Putin im O-Ton über Trump, den Handel mit der EU, die Zukunft das Dollar und sinkende Umfragewerte

Jedes Jahr findet in Russland das Valdai-Forum statt. Das ist eine Konferenz zu Fragen der Weltpolitik, bei der sich internationale Experten und Regierungschefs treffen, um Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Putin ist jedes Jahr als Gast dabei und stellt sich stundenlang den Fragen von internationalen Journalisten und Experten. Ich habe hier eine Auswahl der Fragen und Antworten zusammengefasst.
 
Die erste Frage betrifft US-Präsident Trump
 
Frage des Moderators: Über Trump sind jetzt eine Menge Bücher rausgekommen, eines nach dem anderen. Sie sind sehr interessant zu lesen. Dabei entsteht folgendes Bild: Trump ist eine Person, die nur sich selbst zuhört. Wenn Sie ihn treffen, hört er Ihnen zu?
 
Putin: Das ist nicht wahr. Wenn er sich mit jemandem so benimmt, dann sind sie selbst dafür verantwortlich. Wir haben einen normalen, recht professionellen Dialog mit ihm. Und natürlich hört er zu. Er hört nicht nur zu, ich sehe, dass er auf die Argumente des Gesprächspartners reagiert. Manchmal ist er anderer Meinung, manchmal bin ich anderer Meinung, das ist normal. Wir haben unterschiedliche Ansichten zu einigen Dingen, unterschiedlichen Ansätze, aber das ist normal bei Diskussionen. Ich bin nicht der Meinung, dass er niemandem zuhört. Das ist nicht wahr.
 
Diese Frage betraf die Zukunft des Dollar als Weltreservewährung und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und der EU.
 
Frage: In unserer heutigen Aussprache haben Sie bereits die Frage nach der Neuausrichtung der russischen Handelsströme nach Asien aufgeworfen. Und die Frage ist, wie diese Handelsströme in anderen Währungen abgerechnet werden können, als in Dollar. Gibt es Möglichkeiten für eine Ent-Dollarisierung der Weltwirtschaft?
 
Die Meinungen gehen dazu weit auseinander, aber das Thema wird nicht nur in Russland, sondern auch auf internationaler Ebene aktiv diskutiert. Angesichts der überhöhnten Rolle des Dollars in den letzten Jahrzehnten scheint es sehr viel Raum für eine Ent-Dollarisierung zu geben. Auf der anderen Seite wirft die Volatilität der Währungen in Schwellenländern hier einige Fragen auf. Was ist Ihre Meinung über die Möglichkeit der Ent-Ddollarisierung der Weltwirtschaft?
 
Putin: Erstens richten wir unsere Außenhandelsströme von Europa nach Asien nicht neu aus. Es passiert auf natürlichem Wege. Wir greifen da nicht künstlich ein. Schauen Sie, wie es mit der Europäischen Union war: 450 Milliarden Euro oder Dollar Handel hatten wir pro Jahr. Jetzt sind es keine 300 mehr, etwas über 250. Aber neuerdings wieder Wachstum: letztes Jahr waren 23 Prozent und in diesem Jahr bereits 22 in den ersten acht Monaten dieses Jahres.
 
Mit Asien wächst der Handel etwas schneller. Deshalb habe ich bereits gesagt: Im Russischen Außenhandel ist der Anteil der Europäischen Union 41 Prozent, mit den asiatischen Ländern sind es bereits 31. Und wenn es so weitergeht, werden sie bald gleichziehen.
 
Was die Verwendung des Dollars bei internationalen Zahlungen betrifft, sage das nicht nur ich. Sehen Sie, der französische Präsident hat dies kürzlich gesagt. Er sagte, dass Europa seine wirtschaftliche und finanzielle Souveränität erhöhen sollte. Was bedeutet das? Das bedeutet Rückzug aus dem Dollar, und die EU ist der größte Handels- und Wirtschaftspartner der Vereinigten Staaten.
 
Ich habe kürzlich gesagt, dass unsere amerikanischen Freunde an dem Ast, auf dem sie sitzen, selbst sägen, weil sie die Zuverlässigkeit des Dollars als universelles Werkzeug in internationalen Berechnungen in Frage stellen. Dies ist meiner Meinung nach ein typischer Fehler des Imperiums.
 
Warum? Imperium ist kein böses Wort, ich meine es nicht negativ und will niemanden angreifen. Aber das Imperium denkt immer, dass es einige Fehler machen kann, es kann einige Kosten tragen. Weil seine Kraft so enorm ist, dass das keine Auswirkungen hat.
Aber die Summe dieser Kosten und Fehler nimmt unweigerlich zu, es kommt der Moment, wenn sie mit den Auswirkungen weder im Bereich der Sicherheit noch im Bereich der Wirtschaft mehr fertig werden. Offensichtlich benehmen unsere amerikanischen Freunde sich so, sie untergraben die Glaubwürdigkeit des Dollars als universelles Zahlungsinstrument, als einzige globale Reservewährung.
 
Und natürlich begannen alle darüber nachzudenken. Jetzt wollen die EU-Länder mit dem Iran Handel treiben. Sie sind nicht der Meinung, dass der Iran das Atomabkommen mit der internationalen Gemeinschaft verletzt hat. Ja, er hat auch nicht. Aber die amerikanischen Partner beschlossen, diesen Vertrag zu kündigen. Die Europäer sind damit nicht einverstanden.
 
In gegen alle, die mit dem Iran kooperieren werden, verhängen die Amerikaner Sanktionen. Warum sollten Unternehmen, die auf dem US-Markt arbeiten, das riskieren? Einige werden nicht mit dem Iran handeln, aber wer nicht an den amerikanischen Markt gebunden ist, wird weiterhin gerne dort arbeiten, aber dazu muss man auch die Zahlungen abwickeln. Daher wird etwas anderes als SWIFT, das derzeitige internationale Abwicklungssystem, erarbeitet und daher werden immer mehr internationale Zahlungen nationalen Währungen getätigt werden.
 
Sie haben sicherlich recht, dass die Volatilität in den Schwellenländern, die Volatilität der nationalen Währungen sehr groß ist. Es ist unvermeidlich. Aber es gibt einige Tools, die diese Volatilität reduzieren können. Zum Beispiel wurde im Rahmen der BRICS ein Pool von nationalen Währungen geschaffen, eine gemeinsame Bank wurde gegründet, und so weiter. Das heißt, diese Tools werden bereits erstellt. Ja, diese Bank ist in ihren Fähigkeiten mit dem IWF immer noch nicht vergleichber, aber es ist trotzdem ein Schritt in diese Richtung.
Ja, es gibt Währungsschwankungen. Aber wenn man darüber nachdenkt, und dieser Prozess hat angefangen, wird es Elemente der Absicherung geben, wie Versicherungen, das ist möglich. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber mit einigen Ländern haben wir bereits einige solche Werkzeuge gefunden, um den Handel vor diesen Risiken zu schützen.
Das wird nicht heute oder morgen passieren. Und unsere Unternehmen, zum Beispiel im Öl- und Gasbereich, sind nicht daran interessiert, heute oder morgen den Dollar aufzugeben und ausschließlich auf nationale Währungen zu wechseln.
 
Aber wenn diese Instrumente vorliegen, den zu Dollar verlassen und die Risiken der Volatilität der nationalen Währungen reduzieren, dann wird es einen fließenden Übergang geben. Sobald dies geschieht, wird der Dollarschwere Zeiten als universelle Rechnungseinheit erleben.
 
Mal abwarten was passiert. Wir werden definitiv in diese Richtung gehen. Nicht, weil wir den Dollar untergraben wollen, sondern weil wir unsere Sicherheit gewährleisten wollen, weil sie ständig Sanktionen verhängen und uns einfach nicht die Möglichkeit geben, in Dollars zu arbeiten.
 
Deshalb haben wir unsere Gold- und Fremdwährungsreserven in Dollar gesenkt.
Warum machen die USA das? Sie könnten ihre Ziele erreichen, ohne die Glaubwürdigkeit ihrer nationalen Währung zu untergraben, das wäre meiner Meinung nach schlauer. Trotzdem gehen viele in den Vereinigten Staaten diesen Weg. Ich denke, sie machen einen großen Fehler.
 
Ein Professor aus Harvard wollte Putins Meinung zu seinen sinkenden Umfragewerten wissen.
 
Frage: Meine Frage betrifft die russische öffentliche Meinung. Es ist bekannt, dass seit Sie im Jahr 2000 zum Führer des Landes wurden, Sie positive Umfragewerte haben, die Zustimmung zu Ihrer Arbeit beträgt über 60 Prozent, zeitweise sogar über als 80 Prozent. Dies ist eine ungewöhnlich hohe Bewertung. Aber russische Soziologen stellen auch andere Fragen, zum Beispiel eine sehr interessante Frage nach der Richtung, in die sich das Land bewegt. Wenn wir zurückschauen und uns die 90er anschauen, gab es enorme Veränderungen im Land. Und Ihre Unterstützung ist mit der Tatsache verbunden, dass viele Russen dachten, dass das Land damals in die falsche Richtung ging. Aber nach 2014, nach dem „Krim-Effekt“, sind Ihre Beliebtheitswerte noch höher gestiegen. Ein paar Jahre später begannen viele Russen zu denken, dass Russland sich in eine positive Richtung bewegte. Aber in diesem Jahr hat sich plötzlich alles geändert, und immer mehr Russen glauben, dass das Land in die falsche Richtung geht, obwohl sie Sie immer noch unterstützen, egal was passiert. Wie interpretieren Sie diesen Widerspruch?
 
Putin: Ich sehe keinen Widerspruch und erkläre auch, warum.
 
Erstens, die 90er und der Anfang der 2000er Jahre, die Sie auch erwähnt haben, wem in Russland kann die Zeit gefallen haben? Das war der Zusammenbruch eines großen Staates. Und viele sehen es so, nicht nur in Russland, sondern auch in den ehemaligen Republiken der Sowjetunion. Fragen Sie die Leute dort, sie werden es Ihnen sagen. Sie interpretieren die Dinge dort auf ihre eigene Weise, aber viele denken immer noch, dass sie in der Sowjetunion sicherer und ruhiger lebten. Natürlich ändert sich viel, die Menschen spüren in vielen dieser Länder die Vorteile der Souveränität. Alles, was damals geschah, geschah ja nicht nur auf Vorschlag, sondern geschah auf Initiative Russlands. Wenn man uns im postsowjetischen Raum etwas vorwerfen will, frage ich immer: „Und wer hat die Sowjetunion aufgelöst?“ Wir, Russland, waren das. Nun, nicht ich, sondern die damalige Führung Russlands, aber nichtsdestotrotz war es Russland. Dies ist das Erste.
 
Zweitens. Niemand von denen, die sich daran erinnern, was da war, will wieder die 90er Jahre zurückhaben. Unglaubliche Straßenkriminalität, der komplette Zusammenbruch der Wirtschaft, der Zusammenbruch der Sozialsysteme, der Gesundheitsfürsorge, der Bildung – es war die komplette Verelendung des Landes. Daher sind die wichtigsten Errungenschaften, die meiner Meinung nach in den vergangenen Jahren erreicht wurden, nicht nur die Stabilisierung der internen politischen Situation, sondern auch die Lösung der dringendsten Aufgaben im Kampf gegen den Terrorismus in unserem Land. Damals gab es einen Bürgerkrieg, es war Krieg im Land. Nun, wer möchte in diesen Zustand zurückkehren? Niemand. Aber die wichtigste ist schließlich die wirtschaftliche Erholung, das Wirtschaftswachstum und das Einkommensniveau der Bevölkerung. Nun, natürlich ist alles relativ, gestern war es ein bisschen besser, heute ist es ein bisschen schlechter, aber das Einkommensniveau der Bevölkerung hat sich dramatisch und positiv verändert. Ja, wir haben immer noch viele Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, und während der Krise seit 2008 ist diese Zahl ein wenig gewachsen. Aber in den frühen 2000er Jahren waren es fast 40 Prozent der Bevölkerung des Landes – 39 Prozent, fast die Hälfte des Landes. Sehen Sie den Unterschied? Natürlich. Trotzdem gibt es Schwankungen. Die Krise von 2008 geschah und das Einkommensniveau der Bevölkerung ist leicht gesunken und wem gefällt das?
 
Was die Krim betrifft, die Sie angesprochen haben. Ja, in Russland wird das als Gerechtigkeit empfunden, was Präsident und Staat getan haben. Weil historisch gesehen dieses Gebiet immer zu Russland gehörte und die Menschen nach Russland zurückkehren wollten. Das ist wichtig. Schließlich versuchen gewissen Leute, das zu ignorieren und so zu tun, als wäre es nicht so. Aber es ist so und die Reaktion der Menschen ist der beste Indikator dafür, dass dies wahr ist.
 
Jetzt führt die Regierung eine Reihe notwendiger aber schmerzhafter Maßnahmen im Bereich der Rentengesetzgebung durch, bei denen sich das Rentenalter ändert. In allen anderen Ländern auch. Wer mag so etwas? Ich verstehe die Leute, die unzufrieden sind. Aber wissen Sie, was das Phänomen an Russland ist? Wir haben kluge Leute. Es gefällt ihnen nicht, aber sie verstehen, dass der Staat dazu gezwungen ist. Und wenn wir es heute nicht tun, müssen wir es morgen oder übermorgen trotzdem tun. Bis zum Jahr 2024 soll die Lebenserwartung auf 78 Jahre und bis 2030 auf 80 Jahre steigen. Dann müssen wir das Renteneintrittsalter unweigerlich erhöhen, aber dann gäbe keine Übergangszeit mehr.
Was haben wir jetzt gemacht? Was habe ich vorgeschlagen, um diesen Übergang zu mildern? Ein Mensch hat das Rentenalter erreicht, er ist noch nicht in Rente gegangen, will noch arbeiten, aber er wird trotzdem in den Genuss der Sozialleistungen kommen, zum Beispiel bei den für Rentner gesenkten Wohnnebenkosten oder bei den Steuern und allen anderen Bereichen. Die meisten Leute verstehen, dass dies unvermeidlich ist. Es ist nichts, worüber man glücklich sein kann, aber das Verständnis ist da, und das ist das Wichtigste.
Es ist wichtig, dass die Menschen darauf vertrauen, was die Regierung tut. Es scheint mir, dass dieser Faden nicht verloren gegangen ist, und dies ist meiner Meinung nach der wichtigste Hauptfaktor im inneren politischen Leben.
 
Eine deutsche Teilnehmerin interessierte sich für den Wunsch der Russen nach Veränderung.
 
Guten Tag, Herr Präsident! Ich möchte diese Diskussion über die russische Gesellschaft fortsetzen. Letzte Woche hat der Ausschuss für bürgerliche Initiativen einen neuen Bericht veröffentlicht, der besagt, dass der Wunsch nach Veränderung in der russischen Gesellschaft wächst und dies spiegelt sich auch in neuen Umfragen wider.
 
Wie sehen Sie das, was die Autoren des Berichts eine Veränderung im Massenbewusstsein der russischen Gesellschaft nennen, und was gedenken Sie zu tun, um darauf zu reagieren?
 
Putin: Es scheint mir, dass dies ein absolut natürliches Phänomen ist: der Wunsch der Menschen nach Veränderung. Gibt es keinen Wunsch nach Veränderung in Deutschland? Schauen wir uns die Ergebnisse der Wahlen in Bayern an, und es wird sofort klar: wollen die Leute dort Veränderungen oder nicht? Meiner Meinung nach wollen sie große Veränderungen.
 
Und in Europa wollen die Menschen Veränderungen. In Großbritannien wurde für den „Brexit“ gestimmt – unglaublich – aber die Menschen wollen Veränderung. Und in Russland wollen sie sie auch.
 
Nur die überwiegende Mehrheit der russischen Bürger will keine revolutionären Veränderungen. Wir hatten genug Revolutionen im 20. Jahrhundert genug schlechte Erfahrungen mit revolutionären Veränderungen gemacht.
 
Daher ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass diese Veränderungen zur richtigen Zeit stattfinden, was wir übrigens tun und zwar in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Und dies ist der Schlüssel zum Erfolg unserer Innenpolitik.
 
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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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