„Great Reset“: Wie in Russland über Putins Rede beim Weltwirtschaftsforum berichtet wurde

In dieser Woche ist Putin bei dem von vielen aufmerksam beobachteten Weltwirtschaftsforum von Davos aufgetreten und hat an einer Online-Diskussion teilgenommen und eine Rede gehalten.

Ich habe über Putins Rede bereits berichtet und den Teil davon, den ich für den interessantesten gehalten habe, übersetzt. Die komplette Rede hat fast 45 Minuten gedauert, weshalb ich sie nicht komplett übersetzt habe. Wer Putins Reden und Ansichten kennt, hat in der Rede nichts revolutionär Neues gehört, er hat seine bekannten Positionen zu vielen Themen wiederholt. Dennoch waren seine Aussagen über das westliche Wirtschaftssystem und die Internetkonzerne in ihrer Deutlichkeit bemerkenswert.

Da ich nicht die ganze Rede übersetzt habe und die Leser des Anti-Spiegel daher meiner Einschätzung darüber ausgeliefert waren, was ich in der Rede wichtig und interessant fand und was nicht, will ich hier einen Beitrag des russischen Fernsehens aus der Sendung „Nachrichten der Woche“ übersetzen. Das russische Fernsehen fand nämlich auch Teile der Rede erwähnenswert, über die ich nicht berichtet habe. Und das will ich Ihnen nicht vorenthalten.

Beginn der Übersetzung:

Am 27. Januar sprach Wladimir Putin per Video auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Hauptdiskussionsthema ist die „Neue globale Situation.“ Der russische Präsident nimmt nicht oft am Forum in Davos teil. Das letzte Mal ist mehr als 10 Jahre her. Aber die Agenda ist so wichtig, dass sie ohne die Beteiligung Russlands als einflussreicher globaler Akteur unmöglich ist. Alles ist unsicher. Niemand weiß, was die alte Weltordnung ersetzen wird. Und der russische Staatschef spricht offen über die aktuelle Situation, ohne Illusionen aufzubauen: „Es besteht die Wahrscheinlichkeit von einem wirklichen Versagen der weltweiten Entwicklung, einem Kampf alle gegen alle, mit den Versuchen, die sich abzeichnenden Widersprüche durch die Suche nach „inneren“ und „äußeren“ Feinden zu lösen. Soziale Krisen und Krisen der moralischen Werte zeigen bereits negative demografische Folgen, die das Risiko des Verlustes ganzer zivilisatorischer und kultureller Errungenschaften für die Menschheit bedeuten.“

„Herr Präsident, die Welt wartet auf Ihre Rede.“, sagte Klaus Schwab. Und das war wirklich keine Übertreibung. Das Davos-Forum brachte, wenn auch im Videoformat, die Staats- und Regierungschefs der führenden Länder der Welt und die Chefs großer Konzerne zusammen. Über die Vereinigung aller Kräfte und darüber, dass wir alle in einem Boot sitzen, wurde schon früher gesprochen, aber auch jetzt, da die gesamte Weltwirtschaft wegen der Pandemie und der Probleme, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, in einem Krankenzimmer liegt.

„Wir sehen eine Krise der alten Modelle und Instrumente der wirtschaftlichen Entwicklung, die Stärkung der sozialen Spaltung sowohl auf globaler Ebene als auch in den einzelnen Ländern. Dies wiederum führt zu einer scharfen Polarisierung der öffentlichen Ansichten, provoziert das Wachstum von Populismus, von Rechts- und Linksradikalismus und anderen Extremen, die Verschärfung und Verhärtung innenpolitischer Prozesse, auch in den führenden Ländern“, sagte der russische Präsident Wladimir Putin.

Öffentliche Institutionen, allgemein anerkannte Werte und unbestrittene Autoritäten stürzen ein. Die Grundlagen, auf denen Staaten und Gesellschaften beruhen, werden revidiert. Und es ist naiv, das nur als die innere Angelegenheit des einen oder anderen Landes zu betrachten.

„Ungelöste und wachsende innere sozioökonomische Probleme können dazu führen, dass man jemanden sucht, dem man für all die Probleme die Schuld geben und so die Unzufriedenheit der Bürger umlenken kann. Und wir sehen das bereits, wir spüren, dass der Grad der Propagandarhetorik in der Außenpolitik wächst. Es ist zu erwarten, dass die Art der praktischen Maßnahmen, einschließlich des Drucks auf die Länder, die mit der Rolle als gehorsam verwaltete Satelliten, mit der Anwendung von Handelshemmnissen, unrechtmäßigen Sanktionen, Beschränkungen des Finanz-, Technologie- und Informationsbereichs nicht einverstanden sind, aggressiver wird. Ein solches Spiel ohne Regeln erhöht das Risiko eines einseitigen Einsatzes militärischer Gewalt entscheidend – das ist die Gefahr, die Anwendung von Gewalt unter dem einen oder anderen weit hergeholten Vorwand. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass neue Krisenherde auf unserem Planeten erscheinen. Über das alles müssen wir uns Sorgen machen“, ist sich das russische Staatsoberhaupt sicher.

Diese Sorge teilt auch der chinesische Staatschef Xi Jinping, der auch vor den Gefahren einer neuen Konfrontation und des Kalten Krieges 2.0 warnte. Der Präsident des Davoser Forums, Professor Klaus Schwab, rief die Staats- und Regierungschefs aller Länder auf, multilaterale Ansätze zu unterstützen und so die nächste Teilung der Welt zu verhindern.

„Sie haben mit Präsident Biden telefoniert und sich geeinigt, den Vertrag über strategische Atomwaffen zu verlängern. Das ist ein sehr positives historisches Zeichen“, sagte Schwab zu Putin.

„Natürlich ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch sind die Gegensätze immer noch riesig. Bekanntlich haben die Unfähigkeit und der Unwille, solche Probleme im 20. Jahrhundert zu lösen, zu der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs geführt. Natürlich hoffe ich, dass ein so globaler heißer Konflikt im Prinzip unmöglich ist. Das würde das Ende der Zivilisation bedeuten. Aber auch hier kann sich die Situation unvorhersehbar und unkontrolliert entwickeln. Zumindest wenn nichts getan wird, um das zu verhindern“, sagte der russische Präsident.

Putin zufolge gehört die Ära, in der versucht wurde, eine zentralisierte, unipolare Weltordnung aufzubauen, der Vergangenheit an. Vor unseren Augen entsteht eine ganz andere, multipolare Welt.

„Jetzt sind auf der Welt verschiedene Zentren mit ihren eigenen Modellen, politischen Systemen und sozialen Institutionen entstanden. Und heute ist es äußerst wichtig, Mechanismen zur Harmonisierung ihrer Interessen zu schaffen, damit die Vielfalt und der natürliche Wettbewerb der Entwicklungsmodelle nicht zu Anarchie und einer Reihe langwieriger Konflikte werden“, sagte Wladimir Putin.

Eine weitere Herausforderung ist die Verzerrung der wirtschaftlichen Entwicklung der Länder. Trotz der Tatsache, dass sich das weltweite BIP in den letzten vier Jahrzehnten verdoppelt hat und Hunderte Millionen Menschen aus der Armut herausgekommen sind, nimmt die Umverteilung des Eigentums zu und die Pandemie hat diese soziale Ungleichheit nur verstärkt. Putin ist überzeugt, dass die Welt nicht dem Weg folgen kann, eine Wirtschaft aufzubauen, die nur für die „goldenen Milliardäre“ arbeitet, weil dieses unhaltbare Modell überall Migrationskrisen schafft, sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Daher ist der Untergang Europas nach dem Arabischen Frühlings besonders dramatisch.

„Eine gibt eine riesige Masse von Menschen, die de facto nicht mehr gebraucht werden. So schätzt die Internationale Arbeitsorganisation, dass 2019 21 Prozent oder 267 Millionen der jungen Menschen auf der Welt nirgendwo gelernt, studiert oder gearbeitet haben. Und selbst unter denen, die Arbeit hatten – das ist ein interessanter Indikator, eine interessante Zahl – leben 30 Prozent von einem Einkommen unter 3,2 US-Dollar pro Tag nach Kaufkraftparität. Wie bereits erwähnt, hat die Coronavirus-Pandemie diese Probleme noch verschärft. Das bedeutet immer noch fast 250 Millionen verlorene Arbeitsplätze. Das ist eine große und sehr alarmierende Zahl. „

Der Kampf gegen die Pandemie war das wichtigste Thema in den Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Unter den Referenten waren auch Vertreter des größten IT-Konzerne, Microsoft-Gründer Bill Gates und Google-Chef Sundar Pichai. Diese Unternehmen, die Technologiegiganten, spielen laut Putin eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft. Und mit einem Auditorium von Milliarden von Menschen stehen sie in einigen Bereichen de facto im Wettbewerb mit Staaten. Und manchmal ersetzen sie sie, wie in Amerika, als Präsident Trump selbst durch Twitter, Facebook und Google seines Rechts auf die Äußerung seiner Meinung beraubt wurde. Und mit ihm wurden mehr als 70.000 Nutzer blockiert, die als Anhänger von Verschwörungstheorien bezeichnet wurden. Es gab nichts, was diesen beispiellosen Aktionen der digitalen Giganten entgegen gesetzt werden konnte.

„In der Gesellschaft entsteht eine Frage: Wie sehr entspricht ein solches Monopol dem öffentlichen Interesse? Wo ist die Grenze zwischen erfolgreichem globalem Geschäft, nachgefragten Dienstleistungen, Big-Data-Konsolidierung und dem groben Versuch, die Gesellschaft nach eigenem Ermessen zu lenken, legitime demokratische Institutionen zu ersetzen, de facto das natürliche Recht eines Menschen zu usurpieren oder einzuschränken und zu entscheiden, wie er leben, wen er wählen soll und welche Meinung er frei äußern darf? Wir alle haben das gerade in den USA gesehen und jeder versteht, wovon ich spreche. Ich bin sicher, dass die große Mehrheit der Menschen diese Position teilt, einschließlich derjenigen, die heute mit uns an der Veranstaltung teilnehmen.“, sagte der russische Präsident.

Die Beziehungen Russlands zu Europa sind ein eigenes Thema. Klaus Schwab, der das Davos-Forum in den 1970er Jahren gegründet hat und Putin seit den frühen 1990er Jahren kennt, erlebte deren Auf und Ab.

„Wie sehen Sie die zukünftigen Beziehungen zwischen Russland und Europa?“, fragte Schwab.

„Die heutige Situation ist eindeutig unnormal. Wir müssen zu einer positiven Agenda zurückkehren. Das ist im Interesse Russlands und, da bin ich mir sicher, der europäischen Länder. Wir müssen den Dialog miteinander auf ehrliche Weise angehen. Wir müssen die Phobien der Vergangenheit loswerden. Wenn wir uns über diese Probleme der Vergangenheit erheben und diese Phobien loswerden können, dann erwartet uns sicherlich eine positive Phase in unseren Beziehungen. Wir sind bereit dazu. Das ist es, was wir wollen. Und wir werden danach streben. Aber Liebe ist unmöglich, wenn sie nur von einer Seite erklärt wird. Sie muss gegenseitig sein“, ist sich Wladimir Putin sicher.

Die Nuancen der Beziehung wurden dann im geschlossenen Teil der Online-Diskussion diskutiert. Zur normalen Form – den persönlichen Gesprächen – wollen die regelmäßigen Teilnehmer des Forums bereits im Mai auf einer Sondersitzung in Singapur zurückkehren.

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Komplette Rede von RT mit Simultanübersetzung
    https://www.youtube.com/watch?v=M4m0DNJ5AGM

    So kann jeder den Ausschnitt aus seinen Ausführungen finden, der für ihn selbst dann mal der interessanteste, oder wichtigste Teil bedeutet.

    Ich denke als für alle gleichermaßen wichtig sollte es sein, dass in den Worten Putins gewisse Untertöne mitspielen, die sehr aufmerksam speziell von der NATO gehört werden sollten. Ich denke, Putin kann es sich auch innenpolitisch nicht mehr so leisten, wie das vielleicht vor einem Jahr noch möglich war, mit einem Lächeln, dass gefährliche Handeln z.Bsp. der amerikanischen Marine (Zerstörer James Cook mal zu benennen)zu kommentieren…

    Fazit …

    Der gewisse Warnschuss ist mit der Rede wohl verbal erfolgt. Warten wir mal darauf, wie das russische Militär die Rede „verstanden “ hat, oder…welche neue Befehlslage sich daraus ergeben könnte.

  2. Ich hoffe nur, Putin lässt sich nicht zu sehr belabern. Und ich hoffe, er kann seinen Laden zusammenhalten, denn ich habe das Gefühl, Europa wird ein starkes Russland brauchen.

    Dem Grundgedanken des Artikels, es gäbe eine Krise und die Eliten der Welt finden sich zusammen, um sie zu lösen, kann ich nicht folgen.
    Die ‚Krise‘ ist ein Putsch von oben. Das Virus wurde geschaffen oder genutzt, um Grundrechte abzuschaffen. Es ist ein Werkzeug, um die Macht der Eliten zu absolutieren.

    Niemand zwingt die Tech- Oligarchen, diese massive Zensur auszuüben.
    Niemand zwingt die Oligarchen, immer reicher zu werden. Sie könnten ihr Geld zum Etablieren oder zum Ausprobieren von Basisdemokratie benutzen. Sie könnten in der dritten Welt Brunnen bohren. Sie könnten es einfach verteilen.
    Niemand zwingt die Eliten, einen debilen, korrupten Präsidenten an die Macht zu putschen.

    IMO will man erreichen, dass die Russen bei dieser Machtübernahme zusehen und nichts tun. Wenn das Ding im Westen durch ist, gehts ihnen an den Kragen.
    Die Russen könnten ja auch zB versuchen, gut ausgebildete, motivierte Leute aus dem Westen rauszuholen… schliesslich haben sie das größte Land der Welt und der Grossteil der Fläche ist komplett ungenutzt. Das ist nur eine Idee, wie man den Putsch im Westen zu seinem Vorteil nutzen könnte. Es gibt mit Sicherheit noch mehr und noch bessere Möglichkeiten.

    Deshalb lässt man Putin reden. Er predigt offensichtlich gerne und man bietet ihm so die Möglichkeit, sein Ego zu pflegen. Es ist eine Taktik, um die Russen ruhig zu halten und kein Gesprächsangebot.
    Denn die Realität ist ja nun mal, dass man die Russen sanktioniert, wo es nur geht. Militärisch werden sie eingekreist.

    Wie schon gesagt. Alles, was gerade passiert, ist keine Krise. Es ist eine Machtübernahme. Die Probleme, die wir haben, sind durch die Ungleichverteilung der Güter und der Macht verursacht. Acht Leute haben soviel wie 4 Milliarden? Und wo sind bei der Rechnung die Rockefellers, Rothschilds, DuPonts und die anderen Geldadel- Dynastien? Das *kann* doch nicht gut gehen. Das *kann* nicht gerecht sein.

    Um alle Krisen zu lösen, müsste man nur die Verteilung von Macht und Geld halbwegs normalisieren. Natürlich wollen die das nicht. Lieber wollen die Sonnengötter werden. Und das machen sie gerade.

    1. DiddelDu: „Deshalb lässt man Putin reden. Er predigt offensichtlich gerne und man bietet ihm so die Möglichkeit, sein Ego zu pflegen.“

      Was für ein Schwachsinn. Ebenso wie diese Aussage:

      „Sie könnten in der dritten Welt Brunnen bohren.“

      Man bohrt keine Brunnen, sondern lehrt, wie man Brunnen baut.

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