Viele Leser fragen per Mail: Russischer Abgeordneter sagt, Russland sei nicht souverän – Was ist das für ein Video?

Ich muss nun über etwas schreiben, worüber ich nicht schreiben wollte, aber ich bekam mittlerweile so viele Leserfragen dazu, dass ich es tun muss.

Es geht um ein Video, das kla.tv am 1. September veröffentlicht hat. Es handelt sich dabei um die Übersetzung eines Vortrages eines russischen Duma-Abgeordneten, der in dem Vortrag behauptet, Russland sei nicht frei, nicht souverän und komplett von Dollar und Euro abhängig. Russland sei also fast eine Marionette der USA. Ich werde das Video am Ende des Artikels verlinken, aber ich habe schon jetzt eine Bitte: Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht damit, es sich anzuschauen und werde nun erklären, warum das Zeitverschwendung ist.

kla.tv hat das Video am 1. September 2019 veröffentlicht und in der Anmoderation von kla.tv wird es als große Sensation dargestellt.

Das ist Unsinn, denn der Vortrag ist uralt!

Genauer gesagt, wurde der Vortrag im Original bereits am 16. Januar 2013 veröffentlicht, er ist also fast sieben (!!!) Jahre alt. kla.tv präsentiert eine sieben Jahre alte „Neuigkeit“.

Nun will ich anerkennen, dass kla.tv das vielleicht nicht wissen konnte, denn die Leute dort können kein Russisch. Aber dass der Vortrag alt ist, haben sie gewusst, aber verheimlicht. Denn auch die deutsche Übersetzung des Vortrages, die sie auf ihrer Seite als Quelle angeben, ist bereits am 27. März 2017, also vor zweieinhalb Jahren, veröffentlicht worden.

kla.tv bringt also einen uralten Hut als neue Sensation, das ist in meinen Augen unseriös. Erst recht, wenn das dem Zuschauer nicht mitgeteilt wird. Man hätte ja schreiben können „schon lange öffentlich, aber in Deutschland nicht bekannt“ oder irgendetwas in der Richtung. Aber den Eindruck zu erwecken, es wäre eine ganz aktuelle und neue Enthüllung, ist einfach nur Bauernfängerei.

Da die alternativen Medien die Mainstream-Medien für genau solche unsaubere Arbeit kritisieren, sollten die alternativen Medien nicht selbst so arbeiten.

Nun zum Video selbst.

Auch da ist nichts drin, was einem Russland-Kenner nicht schon lange bekannt wäre. Vieles von dem, was dort erzählt wird, können Sie auch in meinem Buch über Putin lesen, dass ich schon vor einem Jahr veröffentlicht habe. Und in dem Buch habe ich kein „Geheimwissen“ veröffentlicht, sondern ausführliche Zitate von Putin, die er in aller Öffentlichkeit gesagt hat. Man sieht also, es handelt sich bei dem Video von kla.tv um (in Russland) allgemein bekanntes Wissen.

Und da ist das nächste Problem: Es ist in Russland bekanntes Wissen und es ist ein Vortrag an einer russischen Uni. Der Referent kann also bei seinem Publikum Wissen über Russland voraussetzen, das ein deutscher Zuhörern nicht hat. Ohne Erklärungen und Hintergrundwissen entsteht beim deutschen Zuschauer ein völlig falscher Eindruck. Und das ist auch der Grund, warum mich seit dem 1. September so viele Mails und Nachrichten auf Facebook erreichen, die mich nach diesem Video und meiner Meinung dazu fragen.

Meine Meinung ist: Schauen Sie es sich nicht an, es ist alt und ohne Vorwissen werden Sie es auch nicht oder nur falsch verstehen können! Sie verschwenden eine Stunde Ihrer wertvollen Zeit völlig sinnlos.

Nun kurz zum Inhalt des Videos, damit Sie verstehen, was ich meine.

Als der Mann seinen Vortrag im Januar 2013 gehalten hat, war das, was er erzählt hat, zum Teil noch neu, die Unterlagen, auf die er sich zum Teil beruft, waren gerade erst freigegeben worden. Er hat zum Beispiel erzählt, dass in den letzten Jahren der Sowjetunion, Ende der 1980er Jahre, die USA bereits in Moskau die Fäden gezogen haben.

Es ist heute längst bekannt, dass ganze Gesetze für die Sowjetunion unter Gorbatschow und für Russland unter Jelzin im Weißen Haus in Washington geschrieben wurden. Die Dokumente sind längst öffentlich und bekannt. Es ist bekannt, dass die USA den Zerfall der Sowjetunion gesteuert haben, sogar in Washington wurde bereits das Protokoll eines Telefonates zwischen dem damaligen Präsidenten Bush senior und Jelzin veröffentlicht, in dem Bush Jelzin aufgefordert hat, der Sowjetunion den Todesstoß zu versetzen und dass die USA ihn dann sofort als russischen Präsidenten anerkennen würden.

Ich will auf die Details nicht eingehen, aber das ist alles kalter Kaffee.

In Russland ist auch bekannt – und darauf weist der Mann in seinem Vortrag ja auch hin -, dass schon in den 1990er Jahren in den russischen Medien berichtet wurde, wie die USA sich in Moskau als Hausherren aufführten. Es war ganz ähnlich, wie heute in Kiew. Mehr noch, Putin selbst hat dazu inzwischen öffentlich mehrmals Beispiele genannt, die ich in meinem Buch zitiert habe.

Es ist auch längst bekannt, dass die Oligarchen in den 1990er Jahren mit Unterstützung der USA zu ihrem Reichtum gekommen sind und dass die USA über diesen Hebel der Oligarchen fast die gesamten russischen Bodenschätze über PSA-Verträge in ihre Hand bekommen haben. Und es ist auch längst bekannt, dass Putin diese Praktiken in den ersten Jahren seiner Amtszeit beendet hat und die korruptesten Oligarchen aus dem Land getrieben hat. Das war ja gerade der Grund für Russlands schnellen wirtschaftlichen Aufstieg in den 2000er Jahren.

Das ist so bekannt, dass ich das in der Einleitung zu meinem Buch über Putin ausführlich beschrieben habe, damit der deutsche Leser überhaupt verstehen kann, warum Putin das eine oder andere so gesagt hat. Und mein Buch besteht ja zum größten Teil ausführlichen Zitaten von Putin, die man aber ohne Vorkenntnisse über Russland nicht alle verstehen kann.

Es ist in Russland ebenfalls bekannt, dass die USA Russland genauso zerschlagen wollten, wie sie die Sowjetunion zerschlagen haben, damit sie ungestörter die Bodenschätze übernehmen können. Und es ist in Russland ebenfalls schon lange bekannt, dass die USA die Islamisten im Tschetschenien-Krieg massiv unterstützt haben, weil das Herausbrechen von Tschetschenien aus dem Staat Russland der erste Schritt zur Zerschlagung Russlands selbst war.

Auch das habe ich in der Einleitung meines Buches über Putin erklärt und in dem Buch gibt es viele Zitate von Putin und anderen russischen Politikern dazu. Berühmt in Russland ist eine Ansprache Putins an seine Generäle, nachdem er gerade Präsident geworden war. Dort sagte er deutlich: „Wenn wir in Tschetschenien nicht gewinnen, verlieren wir ganz Russland. In Tschetschenien entscheidet sich Russlands Zukunft!“

Und er hatte Recht.

Und wenn der von kla.tv nun veröffentlichte Vortrag dann noch das Fiat-Money-System als Beleg dafür führt, dass Russland nicht souverän war, sondern in einer tödlichen Abhängigkeit von Dollar und Euro stand, dann ist das auch nichts Neues.

Wie gesagt: Der Vortrag ist von 2013. Seit dem hat sich viel getan. Russland hat sich vom Dollar unabhängig gemacht, Russland setzt auf Gold. Darüber habe ich oft auf meiner Seite geschrieben, auch Putins sehr deutliche Worte dazu habe ich oft hier übersetzt.

Russland hat sich unter Putin seine Souveränität mühevoll zurück geholt, indem es erst die PSA-Verträge beendet und mit dem danach im Land verbliebenen Geld seine Wirtschaft im Rekordtempo aufgebaut hat. Und dann hat sich Russland konsequent auch von der Abhängigkeit von Dollar und Euro befreit. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber schon weit fortgeschritten.

Darin kann man auch einen Grund für die Sanktionen der USA seit 2014 sehen (und Putin hat das mehrmals sehr deutlich gesagt, wie man ebenfalls unzählige Male in meinem Buch nachlesen kann). Die Sanktionen sind der verzweifelte Versuch der USA, Russland in die Knie zu zwingen, um es wieder unter Kontrolle zu bekommen. Aber der Erholungsprozess Russlands ist zu weit fortgeschritten, Russland politisch schon souverän und wirtschaftlich stark genug und auch von Euro und Dollar schon unabhängig genug, so dass der Versuch gescheitert ist.

Putin hat selbst einmal öffentlich gesagt, auch das Zitat finden Sie in meinem Buch, dass er sich nicht sicher war, ob Russland den Sanktionen würde widerstehen können, aber es habe dann doch funktioniert. Und er sagte bei der Gelegenheit auch, dass Russland nur wenige Jahre vorher dem nicht hätte widerstehen können.

Fazit: Das Video ist kalter Kaffee. Und es ist für Menschen, die Russland nicht kennen, auch noch verwirrend und missverständlich. Sparen Sie sich Ihre Zeit, schauen Sie es nicht an.

Hier noch die Chronologie der Video-Veröffentlichungen, die Sie überprüfen können, da das Datum ja bei YouTube immer angegeben ist:

Am 23. Januar 2013 wurde der Vortrag im Original veröffentlicht. Am 27. März 2017 hat es irgendjemand auf Deutsch übersetzt und ebenfalls veröffentlicht. Und am 1. September 2019 hat kla.tv es veröffentlicht, seinen Lesern und Zuschauern aber verschwiegen, wie alt es in Wirklichkeit ist.

Das wäre so, als wenn jemand einem Chinesen einen Vortrag über Deutschland vom Januar 2013 als Neuigkeit verkaufen würde. Damit Sie verstehen, wie lange das her ist: Damals hieß der deutsche Außenminister noch Westerwelle, die AfD gab es noch gar nicht (sie wurde erst im Laufe des Jahres 2013 gegründet), Michael Schumacher war noch kerngesund und hatte gerade endgültig seine Karriere beendet, Edward Snowden war noch ein unbekannter Mitarbeiter der NSA und so weiter. So alt ist das Video und so groß ist sein „Neuigkeitswert“!


Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich direkt hier über den Verlag bestellbar.

Hier geht es zum neuen Buch

Werbung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

6 Antworten

  1. Tja, Herr Röper, Sie haben sich da auf etwas eingelassen, was Sie in eine Situation bringt, gegen die die eines Don Quichotte vergleichsweise komfortabel war. Der hatte nur Windmühlenflügel und das waren in der Regel „Stücker Vier“.

  2. Erstmal Leute, ganz wichtig. LEST DAS BUCH!!! Dann erübrigen sich viele Fragen. Ansonsten kann ich mich nur Herrn Röper anschließen. Wenn ich mal Langeweile haben sollte werd ich mir den Vortrag anschauen, und sollten evtl doch Fragen auftauchen gibt es ja Gott sei Dank jemanden an den man sich wenden kann 🙂
    Ich hab mal kurz drauf geschaut, man kann bei kla.tv wirklich nich festellen wie alt der Vortrag ist (das soll jetzt aber keine Grundlegene Ktitik an kla.tv sein). Mir sind aber auch aufgefallen das sie auch einen russischen Kanal haben und das der Vortrag im Orginal 15min länger ist, keine Ahnung ob das von Relevanz ist.

    1. Erstmal Leute, ganz wichtig. LEST DAS BUCH!!! Dann erübrigen sich viele Fragen. Ansonsten kann ich mich nur Herrn Röper anschließen. Wenn ich mal Langeweile haben sollte werd ich mir den Vortrag anschauen, und sollten evtl doch Fragen auftauchen gibt es ja Gott sei Dank jemanden an den man sich wenden kann ?
      Ich hab mal kurz drauf geschaut, man kann bei kla.tv wirklich nicht festellen wie alt der Vortrag ist (das soll jetzt aber keine Grundlegene Ktitik an kla.tv sein). Mir ist aber auch aufgefallen das sie auch einen russischen Kanal haben und das der Vortrag im Orginal 15min länger ist, keine Ahnung ob das von Relevanz ist.
      In einem Punkt muss ich Hern Röper auch noch recht geben. In der Zeit die ich jetzt vergeigelt hab hätte ich auch ein / zwei Artikel oder einige Zeit in einem Buch lesen können, was 100%ig sinvoller gewesen wäre.

  3. Habe mir das Video angesehen und verstehe Herrn Röper’s Problem nicht.
    Die Infos sind erste Sahne, und ein Buch kann man kaum nebenher beim Abspülen lesen.

    >Nun zum Video selbst
    >Auch da ist nichts drin, was einem Russland-Kenner nicht schon lange bekannt wäre.
    Das Video richtet sich möglicherweise an Normalos und Menschen, die die BRD für einen souveränen Staat halten und Defätisten die glauben, unsere Souveränität können wir nicht zurückerlangen weil die allmächtigen und allwissenden Weltverschwörer unbesiegbar sind.

    Der Artikel erinnert auch ein wenig an Propaganda/Zensur à la „das weiß doch schon jeder“, oder wie in der Anstalt: „Ist keine Verschwörungstheorie? Oh. Dann ist das jetzt Geschichte.“

  4. Und hier eine Eiskalte Lüge:
    >In Russland ist auch bekannt – und darauf weist der Mann in seinem Vortrag ja auch hin -, dass schon in den 1990er Jahren in den russischen Medien berichtet wurde

    Bekannt ist es vielleicht, aber in den Medien wird nicht berichtet. Wie ja in dem Vortrag deutlich gesagt wurde.

Schreibe einen Kommentar