Ukraine

Das Ende des Gas-Revers? Der wahre Grund für Kiews Verärgerung über den neuen Gasvertrag Ungarns

Ungarn hat vor einigen Tagen einen neuen Gasvertrag abgeschlossen, der den ukrainischen Gastransit umgeht. Dadurch verliert Kiew Einnahmen aus dem Gastransit. Der wahre Grund für die Verärgerung in Kiew ist jedoch ein anderer.

Die Ukraine hat 2015 verkündet, kein russisches Gas mehr zu kaufen, sondern stattdessen Gas aus Europa zu beziehen. Dabei handelt es sich in Wahrheit aber ebenfalls um russisches Gas, das die Ukraine seitdem teurer einkauft. Das funktioniert folgendermaßen: Ein europäischer Gasimporteur kauft das russische Gas und der ukrainische Gasversorger Naftogas kauft es bei dem europäischen Importeur, wodurch das Gas natürlich zwangsläufig teurer wird, als wenn die Ukraine es direkt beo Gazprom kaufen würde.

„Europäisches“ Gas, das nie in Europa war

Das Gas selbst erreicht Europa nicht, es wird bereits in der Ukraine aus der Transitpipeline in das ukrainische Gasnetz abgezweigt und auf dem Papier zu „europäischem“ Gas umdeklariert, da es von einer in Europa ansässigen Firma gekauft wird. Diesen Prozess der virtuellen Umleitung des Gases aus Europa (wo es nie gewesen ist) in die Ukraine nennt man Reversgas.

Im Zuge der Bidenleaks habe ich 2020 ein Interview mit Alexander Onischenko geführt, der nach dem Maidan einige Zeit die rechte Hand des ukrainischen Präsidenten Poroschenko gewesen ist. Da das Interview für Nicht-Kenner der Ukraine schwer verständlich war, habe ich in einer mehrteiligen Serie die Hintergründe erklärt, den ersten Teil der Serie finden Sie hier.

Onischenko hat all das aus erster Hand miterlebt und die Details erzählt, denn in der – selbst im Westen unbestritten – hochgradig korrupten Ukraine war dieser Gasrevers eine wichtige Verdienstquelle. Laut Onischenko (und die Gaspreise in der Ukraine bestätigen seine Aussagen) berechnet die in Europa ansässige Firma für die Umdeklarierung des Gases bis zu 100 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas. Es ist also ein Milliardengeschäft, an dem – das kann jeder nachrechnen, indem man den jährlichen Gasverbrauch der Ukraine mit 100 Dollar pro 1.000 Kubikmeter multipliziert – jedes Jahr Milliarden verdient werden.

Onischenko hat außerdem erzählt, dass für diese Umdeklarierung des Gases ein gewisser Amos Hochstein zuständig war, der wiederum der Energieberater des damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden gewesen ist. Biden selbst hat demnach an dem Reversgas verdient. Damit das reibungslos funktioniert, hat das Team von Biden als Chef des ukrainischen staatlichen Gasversorger Naftogas einen Herrn Andrej Kobolev installiert, der für den reibungslosen Ablauf innerhalb der Ukraine gesorgt hat. Kobolev, über den sich Präsident Poroschenko oft geärgert hat, stand unter Bidens Schutz und war daher in der Ukraine „untuchable“.

Onischenkos Aussagen bestätigen sich weiter

All das könnte man natürlich für die verrückten Fantasien eines Poroschenko-Gegners halten, zu dem Onischenko geworden ist, nachdem er sich mit Poroschenko zerstritten hat und aus der Ukraine fliehen musste. Aber inzwischen haben sich viele Details von Onischenkos Geschichte bestätigt.

Der neue ukrainische Präsident Selensky hat Geldsorgen, nachdem er es sich in der Ukraine mit allen Oligarchen verdorben hat. In seiner Not ist Selensky auf die Idee gekommen, Kobolev zu feuern, um Zugang zu den Geldern von Naftogas zu bekommen. Gerüchte über die bevorstehende Kündigung von Kobolev haben Ende April die Runde gemacht und als Selensky Kobolev am 28.April 2021 tatsächlich gefeuert und seinen eigenen Mann auf den Chefsessel von Naftogas gesetzt hat, hat US-Außenminister Blinken umgehend einen dringenden Besuch in Kiew angekündigt und schon am 6. Mai war Blinken in Kiew und eines der wichtigsten Themen seines Besuches war die Personalie Kobolev, wie seine Stellvertreterin Nuland ukrainischen Medien offen gesagt hat, die Details dazu finden Sie hier.

Nachdem Trump US-Präsident geworden ist und Hochstein seinen Job als Energieberater des Vizepräsidenten verloren hatte, wurde Hochstein bei Naftogas „geparkt“, wo er einen Posten im Aufsichtsrat bekam und so weiter über das Reversgas wachen konnte. Nachdem Biden US-Präsident geworden ist, hat Hochstein den Posten wieder abgegeben und wurde von US-Präsident Biden zum Sonderbeauftragten der US-Regierung für Nord Stream 2 ernannt. Seine wichtigste Aufgabe in dieser Position ist es offiziell, den Gastransit durch die Ukraine zu schützen, der auch das Reversgas sicherstellt, denn wenn es keinen Gastransit durch die Ukraine mehr gibt, gibt es auch kein Gas mehr, das man für 100 Dollar pro 1.000 Kubikmeter in europäisches Gas umdeklarieren kann und die Milliardeneinnahmen sind verloren.

Was der neue ungarische Gasvertrag damit zu tun hat

Vor wenigen Tagen hat Ungarn gemeldet, dass es einen neuen Vertrag mit Gazprom abgeschlossen hat, demzufolge Ungarn kein Gas mehr über die Ukraine bezieht, sondern ab 1. Oktober sein Gas über die neue türkische Pipeline bezieht, die Russland und die Türkei gerade fertiggestellt haben.

Um die Bedeutung des Vertrages zu verstehen, muss man auf die Landkarte schauen, denn die ukrainische Pipeline führt von Russland über die Ukraine nach Ungarn. Das umdeklarierte Gas wurde aus dem Gas genommen, das formal für Ungarn bestimmt war, aber von dem Importeur nie nach Ungarn geschickt wurde, sondern schon in der Ukraine aus der Transitpipeline in das ukrainische Gasnetz eingespeist wurde. Da Ungarn nun kein Gas mehr über die Ukraine bezieht, ist es mit dem Reversgas (zumindest teilweise) vorbei, denn natürlich kann der Importeur auch noch Gas umdeklarieren, das über Ungarn in andere EU-Staaten fließt. Ob es da aber genug freie Kapazitäten gibt, kann ich derzeit nicht sagen.

Diese Geschichte habe ich mir nicht ausgedacht oder einfach geschlussfolgert. Das hat der Betreiber des ukrainischen Gasnetzes am 1. Oktober in einer Erklärung mitgeteilt. Die russische Nachrichtenagentur TASS zitiert aus der Erklärung:

„Angesichts der Tatsache, dass der Erdgasimport aus Ungarn durch einen virtuellen Revers erfolgt, gibt es keine Möglichkeit für Einfuhren aus Ungarn ohne Transit“, so die Erklärung. Das Unternehmen bestätigte, dass der Gastransit nach Ungarn seit Freitag 07:00 Uhr unterbrochen ist. „Es sind keine Buchungen für Gastransit eingegangen, obwohl die Kapazität von der Ukraine nach Ungarn für das gesamte Gaswirtschaftsjahr (vom 01.10.2021 bis 30.09.2022) in Höhe von 24,6 Millionen Kubikmetern pro Tag vertraglich festgelegt ist.“

In einer späteren Meldung hat die ukrainische Seite allerdings eingestanden, dass es sich beim Stopp der Gaslieferungen nicht um einen Vertragsbruch handelt, denn die Verträge sind nach dem sogenannten „Take or Pay“ Prinzip geschlossen. Das bedeutet, dass Gazprom und Ungarn die Lieferungen einstellen können, aber Gazprom trotzdem eine bestimmte Summe für den dann nicht genutzten Transit zahlen muss. Das Juri Vitrenenko mitgeteilt, der Mann, der Nachfolger von Andrej Kobolev als Naftogas-Chef geworden ist.

Was das für die Gasversorgung der Ukraine in diesem Winter bedeutet und ob die Ukraine den Verlust dieses Gases aus anderen Quellen kompensieren kann, ohne wieder direkt in Russland Gas kaufen zu müssen, ist noch nicht bekannt. Fakt ist aber, dass der Ukraine seit dem 1. Oktober Gas fehlt und dass das lukrative Geschäft mit dem Reversgas offenbar einen schweren Rückschlag erlitten hat. Man muss nun sehr genau darauf achten, welche Erklärungen der Sonderbeauftragte für Nord Stream 2, Amos Hochstein, in den nächsten Tagen abgibt.

Diese Entwicklung zeigt den wahren Grund für die Verärgerung in Kiew, das wegen des neuen Gasvertrages sogar den unganrischen Botschafter einberufen hat. Es geht bei dem Ärger nicht bloß um den Gastransit, es geht auch um das lukrative Geschäft mit dem Reversgas und am Ende sogar um die Gasversorgung der Ukraine selbst. Und auch Joe Biden und seine Leute dürften „not amused“ über diese Entwicklung sein.

Man muss sich auch fragen, warum Ungarn diesen Schritt gemacht hat. Dass der Haussegen zwischen Kiew und Budapest wegen der Unterdrückung der ungarischen Minderheit in der Ukraine schon lange schief hängt, ist kein Geheimnis. Aber warum Ungarn nicht nur Kiew, sondern auch den US-Präsidenten persönlich bis aufs Blut verärgert, ist eine interessante Frage.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. „Aber warum Ungarn nicht nur Kiew, sondern auch den US-Präsidenten persönlich bis aufs Blut verärgert, ist eine interessante Frage.“

    Es wird wohl mehr als nur Theorie darstellen wenn man das Denken an den EU-Sanktionen gegen Ungarn wegen dem Verbot, den Kindern dieses „eklige Zeugs“ schon im Kindergarten als das anzustrebende Gesellschaftsziel unterzujubeln. Mich wunderte es wirklich, mit welchem Eifer die Christlich erzogene Kommissionschefin auf Ungarn losstürzte. Das war- ist – von den Demokraten als Druckmittel gesteuert.
    Und so könnte sich die gestellte Frage nach des WARUM, sich einfachst beantworten lassen:
    mit:

    Du Biden..Du Kommissionspräsidentin, ihr könnt mich kreuzweise….

  2. Prima – der „betrogene Betrüger“… – nun müssen diese angebliche „ukraine“ und seine Nutznießer Biden&Co. sehen, wie sie weiter gratis ihr Salär aufbessern können… 😋😋

  3. das ist buchhalterisch ein paradis !
    denn gazprom/ru muss vollen beitrag für transit nach Ukraine bezahlen, während die gegenrechnung nach EU(?) fliesst,
    oder auch nicht, denn die abnahme findet nicht in der EU statt, u.U sogar in einer free zone @Ukraine,
    die bezahlung muss dann eben auch nicht in die EU fliessen, offshore transaktionen sind möglich, somit auch werden
    keine steuern fällig auf den differenzbetrag zu gazprompreis. sogar kauf auf pump wäre möglich wg. den zusicherungen
    seitens EU,USA und DE. Ukraine muss nicht mehr mit gazprom oder putin verhandeln und ist sicher vor gasblockaden!
    insteressant wäre jetzt die höde der durchleutungsgebühren an UKR und PL als auch die kapazitätsauslastung bei diesen
    windigen geschäft. soweit ich weiss, entnimmt PL nix.
    ich kann mich erinnern, dass 2014 (+-) diese verhandlungen stattfanden, aber details waren knapp.
    bitte weiterverfolgen!

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