Propaganda nach Lehrbuch: Mit welchen Mitteln der Spiegel brutale Polizeigewalt in Spanien verharmlost

In Spanien finden seit einigen Tagen heftige Proteste statt, die Polizei geht mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vor. An diesem Beispiel kann man anschaulich aufzeigen, wie der Spiegel Polizeigewalt im Westen verharmlost.

Wir kennen die Spiegel-Berichte der letzten Jahre zur Genüge. Wann immer es Proteste in Hongkong, Moskau oder Minsk gab, hat der Spiegel regelrecht aufgeheult und von Polizeigewalt fabuliert, auch wenn es gar keine gegeben hat. Diese Formulierung gehört für den Spiegel zum Standard-Repertoire, wenn er über Länder berichtet, deren Regierungen ihm nicht gefallen.

Messen mit zweierlei Maß

Wenn es hingegen um Länder geht, deren Regierungen der Spiegel ganz toll findet (also um Länder des „Wertewestens“), dann verschweigt er Polizeigewalt oder verharmlost sie. Das konnten wir vor einiger Zeit bei den Gelbwesten in Frankreich beobachten oder gerade erst in den USA, wo Polizeifahrzeuge sogar in Menschenmengen gefahren sind (das Video zu dem Bild finden Sie hier), ohne dass der Spiegel von Polizeigewalt sprechen würde. Er hat nicht einmal darüber berichtet.

Man stelle sich einmal vor, es hätte solche Szenen in Moskau oder Minsk gegeben, wie oft der Spiegel und andere „Qualitätsmedien“ uns die Bilder gezeigt hätten. Wenn sie aber aus den USA kommen, dann braucht der deutsche Zuschauer oder Leser sie hingegen nicht zu sehen. Und im letzten Jahr gab es viele derartiger Vorfälle in den USA.

Proteste in Spanien

Aktuell gibt es in Spanien heftige Proteste und massive Polizeigewalt. Hier soll es nicht um die Proteste selbst gehen, sondern darum, mit welchen Mitteln der Spiegel die Polizeigewalt verharmlost.

Zu den Protesten daher nur in Kürze. Der Grund ist die Frage der Unabhängigkeit von Katalonien, die damit verbundenen Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in dem Land und die Tatsache, dass ein Rapper nun zu mehreren Monaten Haft verurteilt wurde, weil der spanischen Regierung seine Texte nicht gefallen. Rap ist keine Kunstform, die mir gefällt und viele Rap-Texte sind mehr als fragwürdig. Aber wenn im Westen Meinungsfreiheit herrscht, sollte man Künstler eigentlich nicht für ihre Texte einsperren. Ich habe vor einigen Tagen schon darüber berichtet und einen Bericht des russischen Fernsehens über die Lage in Spanien übersetzt.

Im Spiegel ist am Freitag ein Artikel darüber erschienen und ich musste mir die Augen reiben. Der Grund für die Verhaftung des Rappers waren seine Angriffe auf den König, genauer gesagt auf den Ex-König Juan Carlos. Der ist so tief in Korruption verstrickt, dass er das Land, dessen König er gewesen ist, verlassen musste, um den Ermittlungen zu entgehen. Das hat der Rapper in der deutlichen Wortwahl des Genres angeprangert und das hat ihm eine Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung eingebracht.

Der Spiegel-Artikel beginnt in der Einleitung mit folgendem Satz:

„Der Rapper Pablo Hasél hetzt gegen die Monarchie und verteidigt Terroristen, jetzt sitzt er im Gefängnis.“

Propaganda nach Lehrbuch im Spiegel

Darauf folgen sechs (!) Absätze, in denen der Spiegel-Leser von der Vorgeschichte nichts erfährt. Der Spiegel-Leser erfährt etwas über den Inhalt der Liedtexte (die sind natürlich „Pfui“), aber nicht über den Grund, warum der Rapper das Königshaus kritisiert. Der Rapper erscheint einfach nur als radikaler Irrer und der Spiegel-Leser kann gar nicht verstehen, warum sich die Menschen auf der Straße mit ihm solidarisieren und für ihn demonstrieren.

Im siebten Absatz des Artikels steht ein Satz, bei dem ich lachen musste:

„Doch Pablo Hasél taugt eigentlich kaum als Held. In Texten und Tweets nennt Hasél Richter Nazis und verbrüdert sich mit Terrorgruppen wie der Eta oder der RAF.“

Wenn jemand nicht als Held taugt, weil er Richter als Nazis bezeichnet, warum taugt dann Navalny für den Spiegel als Held? Der hat doch gerade erst eine Richterin mit „Obersturmbannführer“ angesprochen und gemeint, ein deutsches Maschinengewehr würde sich gut auf ihrem Richtertisch machen. Aber, okay, davon weiß der Spiegel-Leser ja nichts…

Der Spiegel-Artikel ist lang, im achten Absatz erfahren wir:

„Den Vater von König Felipe, Juan Carlos I., beschimpft er als »Parasiten«, »Mafioso« und »Mörder«. Die Justiz verurteilte Hasél schon 2018 für die Hetze gegen Juan Carlos, er ist so etwas wie Haséls Lieblingsfeind.“

Aber kein Wort hier über den Grund, nämlich die Korruption von Juan Carlos. Das kommt erst viel später, in Absatz Nummer 16. Der Spiegel reißt die Dinge aus dem Zusammenhang. Er müsste doch auch erklären, warum der Rapper so gegen den Ex-König ist, das aber wird dem Leser verschwiegen und erst viel später, in einem anderen Zusammenhang, kommen dazu zwei kurze Sätze in Absatz Nummer 16:

„Juan Carlos I., Haséls Lieblingsfeind, gilt zudem vielen jungen Linken in Spanien eher als Dieb denn als Bewahrer der Demokratie. Wegen einer Korruptionsaffäre ist er nach Abu Dhabi geflohen, der Skandal hat dem republikanischen Lager Auftrieb verliehen.“

Dieses Vorgehen des Spiegel, über Dinge so zu berichten, dass der Leser die Zusammenhänge möglichst nicht erfassen kann, ist ein Instrument aus dem Werkzeugkasten der Propaganda. Es gibt sogar einen Fachbegriff dafür: „Dekontextualisierung“. Dieser Spiegel-Artikel ist klassische Propaganda nach dem Lehrbuch. Der Leser soll wissen, dass der Rapper das Böse in Person ist, ein Irrer, ein Durchgeknallter, ein Krawallmacher und Terrorunterstützer. Die Motive des Rappers werden hingegen so gut wie möglich versteckt.

Ich will den Rapper nicht verteidigen und er unterstützt in einigen Texten tatsächlich die ETA. Worum es mir geht, ist die Frage: Warum erscheint im Spiegel derartige Propaganda nach Lehrbuch? Warum kann der Spiegel nicht sachlich berichten?

Es gibt ja Gründe, für die man den Rapper kritisieren kann, aber der Spiegel scheint eine Heidenangst zu haben, dass der Leser – wenn er das ganze Bild kennt – durchaus Verständnis für den Rapper haben könnte. Und das ist nicht gewollt, also wird der Leser bewusst in die Irre geführt.

Wie der Spiegel Polizeigewalt verharmlost

In Absatz Nummer zwölf steht, nachdem der Spiegel-Leser schon hinreichend „geimpft“ ist und keinerlei Verständnis mehr dafür aufbringen kann, dass es Menschen gibt, die für so einen wie den Rapper demonstrieren:

„Das harte Vorgehen der Polizei dürfte die Proteste noch verstärken. In Madrid drängten Beamte eine Gruppe junger Demonstranten an ein Schaufenster und schlugen auf sie ein, obwohl die Menschen nicht ausweichen konnten. In Barcelona verlor eine Demonstrantin ihr Auge, nachdem die Polizei sie mit einem Schaumstoffgeschoss getroffen hatte. Ein Foto zeigt die junge Frau auf dem Boden sitzend, die Corona-Maske unter dem Kinn. Blut quillt aus ihrem Auge.“

Das ist Polizeigewalt in Reinkultur und es gab noch weit mehr Fälle. Für den Spiegel ist es jedoch nur ein „hartes Vorgehen der Polizei.“ Und darüber, dass die Polizei einer jungen Frau ein Auge ausgeschossen hat, hat das russische Fernsehen schon vor Tagen in dem von mir übersetzten Beitrag berichtet.

Wirklich dreist ist in meinen Augen aber die Bezeichnung „Schaumstoffgeschoss“. Das klingt niedlich, Schaumstoff kennen wir alle, der ist schön weich. Das muss aber wirklich ein ganz dummer und unglücklicher Vorfall gewesen sein, bei dem eine Frau ein Auge „verloren“ hat. Sie hat das Auge nicht „verloren“, lieber Spiegel, es wurde ihr von der Polizei mit einem Gummigeschoss ausgeschossen!

Man stelle sich einmal vor, in Minsk hätte die Polizei Gummigeschosse eingesetzt und einer Demonstrantin wäre ein Auge ausgeschossen worden. Ob der Spiegel dann wohl auch davon gesprochen hätte, sie habe „ihr Auge verloren, nachdem die Polizei sie mit einem Schaumstoffgeschoss getroffen“ hat? Ich glaube, das würde im Spiegel und bei anderen „Qualitätsmedien“ völlig anders klingen.

Und genau daran erkennt man Propaganda: Sie berichtet über Dinge völlig unterschiedlich, je nachdem, wo sie geschehen. Dass es im Westen Polizeigewalt gibt, die auch noch um ein Vielfaches schlimmer ist, als in den „bösen Diktaturen“ China, Russland oder Weißrussland, erfährt man im Spiegel nicht. Dabei ist das eine unbestreitbare Tatsache, denn zumindest in Russland und Weißrussland hat die Polizei noch nie Gummigeschosse eingesetzt. In Russland haben die Demonstranten sogar noch nie einen Wasserwerfer gesehen.

In Frankreich hingegen haben inzwischen über 150 Gelbwesten Augen oder Gliedmaßen durch den Beschuss der Polizei verloren und nun passiert in Spanien das gleiche.

Wo, lieber Spiegel, herrscht Polizeigewalt?

Dass die Proteste in Spanien weiterhin andauern, erfährt der politisch interessierte Spiegel-Leser übrigens nicht. Der Spiegel hat es vorgezogen, den Artikel darüber nicht im Ressort „Politik“, sondern im Ressort „Panorama“ zu veröffentlichen, wo normalerweise die News von Stars und Sternchen zu lesen sind. Politisch Interessierte lesen das Ressort „Panorama“ nur selten und so erfahren sie auch nichts davon.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

4 Antworten

  1. Ich habe in den Neunzigern meinen letzten Spiegel gekauft und gelesen. Ich bin froh, dass es den Antispiegel gibt und dankbar, dass es ein Thomas Röper auf sich nimmt, für uns in diesem Drecksblatt zu recherchieren. DANKE

  2. Die Dekontextualisierung ist offensichtlich und dass der Begriff „Polizeigewalt“ scheinbar nicht vorkommt im Spiegel-Artikel ist auch bezeichnend, aber die Formulierung „Auge verloren“ würde ich persönlich auch so schreiben.
    Wie dem auch sei, ich frage mich wie sich Der Spiegel finanziell noch über Wasser halten kann. Hat er etwa tatsächlich noch genug Kunden oder erhält er seine Ressourcen vielleicht auch anderweitig? Schließlich ist dieser ja ein Staatstragendes Propagandablatt.

  3. In Deutschland gibt es den Lesezirkel. Den haben z.B. viele Ärzte abonniert für das Wartezimmer. Dadurch ist dem Speigel und auch vielen anderen Zeitschriften eine hohe Auflage garantiert. Und somit auch Einnahmen aus der Werbung in den Zeitschriften. Zumal ein einziges Heft dort durch viele Hände geht. Eine weitere Rettung werden die Millionen sein, die der Bund seit letztem Jahr an die Zeitungen verteilt. Der Speigel wird da wohl einen großen Schluck aus der Pulle für hervorragende Propaganda bekommen.
    Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir bald über die GEZ gebühren diese Zeitungen mitfinanzieren. Eine Beitragssteigerung von 2,00€/Monat für unsere notleidenden Printmedien im Monat würde zu einer Finanzierung von 1 Milliarde im Jahr führen. Und ich halte diese Möglichkeit für viel wahrscheinlicher als dass es nicht kommen wird. Nur dass wir sicherlich nicht nur mit 2€ im Monat zur Kasse gebeten werden.

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