur herausstreicht und zur Unterstützung diverser Minderheiten niederkniet, ist zu viel.

„Ich halte dieses Gesetz für falsch und nicht im Einklang mit meinen Vorstellungen von Politik“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

„Dieses Gesetz ist beschämend. Es widerspricht zutiefst den Grundwerten der Europäischen Union“, sagte Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission.

Ja, Orban wurde de facto gezwungen, die Reise zum Spiel der Fußball-Europameisterschaft in München abzusagen, als seine Nationalmannschaft gegen die Deutschen spielte, da man dort versuchte, den Ungarn eine Lektion zu erteilen. Während des Abspielens der Nationalhymne rannte ein Fan mit einer Regenbogenfahne auf das Spielfeld, auch die Kapitänsbinde von Manuel Neuer war eine Regenbogenbinde. Es gab Pläne, die gesamte Allianz-Arena in den LGBT-Farben zu beleuchten, doch die UEFA lehnte das ab und sorgte für einen Aufschrei in den Medien. Aber der ungarische Premierminister ist psychologischen Druck gewohnt. Deshalb wird die eigentliche Strafe eine andere sein: finanzielle Sanktionen. Übrigens ist das ein Wink an die Polen, die zwar EU-Geld nehmen, aber nicht immer die Werte teilen.

„Die Idee ist folgende: Wenn Sie die Werte der Demokratie oder der Gleichheit in der EU nicht unterstützen, haben Sie keinen Anspruch auf Geld für Ihre Projekte“, sagt EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli.

Neben den normalen Subventionen aus dem europäischen Haushalt erwartet Ungarn mehrere gezielte Hilfspakete: zur Bekämpfung der Covid-Folgen und zur wirtschaftlichen Erholung. Das sind mehr als 15 Milliarden Euro. Brüssel ist deutlich entschlossen, Orban dieses Geld vorzuenthalten. Die Entscheidung wird im Herbst fallen – pünktlich zum Beginn des ungarischen Parlaments-Wahlkampfes. Vermutlich erhofft man sich dadurch eine Schwächung der Position der regierenden Fidesz-Partei. Allerdings sind Sanktionen ein unberechenbares Instrument, sie können den Sanktionierten auch stärken.

Dabei muss man auch bedenken, dass vor den Wahlen in Ungarn auch in Deutschland Wahlen stattfinden werden. Und der wichtigste stabilisierende Faktor der EU – Angela Merkels politische Erfahrung und Autorität – wird aus der europäischen Politik verschwinden. Nun fragen sich viele, wie es nach ihr weitergehen wird, inwieweit die „ungarische Frage“ ein Test für die europäische Einheit sein wird.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

27 Antworten

  1. Respekt Herr Orban – wenigstens noch Einer, der Eier genug in der Hose hat und nicht jeden absoluten Schwachsinn unterstützt – schon gar keine gegen die Natur gerichtete menschenfeindliche Dekadenz… 😉

    1. Hätte er die nicht, könnte er die nächste Wahl vergessen. Es ist ja nicht Orban oder seine Partei allein, die dieses Gesetz wollen. Alle im Dorf, die ich bisher gefragt habe, unterstützen das Gesetz. Orban vertritt den mehrheitlichen Volkswillen, er verhält sich also ganz demokratisch. 😉

        1. Normal. Hätte jemand meine Kinder über nicht normale Sexualpraktiken „aufgeklärt“, hätte ich ihm die Knochen gebrochen und wie ich die ungarischen Männer verstanden habe, würden sie genauso handeln. Das Gesetz war schon für den allgemeinen Frieden notwendig. 😅

  2. Zitat A.Merkel: „Ich halte dieses (ungarische) Gesetz für falsch und nicht im Einklang mit meinen Vorstellungen von Politik“. Was will uns damit eigentlich A.Merkel über ihre ganz eigene sexuelle Orientierung vermitteln, gerade sie, die selber nicht einmal Kinder in die Welt gesetzt, geschweige denn groß gezogen hat … ? … Ein Schelm, wer sich hierbei seine ganz eigenen Gedanken macht 😉

      1. Wenn die Kinder immer nach den Eltern kommen würden, pflichte ich dem bei, aber Gott sei Dank ist das zumeist nicht so, d.h. die Kindern leben die Primitivität gewisser Eltern nicht aus 😉

  3. Ungarn und Polen täten gut daran, es den Briten nachzumachen und aus der EU wieder auszutreten – die Briten haben gezeigt, dass das machbar ist. Und dem Austritt sollte man sogar noch etwas Würze mit hinzugeben, indem man die Russophobie aufgibt und sein Verhältnis mit dem Osten wieder normalisiert, denn von dort kommen solche primitiven Erpressungsversuche nicht – Das würde die NATO aber ganz gewaltig ärgern … 🙂

    1. Ich befürchte, daß Ungarn wirtschaftlich erpreßbar ist, über die ausbleibenden Subventionen hinaus und nicht jeder kann, wie Putin, darauf scheißen. Vielleicht können sie sich doch noch am Schopf aus dem Sumpf / EU ziehen?

      1. Kommt auch darauf an wer wen mehr braucht. Ob Berlin es sich wirklich leisten kann noch mehr Kontrolle in Osteuropa zu verlieren? Sobald keine Kohle mehr kommt, wird Budapest einen Teufel tun und Berlin aus Willigkeit und Unterwürfigkeit weiter die Stange polieren. Ungarn ist nicht Griechenland. Und dass weiß man auch in Berlin, bzw. kriegt es jetzt von Orban glasklar kommuniziert.

        1. Richtig. Ungarn kann ja bequem ein paar Hektar für eine Militärbasis an Russland vermieten, mit Raketenabwehrschirm, der selbstverständlich nicht gegen die Nato gerichtet ist.

  4. „Und der wichtigste stabilisierende Faktor der EU – Angela Merkels politische Erfahrung und Autorität – wird aus der europäischen Politik verschwinden.“

    da bleibt mir das Lachen im Hals stecken

  5. Die Ungarn sind tatsächlich so etwas Führungsmacht in der Region und entsprechen damit wieder ihrer historischen Rolle vor der Niederlage gegen die Türken im Jahr 1526 (ironischerweise ist der türkische Sultan heute einer der Hauptverbündeten des ungarischen Königs).

    Mit dem Visegradbündnis hat Budapest bereits eine „Anti-EU“ geschaffen, mit der es den Einfluss Berlins konterkariert. Demnächst könnte dieses Bündnis noch um Kroatien und Serbien erweitert werden. Wirtschaftlich und kulturell ist es ganz klar nach Osten ausgerichtet, daran ändert interessanterweise auch die Russophobie einiger Partner (eigentlich nur eines Partners, nämlich Polen) nichts. Für das Bündnis wird es ein Prüfstein sein, derartige Befindlichkeiten zu heilen. Aber unter den gegenwärtigen Bedingungen tut Westeuropa schon von sich aus genug daran, die Osteuropäer zu vergraulen. Kulturell und auch wirtschaftlich. Mal sehen wie lange die Regierenden in Polen sich ihre antirussische Haltung noch leisten können. Pénz beszél, kutya ugat (Geld spricht – Hund bellt), wie man in Ungarn sagt.

  6. Irgendwie ist mir der Herr Orban äußerst sympathisch. Und mir ist mal wieder bewusst geworden, wie sehr sich meine moralischen Vorstellungen die der EU-Werte unterscheiden – und zwar um 180 Grad z.T.

  7. Mir geht’s dabei nicht nur um das Gesetz, sondern auch seine anderen Entscheidungen:
    „Änderungen der ungarischen Verfassung, die die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau festlegen, die Weigerung, Flüchtlinge nach Quoten aufzunehmen, der Rauswurf von Soros aus Ungarn, die mangelnde Bereitschaft, den Brüsseler Rechtsstaatlichkeitsmechanismus zu befolgen, der Kauf von russischen Impfstoffen und viele andere Kleinigkeiten.“

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