Russland-Reisen

Geheimtipp für den ungewöhnlichen Urlaub: Das einmalig exotische Dagestan im Kaukasus

Ich berichte immer mal wieder über Tipps für Russlandreisen. Heute geht es um die autonome Teilrepublik Dagestan im Kaukasus, ein ursprüngliches und vielfältiges Land.

Dagestan ist schon deshalb weltweit einmalig, weil niemand genau sagen kann, wie viele Sprachen in dem kleinen Landstrich im kaukasischen Gebirge gesprochen werden. Die weniger als drei Millionen Bewohner sprechen hunderte von alten und urtümlichen Sprachen, deren Erhaltung Russland wichtig ist. Dagestan ist ein klassisches Beispiel für den Vielvölkerstatt Russland und seine weit über hundert Ethnien. Dagestan hat seine Natur und Traditionen erhalten und wird dabei vom russischen Staat kräftig unterstützt. Das staatliche Fernsehen zum Beispiel sendet dort in den 14 wichtigsten Sprache der Region.

Russland will den Tourismus im Inland ankurbeln, weshalb das russische Fernsehen immer wieder Reisetipps für ungewöhnliche und wenig erschlossene Gegenden im Land zeigt, wo man noch wirklich die urtümlichen Völker und ihr Leben erleben kann, ohne den industriellen Massentourismus der „normalen“ Urlaubsländer. Zwei Beispiele finden Sie hier und hier.

Am Sonntag hat das russische Fernsehen in der Sendung „Nachrichten der Woche“ einen Reisetipp über Dagestan gebracht, den ich übersetzt habe. Ich empfehle dringend, den Text nicht nur zu lesen, sondern sich auch den Beitrag des russischen Fernsehens anzuschauen, der zusammen mit meiner Übersetzung auch ohne Russischkenntnisse verständlich ist. Der von mir übersetzte Text ist hingegen ohne die Bilder nur schwer zu verstehen. Der Aufwand lohnt sich, Dagestan ist wirklich sehenswert!

Beginn der Übersetzung:

Am 25. Mai startete Russland ein Programm zur Rückerstattung eines Teils der Kosten für Reisen in Kinderferienlager. Bis zum 15. Oktober gibt es 50 Prozent Cashback für Kinderurlaube. Gemäß den Bedingungen der Aktion wird der Rückerstattungsbetrag – bis zu 20 Tausend Rubel (ca. 220 Euro) – automatisch auf die Mir-Karte überwiesen. (Anm. d. Übers.: Die Mir-Karte ist eine russische Kreditkarte, eine Alternative zu Visa und MasterCard)

Die Initiative des Präsidenten löste eine große Nachfrage aus. Alleine während der ersten drei Tage des Programms kauften Eltern 21.000 Reisen in Ferienlager für einen Gesamtbetrag von 700 Millionen Rubel (ca. 8 Millionen Euro).

Auch Millionen russischer Erwachsener denken darüber nach, wo sie ihren Sommerurlaub verbringen werden. „Nachrichten der Woche“ macht unsere Zuschauer weiterhin mit interessanten Orten in Russland bekannt, die einen Besuch wert sind. Als nächstes ist Dagestan an der Reihe. Ein erstaunlicher Ort!

Eine Reportage von Maksim Kiselev.

Unter seinen Füßen ist ein tiefer Abgrund und der Orkanwind scheint selbst das feste Band, auf dem er – mit gelegentlichen Pausen zum Ausruhen – balanciert, in den Abgrund reißen zu können.

„Wenn ich mich so hinsetze, kann ich mich einen Moment ausruhen.“, sagt er.

Ihre Straßen sind Seile. Und darauf zu balancieren, ist eine Kunst, die seit Generationen gelebt wird. Die Pekhlevan aus den Bergen Dagestans sind die die Seilwandler, deren Namen einst in der ganzen Sowjetunion bekannt waren.

In dem winzigen Dorf Tsovkra in Dagestan gab es mehr ausgezeichnete Künstler der Sowjetunion und Russlands als es heute Schüler in der Abschlussklasse gibt. Sechs weitere gesellen sich zu den Hunderten, die von hier aus mit dem Seil auf ihre lebenslange Reise gingen.

Hier steht anstelle von Sportunterricht unter anderem Himmelsakrobatik auf dem Stundenplan. Schon hundert Jahre lang hat die älteste Pekhlevan-Schule diejenigen, die gerade erst das Laufen auf dem Boden gelernt haben, auf die Seile gestellt.

Es gab eine Zeit, in der man in diesen Bergen ohne diese Kunst nicht weiter kam. Die Schluchten wurden nicht mit Brücken, sondern auf Seilen überquert. Der einzige Unterschied war, dass sie anstatt einer Stange ein Paar Steine zum Ausbalancieren in der Hand hielten.

Sanft, fast wie zu einer Melodie, knoten diese Frauen die Fäden zu verschlungenen Mustern. Die Bewegungen ihrer Finger sind für das Auge fast nicht wahrnehmbar. Tausende von Knoten pro Stunde machen sie. Einhundert pro Minute. Es dauert Monate und manchmal Jahre, um so ein dagestanisches Wunderwerk, einen Tabasaran-Teppich, herzustellen.

„So einen Teppich herzustellen, dauert mindestens sechs Monate. Am Tag schafft man maximal zehn Reihen.“, sagt die Teppichweberin.

In Russland hat es nur Dagestan geschafft, die Kunst der handgefertigten Teppiche zu erhalten. Es ist die traditionelle Art, bei der die Fäden buchstäblich in ein Tuch gewebt werden, so dass der Teppich über Jahrhunderte verwendet werden kann. Wo Mütter ihre Töchter von Kindesbeinen an an den Webstuhl setzen, damit sie den Umgang mit Garn so virtuos erlernen wie Musiker den mit Saiten. Hier haben sie etwas bewahrt, was fast überall sonst vergessen wurde, nämlich die Farbe.

Ihre Teppiche werden von der Natur selbst in Farbtönen gefärbt, die Chemiker bisher nicht reproduzieren konnten. Alleine die Dagestaner Maräne, hinter der die Europäer vor 200 Jahren herjagten, „malt“ eineinhalb Dutzend Rotvarianten auf einen Teppich.

„Völlig gleichmäßig kann man die Wolle nicht einfärben, irgendwo bleiben solche rosa Stellen zurück. Das ist der Beweis für natürliches Färben.“, erklärt der Färbermeister.

Die Farben werden in den Dampfwolken des kochenden Saftes von Krapp, Walnuss oder Berberitze geboren. Ein unnachahmlicher Glanz der Fäden, der dem Teppich für immer erhalten bleibt. Wolle auf diese Weise zu färben ist wie eine Stunde angezogen in der Sauna zu verbringen, aber das Ergebnis ist die Mühe wert. Die Fäden werden ihre Farbe weder in fünfzig noch in 300 Jahren ändern.

„Das ist ein Hochzeitsteppich. Sehen, sie das symbolisiert, dass so viele Kinder in der Familie geboren werden sollen.“, erklärt der Teppichhändler ein Motiv.

Die Teppichbasare von Derbent schmücken, wie vor einem Vierteljahrhundert, das Pflaster mit Mustern aller Farben und erinnern an die Zeit, als die Menschen in wenigen Handelstagen reich wurden.

„In den 90er Jahren konnte man hier fünf Teppiche verkaufen und für dieses Geld eine Ein-Zimmer-Wohnung bekommen.“, erinnert sich Valid Seferbekov, ein Teppichhändler.

Teppichmärkte entstanden in Derbent in den 1960er Jahren, als hier die erste Weberei gebaut wurde. Die Verkäufer mussten um 3 Uhr morgens hierher kommen, um einen Platz zu ergattern. Damals durften sie ihre Waren an der Festungsmauer aufhängen und am Markttag verwandelte sie sich in einen großen bunten Teppich.

Derbent ist die älteste Stadt Russlands. Die Mauern ihrer Festung Naryn-Kala bergen Hunderte von Geschichten und noch mehr Legenden, von denen eine immer erzählt wird. Davon, wie Zar Peter der Große hier buchstäblich mit der Spitzhacke das Fenster nach Asien in die Mauer geschlagen hat. Sicher ist, dass er es war, der befahl, diese Gebiete zu einem der Zentren des russischen Weinbaus zu machen, der in der Sowjetzeit aufblühte, als in der Nähe von Derbent 14 Weingüter entstanden. Die Geschichte wird hier in jahrhundertealten Eichenfässern verkorkt, wo sie den Reichtum der Bernsteinfarbe bewahren soll.

Diese Cognac-Fässer erinnern sich an die Perestroika, an Stagnation und sogar politisches Tauwetter. Dies ist die Charge von 1967. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es ein solches Lager, in dem 11.000 Fässer zukünftigen Cognacs an einem Ort gesammelt werden können. Hier wird er wie ein Mensch behandelt, der nicht einmal einen Hauch von Unhöflichkeit duldet. Respektvoll und ehrfürchtig. Und manchmal sogar zärtlich.

„Die sind wie ein lebender Organismus. Manchmal fasst Du sie an, redest mit ihnen, sie fühlen und hören das.“, ist sich der Meister sicher.

Dagestanischer Cognac ist eine Legende. In den Brennereien in Kizlyar und Derbent begann seine russische Biographie mit einer Rettungsaktion im Jahr 1943, als sie den Gen-Pool des Cognac-Alkohols aus Armenien und Georgien holten, und als es ihnen in den 90er Jahren gelungen ist, die Kette des kompletten Zyklus nicht zu brechen: von der Rebe bis zum Etikett.

Nicht einmal ein Tropfen Wasser darf bei der Abfüllung in die Flasche gelangen, also wäscht man die Flaschen hier mit Cognac aus, eine kostspielige Technologie. Allein für die Spülung verbraucht die Fabrik über hundert Liter pro Tag. Für das Alter des Cognacs muss man die Verluste in Kauf nehmen. Selbst wenn er einfach durch die Holzporen der kaukasischen Eichenfässer entweicht.

„Die Franzosen nennen das den Anteil der Engel, bis zu drei Prozent dessen, was man in die Fässer füllt, entweicht in die Luft.“

Die Luft des Meeres durchdringt dieses Land, wo die Spuren von Peter dem Großen überall zu finden sind. Er erkannte schon vor 300 Jahren, wie wichtig die kaspische Küste für Russland ist. Und für das Kaspische Meer, die Marine.

Die Kaspische Flottille. Seit drei Jahrhunderten ist sie ohne Unterbrechung hier. Und die Bedeutung ihres Aufenthalts in diesem Meer hat sich seit dem Tag, an dem die Expedition von Peter ihr Lager am Ufer aufschlug, kaum verändert. Die Sicherheit unserer Gewässer am Kaspischen Meer ist auch jetzt ihre Aufgabe. Aber seit sechs Jahren ist das nicht mehr die einzige. Sie hat keine großen Landungsschiffe, aber sie hat ihr eigenes „Kalibr“. (Anm. d. Übers.: Kalibr ist der russische Marschflugkörper, analog zu den Tomahawk-Raketen der USA)

Die Flottille wurde im Herbst 2015 auf der ganzen Welt bekannt, als die vom Kaspischen Meer aus gestarteten und 1.500 Kilometer weit fliegenden Raketen Ziele auf dem Territorium Syriens trafen. Auf den Deckeln des Kalibr-Werfers auf dem Schiff befinden sich Zahlen, die die Anzahl der scharfen Abschüsse angeben. Davon gibt es nicht viele. Überwiegend Einsen und nur zwei Zweien. Aber diese Salven sprengten damals nicht nur die Basen des IS, sondern den gesamten weltweiten Informationsraum.

Der Respekt vor Waffen ist hier unermesslich. Wenn eine Klinge in Dagestan hergestellt wurde, erkennt man sie überall auf der Welt. Die einzigartige Haltbarkeit und Schärfe der Kizlyar-Messer bleibt auch am Fließband erhalten. Es gibt Fabriken und ganze Dörfer von Meistern der Waffenschmiedekunst. Wie vor Jahrhunderten zelebrieren sie noch immer die Herrlichkeit ihres Handwerks und benutzen den Hammer fast wie einen Pinsel, der die Muster auf den Damaszenerstahl zeichnet.

„Damaszener Stahl ist unnachahmlich, einzigartig. Er ist wie ein Fingerabdruck. Selbst wenn ein Schmied es will, kann er niemals eine identische Klinge herstellen.“, sagen die Meister.

Die Einzigartigkeit liegt hier in jeder Kurve der Klinge, in jedem Bergfluss, jeder Schlucht und in den Ornamenten. Dagestan ist, wie die Teppiche seiner Meister, vielfarbig und vielgestaltig. Aber selbst in diesem Geflecht von Fäden hat er den Faden nicht verloren. Für sich und für seine Musik.

„Sowohl Wiegenlieder, die eine Mutter singt, als auch Mut machende Lieder und Hochzeitslieder, sie sind alle rhythmisch. Dagestan ist ein Land des Rhythmus“, sagte Murad Kazhlayev, ausgezeichneter Volkskünstler der UdSSR, Komponist und Direktor der M. Kazhlayev Republican Art School.

Murad Kazhlayev ist der Schatz der Republik. Ein Komponist, dessen Musik schon vor einem halben Jahrhundert zum Klassiker wurde. Er ist so vielschichtig wie Dagestan selbst. Seine Musik ist eine einzigartige Mischung von Stilrichtungen – vom Jazz und Pop der 1950er Jahre bis hin zum ersten dagestanischen Ballett.

Und seit ein paar Jahren arbeitet er Tag und Nacht an der Schule, die sein wahr gewordener Traum ist. Noch mit 90 behält er sich das Recht vor, hier persönlich die begabten Kinder auszuwählen und unter Hunderten von Bewerbern nach zukünftigen Perlen der Musik zu suchen.

Nur wenige Menschen in Dagestan wissen genau, wie viele Sprachen es hier gibt, 40 gelten als die wichtigsten. Das Fernsehen sendet in 14 Sprachen. Es dauert zwei Wochen, bis eine Sendung in jeder offiziellen Sprache gezeigt wurde. Für alle dagestanischen Dialekte würde ein Jahr nicht ausreichen.

„Wir haben hier unsere Sprache, im Nachbardorf haben sie ihre Sprache. Im nächsten Dorf haben sie wieder ihre Sprache. Ein paar Worte können gleich sein, aber die Sprachen sind verschieden.“, erzählt die Salzarbeiterin in den Bergen.

Es gibt Dörfer in den Bergen, in denen die Zahl derer, die den örtlichen Dialekt sprechen, weniger als hundert Menschen beträgt.

Kvahidatlinianer gibt es viel mehr, über 1.500. Wahrscheinlich, weil es für sie keinen Grund gab, ihr Dorf in Richtung der Städte zu verlassen. Die salzhaltigen Quellen in Küstennähe geben ihnen seit einem halben Jahrtausend Arbeit. Die Art der Gewinnung dieses Salzes ist einzigartig und einfach. Das Salz aus der Mineralquelle wird zunächst in den schwarzen Vulkansand eingeweicht. Es trocknet in Wind und Sonne und wird zu einem Filter, durch den eine Charge Wasser in eine Holzkiste geleitet wird. Und es wird Tropfen für Tropfen gesammelt, um anschließend die Eimer mit dem Konzentrat in ein paar Kilogramm Salz umzuwandeln.

„Aus sieben oder acht Eimern gewinnen wir etwa sieben Kilo Salz.“, erzählt sie.

Und dann ist es Zeit für das Feuer. Es „frisst“ das Holz so schnell, dass es in Säcken aus den umliegenden Wäldern hergeschleppt werden muss. Die Flamme muss den Ofen so lange rotglühend halten, bis alles außer dem Salz verdampft ist.

In der Hitze des Ofens wird das Salz auf einer Eisenwanne mindestens 4 Stunden lang verdampft. Jetzt ist das Salz weiß geworden. Nirgendwo in Russland wird Salz auf diese Weise gekocht. Und es gibt keinen anderen Ort wie diesen.

Gerüchte über das Salz der Kvahidatlinianer ziehen Kunden aus Sibirien und Fernost, aus den USA und Lateinamerika an. Es heißt, dass irgendwo bereits ein Schönheitssalon eröffnet wurde, weil es sehr gut für die Haut ist. Diese Orte werden die Träger ihrer alten Sprachen kaum verlieren . Hier gibt es genug Salz für die nächsten fünf Jahrhunderte.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Interessante Ecke und für Rußland (mit Blick auf die Landkarte) nicht wegen der Seiltänzer von Bedeutung. Von dort kommen übrigens auch hübsche Messer – Kizlyar – nicht ganz umsonst.

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