Eskalation in Syrien: Gefahr eines militärischen Konfliktes zwischen der Türkei und Syrien

In Syrien eskaliert die Situation und das fragile Gleichgewicht der letzten Monate gerät in Gefahr. Es drohen sogar Zusammenstöße zwischen türkischen und russischen Streitkräften.

In der nordwestlichen syrischen Provinz Idlib droht die Lage zu eskalieren. Die Region ist die letzte Hochburg von Al-Qaida-Terroristen in Syrien. Seit Ende 2019 sollte dort ein Waffenstillstand herrschen, der jedoch nie wirklich in Kraft getreten ist. In der Region herrscht die islamistische Terrorgruppe Hai’at Tahrir asch-Scham (HTS), die der syrische Ableger von Al-Qaida ist und auch in Deutschland als Terrororganisation gilt.

Trotzdem ist der Westen dagegen, dass syrische und russische Truppen gegen die Terroristen vorgehen. Begründet wird das mit der Gefahr einer humanitären Katastrophe, weil in der Region auch bis vier Millionen Zivilisten, viele davon Flüchtlinge, leben. Die Türkei ist mit den Terroristen eng verbunden und hat in deren Gebiet sogar eigenes Militär in mehreren „Beobachtungsposten“ stationiert.

Die Islamisten haben aus der Region immer wieder mit Artillerie auf syrisches Gebiet, auch in Wohngebiete, geschossen und mit Drohnen Angriffe auf die russischen Stützpunkte in Syrien geflogen. Die syrische Armee ist daher vor kurzem zur Offensive übergegangen. Diese Offensive spitzt sich nun zu einer gefährlichen Krise zu.

Nach türkischen Meldungen sind inzwischen bis zu einer Million Menschen auf dem Weg und versuchen, in die Türkei zu gelangen, die jedoch ihre Grenze zu der Region geschlossen hat. Auf syrischer Seite sind zwar drei „humanitäre Korridore“ offen, damit die Flüchtlinge nach Syrien gelangen können, aber die Terroristen hindern die Flüchtlinge daran, nach Süden zu gehen, weil sie dann ihre menschlichen Schutzschilde verlieren würden.

Die Türkei hat am 2. Februar Kolonnen gepanzerter Fahrzeuge in die Region geschickt, die Angaben schwanken von 20 bis zu 200 gepanzerten Fahrzeugen, mit denen die Türkei in die syrische Region einmarschiert ist. Das ist ein klarer Bruch des Völkerrechts, denn niemand darf ohne Erlaubnis seine Truppen in ein anderes Land einmarschieren lassen, aber das Völkerrecht gilt in Syrien schon lange nichts mehr.

In der Nacht vom 2. auf den 3. Februar geschah, was geschehen musste. Syrische Truppen haben bei ihren Kämpfen mit Artillerie auf türkische Truppen geschossen, wobei sechs türkische Soldaten getötet worden sind. Die syrische Armee hat sich dazu zunächst nicht geäußert, Russland teilte jedoch mit, dass die Türkei die Syrer und Russen nicht über den Standort der Soldaten informiert habe, die Türkei behauptet hingegen, sie habe das getan.

Erdogan hat für den Beschuss Vergeltung angedroht und anscheinend auch schon syrische Ziele beschießen lassen. Damit besteht die Gefahr, eines direkten und nicht mehr versehentlichen Zusammenstoßes von syrischen und türkischen Soldaten, was unabsehbare Folgen haben kann, denn es kann auch einen Konflikt zwischen der Türkei und Russland nach sich ziehen, weil dabei auch russische Soldaten zu Schaden kommen können.

Erdogan führt schon lange einen Balanceakt aus. Einerseits ist die Türkei Teil der Nato. Das hat die USA nicht gehindert, sich gegen die Türkei zu stellen und sogar Sanktionen anzudrohen, das gleiche tut auch die EU.

Erdogan hat sich daher andererseits an Russland angenähert und Putin und Erdogan zelebrieren ihr gutes Verhältnis bei jeder Gelegenheit, obwohl sie in sehr vielen Punkten sehr unterschiedlicher Meinung sind. Wenn er nun eine offene Konfrontation riskiert, könnte Erdogan sich völlig isoliert wiederfinden, ganz abgesehen von den unabsehbaren Folgen einer bewaffneten Konfrontation mit Russland.

Man fragt sich, warum Erdogan die Region Idlib so wichtig ist und warum er um jeden Preis die Al-Qaida-Ableger unterstützt. Jedenfalls hat Erdogan die umkämpften Gebiete zur „Kampfzone“ erklärt, was darauf hindeutet, dass er zumindest eine direkte Konfrontation mit syrischen Truppen nicht scheut.

Dass sich das Verhältnis zwischen der Türkei und Russland vor diesem Hintergrund verschlechtert hat, zeigt sich an der Meldung, dass die nächste gemeinsame Patrouille von türkischen und russischen Streitkräften an der Grenze im Westen von Syrien, wo die Türkei eine Pufferzone eingerichtet und mit ihrem Vormarsch die US-Truppen vertrieben hat, ohne Angabe von Gründen abgesagt wurde.

Apropos US-Truppen: Nachdem die die meisten ihrer Posten im Westen Syriens eiligst geräumt haben und nur noch die Ölquellen „schützen“, wurde in Washington mitgeteilt, dass man keine Absicht habe, die US-Truppen, die sich ebenfalls völkerrechtswidrig in Syrien befinden, abzuziehen.

Das fragile Gleichgewicht in Syrien kann durch einen offen Streit zwischen der Türkei und Russland in Gefahr geraten und eine gefährliche Eskalation in Syrien scheint wieder möglich zu sein. Die Folgen wären nicht absehbar, daher bleibt zu hoffen, dass Putin und Erdogan auch dieses Mal wieder einen Weg finden, die Situation zu entschärfen. Das dürfte nicht einfacher werden, weil Erdogan am 3. Februar in Kiew war und dort sagte:

„Ich möchte nochmal unterstreichen, dass wie die illegale Annektierung der Krim nicht anerkennen“

Diese Aussage, so wenig reale Folgen sie haben mag, dürfte im Kreml nicht mit Freude aufgenommen worden sein.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Erdogan wird sich abfinden müssen …

    Am Abend und in der Nacht errichtete die syrische Armee schließlich die volle Kontrolle über Tal Mardikh und ging von Westen her direkt zum Stadtrand von Sarakib, ohne die türkischen Beobachtungsposten im Süden zu beachten.

    An der Front südwestlich von Aleppo drängten die Militanten die iranischen Stellvertreter zwar wieder etwas (Hisbollah, Kharakat al-Nujba) hinaus, doch im Allgemeinen versuchen die nun durch Söldner augestockte Kopfabschneider-Truppe, die aus dem Norden von Idlib übertragenen Reserven (einschließlich Gruppen von SNA-Militanten) zu nutzen, um die Verteidigung von Rashidin-4 zu verstärken, eine Barriere nördlich von Al-Iis zu errichten und Sarakib zu halten.
    Doch das Hauptproblem der Erdogan-Freunde liegt im Fehlen einer vollwertigen Front im Gebiet von Sarakib, die es der SAA ermöglicht, die Knoten des Widerstands zu umgehen und die Kommunikation der Haupthochburgen südwestlich der Provinzhauptstadt zu gefährden. Die Situation der treuen Erdogan-Gesellen ist weiterhin bedrohlich. Heute im Laufe des Tages wird man sowohl im Gebiet von Sarakib als auch im Gebiet von Nairab und auf der Autobahn Latakia-Aleppo mit neuen ernsthaften Frontbewegungen rechnen können. Erdogan Geplapper hin, Erdogan Geplapper her.

    Die Syrer mit den Iraner und Russen werden das nicht mehr „aus der Hand geben“ Man muss hier auch das Menschliche bedenken. Die Toten Syrer Hisbollah, Kharakat al-Nujba zählt niemand mehr. Doch wer sich nun die türkische Presse anschaut, der trifft überall auf die „7 Konterfeis“ der Gefallenen Türken. Erdogan wird sich hüten, einen Luftangriff auf einen seiner Beobachtungsposten zu provozieren, wenn er zu arg die Interessen der Russen angreift.

    Dieses Idlip ist für die Syrer „gegessen“ . Ist nur die Frage der Zeit. (Wobei man die Zeit wohl eher in Woche(n) definieren sollte…

    Doch erst dann, wird es für die Qualitätsmedien wieder richtig interessant. Und für mich erst mal ganz privat, ob ich mir meine eigene Prognose werde bestätigen können. Und „Anti-Spiegel“ hat es ja im letzten Satz auch schon angesprochen. Die Amis klauen nach wie vor das Eigentum der Syrer. Und in dem Zusammenhang beginnt nun schon sehr bald die Endphase des Krieges. Nur das Wie ist noch nicht klar. Was werden die Russen tun, damit der Trump sein geliebtes Öl eben nicht mehr verscherbeln kann?

    Und hier tippe ich auf folgendes:

    Die MASSIVE Aufrüstung der syrischen Flugabwehr, so dass sie , wie der Generalinspekteur a.D. Kujat in Verbindung der Russen 2015/2016 bei Anne Will sich ausdrückte, eben kein Spatz in Syrien herumfliegen kann/darf , wenn die Russen das nicht wollen.

    Noch hindern strategische Pläne der Russen es, so weit zu gehen. Doch, wenn sie das weiterhin ohne adäquate Gegenmaßnahmen hinnehmen, dass man den Syrern fresch wie Dreck , lachend angekündigt, ihr Öl klauen kann, dann wirkt sich das auf das seit 2015 aufgebaute Vertrauen in der gesamten Region NICHT POSITIV aus.
    Noch schaut alles zu dem Rest der Kopfabschneider und zu dem, was Erdogan so tut…
    Noch.

  2. Ich hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass die türkische angebliche Zusammenarbeit mit Russland an der Realität scheitert. Deshalb war der Norden schon ein Fehler Russlands und Region Idlib ist es auch.

    Selbst wenn man live map mit Vorsicht genießt so kann man sehr genau beobachten wie geplante syrische Aktivitäten umgehend zu türkischen Militärtransporten führen und danach syrische Einheiten auf massive Gegenwehr stoßen.
    Normal sollte man annehmen das die Bombardierungen verlustreich an Mensch und Material sind. Also woher kommt das Kriegsmaterial?

    https://syria.liveuamap.com/en/time/17.12.2019

    Man sieht grob das hier offensiv gekämpft wird

    https://syria.liveuamap.com/en/time/18.12.2019

    Auftauchen eines Konvois wozu?

    https://syria.liveuamap.com/en/time/19.12.2019

    HTS kann wieder zurück schießen.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/27.12.2019

    Türkischer Militärkonvoi auf Achse. Schaut man sich an wo die türkischen Stützpunkte liegen und von wo die Transporte kommen dann gibt es zumindest keinen Versorgungsgrund.

    ttps://syria.liveuamap.com/en/2019/30-december-video-the-syrian-national-army-is-pushing-military

    Man lässt ungehindert bewaffnete Personen passieren und damit stimmt man aktiv einer Verlängerung der Kampfhandlungen zu.

    https://syria.liveuamap.com/en/2020/1-january-reports-of-artillery-fire-from-eighth-turkish-observation

    Der erste Eingriff eines überrannten türkischen Militärpostens in den Kampf.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/09.01.2020

    Wieder ein Konvoi.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/11.01.2020

    Wieder wird von einem türkischen Posten geschossen.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/14.01.2020

    Ein Konvoi bei Aleppo und südliche Region Idlib.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/16.01.2020

    HTS kann wieder ordentlich zurück schießen.

    https://syria.liveuamap.com/en/2020/21-january-a-civilian-was-killed-and-7-others-including-women

    https://syria.liveuamap.com/en/time/22.01.2020

    https://syria.liveuamap.com/en/time/30.01.2020

    Um den syrischen Vormarsch zu behindern werden neue Posten errichtet. Gleichzeitig geraten syrische Einheiten in einen Kessel und der HTS scheint der Waffennachschub gesichert.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/31.01.2020

    Massive türkische Konvois kommen über die Grenze.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/02.02.2020

    Weitere Konvois unterwegs, beobachtet unter den wachsamen Augen der NATO und die Türkei macht Luftaufklärung über Aleppo.
    Im Süden wird wieder aktiv versucht den syrischen Vormarsch zu stoppen, als das nicht gelingt greifen dann mehrere türkische Beobachtungsposten ins Kampfgeschehen ein.

    https://syria.liveuamap.com/en/time/03.02.2020

    https://syria.liveuamap.com/en/2020/2-february-syria-while-proassad-forces-advance-vs-rebels

    https://syria.liveuamap.com/en/2020/3-february-mq9-er-spotted-again-today

    Vergleichbare Aktivitäten gab es auch in der nördlichen Region.

    Unabhängig davon muss die Frage auf den Tisch was mit all den besetzten Gebieten wird.

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