Relotius-Stil: Wie das Moskauer Spiegel-Büro über Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau berichtet

Wenn das Spiegel-Büro Moskau Artikel schreibt, ist Desinformation Programm. Diesmal durfte der Chef des Büros seine Fähigkeiten am Beispiel der zwischen Russland und der Ukraine ausgetauschten Gefangenen zeigen.

Relotius war bekannt für seine blumig geschriebenen Texte. Sie waren so gut geschrieben, dass er dafür sogar zum Journalisten des Jahres ausgezeichnet wurde. Anscheinend hat sich Christian Esch, der Chef des Moskauer Spiegel-Büros, den Relotius-Stil zum Vorbild genommen. Ein am Sonntag erschienene Artikel von Esch enthält erstaunlich wenig Nachrichten, dafür aber viele Absätze mit blumigen Formulierungen. Es geht darum, den Leser zu beeinflussen und nicht darum, ihn zu informieren.

Natürlich ist an allem Unglück wie immer Russland schuld, wie der Leser schon in der Überschrift lernt: „Verhandlungen mit der Ukraine – Putin hat es nicht eilig„. Und auch die Einleitung schlägt in die gleiche Kerbe:

„Der ukrainische Präsident Selenskyj wünscht nach dem erfolgreichen Gefangenenaustausch mit Russland ein Gipfeltreffen mit Waldimir Putin – und zwar so schnell wie möglich. Doch in Moskau tritt man auf die Bremse.“

In dem Artikel geht es danach aber nicht etwa um die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew, sondern erst einmal in drei langen Absätzen um Oleg Senzow. Senzow wird im Westen als „Filmemacher“ bezeichnet, weil er vor knapp zehn Jahren zwei oder drei Amateurfilme gemacht hat, die jedoch weder beim Publikum Gefallen fanden, noch bei Filmfestivals. Aber „Filmemacher“ klingt sympathisch und wenn Russland einen „Filmemacher“ einsperrt, klingt das schön böse. Dass der „Filmemacher“ in Wahrheit ein Terrorist ist, der auf der Krim Strommasten sprengen wollte, das liest man im Spiegel nicht. Und auch nicht, dass Senzow nach seiner Freilassung in Kiew bereits öffentlich zugegeben hat, die Leute, die diese Sprengungen geplant und den Sprengstoff schon bereit hatten, gut gekannt zu haben.

Das braucht der Spiegel-Leser alles nicht zu wissen.

Stattdessen stimmt Herr Esch den Leser in drei Absätzen über den bedauernswerten Terroristen und seine Haft in Russland negativ gegenüber Russland ein. Kein Wort hingegen verliert Herr Esch über die Tatsache, dass die Ukraine einen Journalisten 14 Monate ohne tatsächliche Anklage eingesperrt hatte, um ihn als Geisel gegen Russland zu missbrauchen.

Natürlich darf auch der Vorfall von Kertsch nicht fehlen, über den Herr Esch nur schreibt:

„35 Ukrainer wurden nach dem Austausch von Selenskyj und von ihren Familien am Kiewer Flughafen begrüßt, die Mehrheit davon Seeleute, die Russlands Küstenwache beim Versuch der Durchfahrt vom Schwarzen Meer ins Asowsche Meer gefangen genommen hatte.“

Dass beim Vorfall von Kertsch ukrainische Kriegsschiffe russische Hoheitsgewässer verletzt und sechs Stunden lang jeden Versuch einer Kontaktaufnahme abgelehnt haben, bevor sie endlich von der russischen Küstenwache aufgebracht wurden, verschweigt Herr Esch. Und er verschweigt auch, dass auf den Schiffen Befehle gefunden wurden, aus denen klar hervorgeht, dass die Schiffe nicht durch die Meerenge durchfahren, sondern Russland provozieren sollten. Und die Echtheit der Befehle ist ja nicht bestritten worden.

Aber Herr meint, der deutsche Leser sollte mit solchen Kleinigkeiten nicht behelligt werden.

Erst danach, im vierten Absatz des Artikels, geht es um Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Herr Esch stellt die Frage, ob der Gefangenenaustausch Bewegung in die Krise zwischen den Ländern bringt. Eine berechtigte Frage, die sich alle Beobachter stellen.

Dann schreibt Herr Esch:

„Dass es Bewegung gibt, ist unstrittig. Ein Gipfeltreffen ist geplant: Im Beisein von Frankreichs Präsident Emmanuel Macronund Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sollen Selenskyj und Russlands Präsident Wladimir Putin in Paris weitere Schritte zur Beilegung des Konflikts im Donbass festlegen. Es wäre das erste Gipfeltreffen im sogenannten „Normandie-Format“ seit drei Jahren.“

Herr Esch verschweigt den Grund dafür, dass es seit drei Jahren kein Treffen mehr gab: Poroschenko hat es abgelehnt, mit Russland zu reden. Die Schuld liegt also bei Kiew. Das könnte Herr Esch doch mitteilen, zumal es ja nun eine neue Regierung in Kiew gibt. Aber man liest von ihm dazu kein Wort.

Danach schreibt Herr Esch:

„Aber am selben Freitag, an dem Selenskyj in Kiew Senzows Einmachglas entgegennahm, kam aus Moskau schon ein Dämpfer – erst im Oktober werde man frühestens in Paris zusammentreffen, ließ Putins außenpolitischer Sprecher Jurij Uschakow wissen. Selenskyj wollte es noch diesen Monat abhalten. Er hat es eilig, Moskau nicht.“

Die Kernaussage ist also: Russland will keine Treffen und keine Verhandlungen.

Unsinn, das Problem ist ein ganz anderes. Selensky ist schlicht unerfahren. So hat er schon im Juli auf Facebook einen mit niemandem abgesprochenen Vorstoß gemacht und eiligst Gespräche mit Putin gefordert, allerdings im Normandie-Format, das er auch noch erweitern wollte. Zusätzlich zu Deutschlands Kanzlerin und Frankreichs Präsident sollten auch noch der britische Premierminister und der US-Präsident an dem Treffen teilnehmen. Er hätte sie vielleicht vorher fragen sollen, denn beide haben keinerlei Interesse gezeigt, daran teilzunehmen.

Und diese Einladung sprach Selensky auch noch über Facebook aus. Wenig überraschend ist niemand darauf eingegangen, denn derartige Dinge werden über diplomatische Kanäle sondiert und vorbereitet und nicht über Facebook-Videos.

Und so muss man auch die jetzige Initiative von Selensky sehen. Sein Wunsch, sich spontan im Normandie-Format zu treffen ist ja lobenswert, aber bevor er so etwas verkündet, hätte er zumindest mal bei Merkel und Macron nachfragen sollen, ob sie überhaupt in den nächsten Tagen Zeit für ein solches Treffen haben.

Aber Herr Esch mag so komplizierte Themen nicht, daher ist für ihn einfach Moskau schuld, dabei hätte Putin gar nichts gegen ein baldiges Treffen, die fordert er ja selbst. Nur müssen solche Gespräche eben vorbereitet werden und da hakt es nicht zuletzt in Kiew. Die neue Regierung ist gerade erst ein paar Tage im Amt und sie sollte sich erst einmal darüber klar werden, was sie bei dem Treffen überhaupt besprechen will.

Zu den bevorstehenden Verhandlungen selbst schreibt Esch dann:

„Verglichen mit dem Gefangenenaustausch sind die Verhandlungen zum Donbass deutlich komplexer. Das Minsker Abkommen von 2015 legt zwar in Grundzügen fest, wie die Regierung in Kiew die Kontrolle über die Separatistengebiete zurückerlangen kann. Aber es ist voller Tücken, die Auslegung umstritten.“

Es fasziniert mich immer wieder, welchen Unsinn deutsche Journalisten über das Minsker Abkommen schreiben. Das funktioniert nur, weil niemand das Abkommen gelesen hat. Es umfasst nur 13 Punkte und ist sehr einfach gehalten. Da ist nichts umstritten und das Abkommen legt sehr eindeutig die Marschrichtung fest, wie „Kiew die Kontrolle über die Separatistengebiete zurückerlangen kann„.

Leider hält Kiew sich jedoch nicht an das Abkommen und hat das auch gar nicht vor, wie der ukrainische Außenminister gerade erst erneut mitgeteilt hat. Für jeden, der mir nicht glaubt, hier geht es zu den Details des Abkommens.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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