Ehemaliger Stabschef des ukrainischen Präsidenten Selensky: „Wir haben Putin brutal betrogen“

Der ehemalige Chef der Präsidialverwaltung des ukrainischen Präsidenten Selensky hat sich in einem vierstündigen Interview ausführlichen Fragen gestellt und unter anderem gesagt, dass es so bald keinen Frieden in der Ukraine geben wird. Schuld ist demnach die ukrainische Seite, die ihre Versprechen gegenüber Putin nicht eingehalten hat.

In der Ukraine gibt es einen sehr renommierten Journalisten, sein Name ist Dimitry Gordon. Er hat in der Ukraine alle interviewt, die Rang und Namen haben. Und er ist einer der wenigen in dem Land, der durchaus ausgewogen berichtet und nicht blind der staatlichen Propaganda folgt. Nun hat er Andrej Bogdan interviewt.

Andrej Bogdan ist ein erfahrener Politiker und Rechtsanwalt. Er war unter anderem auch der Anwalt des Oligarchen Kolomoisky, der Selensky über seine Fernsehsender die Bühne gegeben hat, die Selensky zum Präsidenten gemacht hat. Nachdem Selensky Präsident wurde, wurde Bogdan Chef der Präsidialverwaltung, also der Mann, der Selensky am nächsten war. Das wurde seinerzeit so interpretiert, dass Kolomoisky sich damit die Kontrolle über Selensky sichern wollte.

Im Februar 2020 wurde Bogdan dann gefeuert. Er soll die Ukraine verlassen haben, weil er Angst um seine Sicherheit hat, Gerüchten zufolge ist er in Rumänien. Jedenfalls hat Bogdan dem Journalisten Gordon ein über vierstündiges Interview gegeben, das ich aufgrund der Länge leider nicht komplett übersetzen kann, obwohl es sehr interessant ist. Er erzählt ausführlich von allem, was er erlebt hat, auch davon, wie es dazu kam, dass Selensky Präsident wurde.

Hier will ich den Teil übersetzen, in dem es um das Verhältnis zwischen Selensky und Putin, das Minsker Abkommen und das Treffen des Normandie-Formats im Dezember 2019 geht. Darüber habe ich seinerzeit ausführlich berichtet, denn es gab nur wenig Einigkeit, dafür aber anschließend einen Wortbruch Kiews, als Kiew, anstatt sich an die Umsetzung der in Paris beschlossenen Punkte zu machen, plötzlich Änderungen im Abkommen von Minsk gefordert hat. Die Details des Abkommens finden Sie hier.

Das komplette Interview ist hier als Text zu finden und auch auf YouTube veröffentlicht worden.

Богдан. Крах Зеленского, Ермак, кидок Путина, посадка Порошенко, Коломойский. В гостях у Гордона

Beginn der Übersetzung:

Frage: Das erste Telefonat von Putin und Selensky: Der neu gewählte Präsident der Ukraine und der russische Präsident Putin. Warst Du dabei?

Bogdan: Ich war anwesend, aber ich habe nicht das Recht, etwas darüber zu erzählen.

Frage: Aber war es interessant?

Bogdan: Sehr.

Frage: Hat Putin Selensky respektvoll behandelt?

Bogdan: Ja, sehr respektvoll. Und man konnte seinen Wunsch spüren, eine gemeinsame Basis zu finden. Während des Gesprächs, das war mein Gefühl, hat er eine Analogie von sich selbst als neu gewähltem Präsidenten und Wladimir Selensky gezogen.

Frage: Interessant.

Bogdan: Putin war in einer sehr ähnlichen Situation. Er hatte Tschetschenien, nun ja, ein zerfallendes Land, die Wirtschaft…

Frage: Hast Du die Fragen vorbereitet, die Präsident Selensky Präsident Putin gestellt hat?

Bogdan: Darüber darf ich nichts sagen. Darüber kann ich nicht sprechen. Das kann man nicht in der Öffentlichkeit besprechen.

Frage: Stimmt es, dass Putin in dem Gespräch gesagt hat, dass bisher noch kein ukrainischer Präsident jemals sein Wort gehalten hat?

Bogdan: Wir können über das Gespräch der beiden Staatsführer nicht reden.

Frage: Paris, das Treffen der Präsidenten im Normandie-Format. Das erste Treffen zwischen Putin und Selensky Auge in Auge. Was ist Dir von dem Treffen in Erinnerung geblieben?

Bogdan: Was mir von dem Treffen in Erinnerung geblieben ist? Ich habe damals verstanden, dass es ein sehr schwieriger Verhandlungsprozess werden würde. Und ich glaube nicht… es scheint mir, dass es in naher Zukunft keinen Erfolg geben wird. Sie sind nacheinander zu Wort gekommen, Merkel, Macron. Sie…

Frage: Du warst die ganze Zeit dabei, nicht wahr?

Bogdan: Ja, ich war die ganze Zeit dabei. Sowohl bei den öffentlichen Teilen, als auch hinter verschlossenen Türen. Nun, das ist es, was ich dazu sagen kann: Das ist öffentlich. Und alle sprachen sich für eine Verbesserung des Minsker Abkommens aus.

Frage: Wie hat sich Putin gegenüber Selensky verhalten?

Bogdan: Respektvoll.

Frage: Per „Sie“? (Anm. d. Übers.: In vielen slawischen Sprachen ist es normal, dass der Ältere den Jüngeren duzt, der Jüngere aber den Älteren siezt. So hat Putin zum Beispiel einmal erzählt, der ehemalige kasachische Präsident Nasarbajew, der wesentlich älter ist als Putin, ihn immer geduzt hat, während Putin ihn immer gesiezt hat. Wenn Putin also den jüngeren Selensky gesiezt hat, ist das in slawischen Sprachen ein deutlicher Respektbeweis.)

Bogdan: Ja.

Frage: Betont respektvoll?

Bogdan: Sehr respektvoll. Ich sage Dir, da… Ich weiß nicht, wie es jetzt ist, aber zu der Zeit spürte er, dass er eine Lösung für das Problem finden wollte. Aber ich weiß nicht, aus welchen Motiven: wirtschaftliche, politische… Ich habe den Eindruck, dass dies auch politische Motive hat. In Russland hat Selensky große Unterstützung.

Frage: Ja.

Bogdan: Hatte er. Und mit dem Liebling des eigenen Volkes Krieg zu führen, ist nicht eben gut.

Frage: Interessant.

Bogdan: Das Problem ist, dass nach allem, was ich weiß und was ich lese, sich das heute dramatisch verändert hat.

Frage: Wie sind Deiner Meinung nach die Beziehungen zwischen Selensky und Putin heute?

Bogdan: Ich kann nur über öffentliche Dinge urteilen, die ich gut verstehe. Zum Beispiel wenn eine Meldung veröffentlicht wird, dass es ein Telefongespräch zwischen Putin und Selensky gegeben hat, aber die Pressemitteilungen über das Gespräch völlig verschieden klingen… Das ist „diplomatisches Versagen.“ Es bedeutet, die Verhandlungen liefen nicht gut. Nach dem, was ich sehe, denke ich, haben wir ihn brutal betrogen.

Frage: Putin?

Bogdan: Ja.

Frage: Ihr habt das eine versprochen, aber was anderes getan.

Bogdan: Nun ja. Es wurde viel versprochen, aber nichts getan.

Frage: Ich war damals bei diesem Treffen in Paris. Natürlich nicht bei dem Treffen selbst. Und eines der Mitglieder der ukrainischen Delegation sagte mir, dass Putin, als er sich von der ukrainischen Delegation verabschiedete, zwei Personen – Präsident Selensky und Dir – die Hand gegeben hat. Stimmt das?

Bogdan: Nun, als er ging, kam er rüber . . .

Frage: Nur Euch beiden.

Bogdan: Die Hand gegeben. Ja.

Bogdan: Hattest Du ein persönliches Gespräch mit ihm?

Bogdan: Ja.

Frage: Welche Eindrücke hat er hinterlassen?

Bogdan: Er ist ein sehr harter Mann. Sehr. Sehr. Aber sehr selbstsicher.

Frage: Hat er Merkel und Macron dominiert?

Bogdan: Er ist ein sehr schwieriger Verhandlungspartner. Ein sehr schwierig.

Frage: Hat er Merkel und Macron dominiert?

Bogdan: Er ist, glaube ich, stärker als sie. Nun, ich kann mich hier irren: Ich bin als Diplomat nicht so qualifiziert, aber… Er hat seinen Algorithmus und er bewegt sich keine Sekunde davon weg. Man kann argumentieren, erzählen, erzählen, und er sagt: „Ich denke so und so. Verschwenden Sie keine Zeit.“

(…)

Frage: Wird es Frieden mit Russland geben?

Bogdan: Mit Russland?.. Wahrscheinlich ja. Aber nicht jetzt.

Frage: Vom Donbass und der Krim können wir nicht träumen, richtig?

Bogdan: Ja. Nun, ich sehe keine gemeinsamen Punkte… Ich weiß nicht, wo wir uns finden können. Das heißt, sie sind auch nicht für eine Sekunde bereit, von dem Minsker Abkommen abzuweichen. Für sie ist der wichtigste Punkt die Verfassungsänderung. Sie sind nicht bereit, das Gespräch fortzusetzen…

Frage: Solange diese Änderungen nicht vorgenommen werden.

Bogdan: Solange diese Änderungen nicht vorgenommen werden.

Frage: Es geht um den Sonderstatus des Donbass.

Bogdan: Um den Sonderstatus… Das Gesetz „über den Sonderstatus“ und die Verfassungsänderungen, die das Gesetz vorsieht. Sie haben alles klar und logisch aufgebaut. Aber unsere Gesellschaft ist nicht bereit, darüber zu diskutieren. Schau: Es gibt Ersatz, es gibt logische… Es ist richtig, das Land zu dezentralisieren.

Im Prinzip sind alle europäischen Länder, alle entwickelten Länder, sind von einem Einheitsstaat zur Dezentralisierung übergegangen. Einzelne Bundesstaaten der USA sind praktisch verschiedene Länder, die nur durch Bundesrecht, die Armee, zusammengehalten werden… Und sie haben ihre eigene Polizei, ihre eigenen Steuern. Deutschland, Frankreich, Italien – nimm was Du willst. Da gibt es das alles… wo die Provinzen ihre eigenen… Die Schweiz besteht aus Kantonen.

Frage: Stimmt es: dass Russland bereit ist, viele Milliarden Dollar zu zahlen, um die Konflikte um die Krim und den Donbass zu lösen?

Bogdan: Es ist ein Kommunikationsproblem, es wird über die falschen Kanäle kommuniziert. Unsere nutzen nicht die Kanäle, die die Weltgeschichte dafür erfunden hat, nach den Regeln der Diplomatie, sondern sie führen mittelalterliche, weltfremde Verhandlungen. Und ich weiß nicht, wer wen in welchem Stadium betrügt, aber ja, unser Jungs warten auf großes Geld, auf Zugeständnisse …

Frage: Ja?

Bogdan: Ja. Von Russland. Die Rückkehr des Donbass, einige große Kontributionen, Geld soll fließen…

Frage: Reden wir über große Zahlen?

Bogdan: Über riesige.

Frage: 100 Milliarden? 200?

Bogdan: Nun, das ist… Verstehst Du, es ist wie bei Kindern im Kindergarten: Sie reden auf der Basis von Märchen über die Zukunft des Landes.

Frage: Ich stelle Dir eine Frage, wenn Du nicht antworten willst, brauchst Du nicht zu antworten. Stimmt es, dass die höchste Führung der Ukraine einen Plan erwägt, nach dem die Russen viele, viele Milliarden Dollar für die Krim geben werden, mit denen es möglich wird, die ukrainische Wirtschaft anzukurbeln?

Bogdan: Nein, die Krim wird nicht erwähnt. Die haben heute ein kindliches Vertrauen – nun , nach dem, was ich verstehe und höre -, dass irgendwelche riesigen Summen für einfach alles gezahlt werden: für den Donbass, für noch irgendetwas… Ich verstehe nicht einmal wofür.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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