Gipfeltreffen in Genf

Wie das russische Fernsehen über die Aussichten des anstehenden Gipfels von Putin und Biden berichtet

Am Mittwoch dem 16. Juni treffen sich US-Präsident Biden und der russische Präsident Putin in Genf. Das Thema beherrscht natürlich die russischen Medien und Experten spekulieren über mögliche Ergebnisse.

Das russische Fernsehen hat am Sonntag in der Sendung „Nachrichten der Woche“ in zwei Beiträgen über den anstehenden Gipfel und die möglichen Ergebnisse berichtet. Ich habe beide Beiträge, die Einleitung aus dem Studio und den Korrespondentenbericht aus Genf, hier übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Am 16. Juni treffen sich die Staats- und Regierungschefs Russlands und der Vereinigten Staaten in Genf. In Amerika herrscht Aufregung um das Treffen: Biden wird für den Kampf aufgebaut und psychologisch vorbereitet, als wäre er ein MMA-Kämpfer. Nach dem Motto, er wird es Putin zeigen. Das Vorspiel für das Treffen mit Putin in Genf sind der G7-Gipfel in England, die EU- und NATO-Gipfel in Brüssel, die ein weiteres Warm-up sind, gefolgt von Bidens persönlichem Gespräch mit Erdogan als weitere Etappe, und dann die Apotheose in Genf mit Wladimir Putin.

In den USA wurden bereits spezielle Banner gezeigt und sogar ein 48-Stunden-Fernseh-Marathon wurde angekündigt. Auf dem Cover des Time-Magazins ist der russische Präsident als Spiegelung in Bidens Sonnenbrille zu sehen. Was könnte das bedeuten? Blendet Putin ihn? Biden bereitet sich vor und Biden wird vorbereitet, was zu überhöhten Erwartungen führt. Das ist alles sehr amerikanisch. Auf die Frage, ob Biden bereit ist, sich mit Putin zu treffen, antwortete die First Lady Jill Biden: „Super-bereit“. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte, Biden habe sich seit 50 Jahren auf dieses Treffen vorbereitet.

In Russland ist die Stimmung ruhiger und geschäftsmäßiger. An Putins Bereitschaft besteht kein Zweifel. Präsident Putin ist seit langem tief in die Problematik eingetaucht und hat Biden schon vor dem Gipfel in Genf angeboten, einen Dialog über jedes Thema zu führen, sogar öffentlich und live. Biden hat das übrigens abgelehnt. Nun sind dank der Bemühungen der russischen Seite zumindest die Themen der anstehenden Gespräche aufgelistet, während die Amerikaner zunächst vorgeschlagen haben, sich ohne vorgegebene Tagesordnung zu treffen. Was die Vorstellungen über den Erfolg der Genfer Gespräche angeht, so hat Putin sehr konkrete Vorstellungen. Ohne überzogene Erwartungen.

In einem Interview mit meinem Kollegen Pavel Zarubin sprach Putin über die Ziele seines eintägigen Treffens mit Biden: „Es scheint mir, dass die Wiederherstellung unserer persönlichen Kontakte und Beziehungen, die Etablierung eines direkten Dialogs, die Schaffung wirklich funktionierender Mechanismen der Zusammenarbeit in den Bereichen, die gegenseitige Interessen darstellen, das Ziel sein sollten – und das habe ich schon gesagt, ich denke, das muss man nicht wiederholen. Vor allem, weil die amerikanische Seite auch darüber spricht. Und ich stimme ihnen insgesamt zu, dass es eine Reihe von Themen von gemeinsamem Interesse gibt: Stabilität, strategische Stabilität, regionale Konflikte, Umweltschutz und die Sorge um die Umwelt im globalen Sinn. Das heißt, es gibt Themen, bei denen wir wirklich effektiv arbeiten können. Übrigens gibt es auch ein gegenseitiges Interesse in der Wirtschaft. Viele amerikanische Unternehmen wollen hier arbeiten. Sie werden aus unserem Markt verdrängt und verlieren dadurch an Boden gegenüber ihren Konkurrenten. Ist das wirklich ein Gewinn für die amerikanische Wirtschaft? Alles in allem gibt es eine Menge zu besprechen. Und es gibt gemeinsame Themen. Wenn wir nach diesem Treffen Mechanismen für die Arbeit in all diesen Bereichen schaffen, denke ich, wäre das schon gut und wir könnten sagen, dass das Treffen nicht umsonst war.“

Gleichzeitig ist ein solcher Erfolg aber nicht garantiert. Wenn die Amerikaner Russland Bedingungen diktieren wollen, ist Putin dazu sicher nicht bereit. Nun, wie sind zum Beispiel diese Worte von Außenminister Blinken kürzlich zu verstehen?

„Wenn Russland seinen Kurs ändert, sind wir bereit zu reden. Biden wird klar und direkt sagen, was Putin von den Vereinigten Staaten zu erwarten hat, wenn die aggressiven und rücksichtslosen Aktionen gegen uns fortgesetzt werden. Er wird ebenso klar sagen: Wenn Russland einen anderen Kurs wählt, würden wir eine stabilere Beziehung bevorzugen“, sagte Blinken.

Das klingt nicht gut, oder? Vor dem Treffen verbessert diese Art von unbegründeten Äußerungen nicht gerade die Atmosphäre der bevorstehenden Verhandlungen. Aber wie war das bei Tschechow? Gut erzogen ist nicht der, der keine Soße auf das Tischtuch verschüttet, sondern derjenige, der das nicht bemerkt. Genau wie Putin. Er bemerkt das nicht.

„Im Vorfeld von Gipfeltreffen versuchen beide Seiten immer, etwas negative Rhetorik abzubauen, um ein entsprechend günstiges Umfeld für die Arbeit zu schaffen. Daran ist nichts Besonderes. Ich würde mich nicht täuschen lassen. Das ist der professionelle Ansatz. Wir tun das auch“, sagte das russische Staatsoberhaupt.

Wie laufen die Vorbereitungen für das Gipfeltreffen von Putin und Biden in der Schweizer Villa La Grange und wie ist die Geschichte solcher Treffen? Aus der Schweiz berichtet unser Korrespondent Michail Antonow.

Der Genfer Park La-Grange verwandelt sich allmählich in eine Festung: Zusätzliche Zäune und Stacheldraht werden aufgestellt. Auch innerhalb des Parks gibt es nun mehrere Sicherheitszonen. Das Gebiet gegenüber dem Park – der Strand und der Yachtankerplatz – wird ebenfalls mit einem Zaun umgeben. Das geschieht sehr schnell, die Touristen werden mit eingezäunt.

Die Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen wird am 15. Juni beginnen. Zunächst wird der Luftraum gesperrt. Und ab 4 Uhr morgens am 16. Juni, dem Tag des Gipfels, werden alle Gebiete des Ufers des Genfer Sees, das Stadtzentrum und eine Hälfte der Stadt komplett für Personen und Verkehr gesperrt sein.

Dreitausend Schweizer Militär- und Polizeibeamte werden das Treffen vor Ort bewachen. Dazu bekommen sie Hilfe von der französischen Luftwaffe inklusive Luftabwehr, um den Himmel zu sperren. Flugabwehrkanonen, Radare und andere Gerätschaften werden da sein.

„Werden wir teilweise Kampfflugzeuge im Tiefflug über Genf sehen?“

„Wahrscheinlich nicht. Nur wenn ein Flugzeug kommt, das eine Bedrohung für den Gipfel darstellen könnte“, sagte Pierre-Yves Eberle, Chef des Einsatzstabes der Schweizer Luftwaffe.

Der Komfort der Gipfel-Teilnehmer ist ein größeres Anliegen als die Sicherheit. Zumindest in diesem Fall. Die Verwaltung der Villa La Grange, in der die Veranstaltungen geplant sind, geriet in Panik, weil der US-Protokolldienst eine Klimaanlage im Inneren gefordert hat, denn es soll plus 30 Grad werden. Das bedeutet, dass eine Menge Löcher in das denkmalgeschützte Gebäude aus dem 18. Jahrhundert gebohrt werden müssten. Aber sie erinnerten sich an den verlassenen Lüftungsschacht, der aufgeräumt und für die Luftzufuhr hergerichtet wurde. Die Villa bleibt also intakt und hat nur von der Veranstaltung profitiert – die Stadtverwaltung hat Mittel für Reparaturen und die Reinigung bereitgestellt. Aus der Bibliothek, in der das Treffen stattfinden wird, werden die wertvollsten Bücher für den Fall von Änderungen des Mikroklimas entfernt.

Die hintere Veranda der Villa La Grange blickt auf den Genfer See. Der Ort ist auf jeden Fall besser gelegen als das Intercontinental Hotel, das aussieht wie ein Intourist der 70er Jahre. Hier wird die amerikanische Delegation untergebracht sein. Biden, der am Abend des 15. in Genf ankommt, wird in der Präsidentensuite wohnen: individueller Aufzug, Konferenzraum, Kamin und türkisches Bad, wie aus der Beschreibung der Suite auf der Website des Hotels hervorgeht.

Zunächst hieß es, dass das Intercontinental selbst Gastgeber der Verhandlungen sein würde. Wahrscheinlich war der Grund, dass die USA hier 2009 versucht haben, die Beziehungen zu Russland wieder herzustellen. Außenministerin Clinton brachte Sergej Lawrow damals einen Reset-Knopf mit. Auf Englisch war alles richtig geschrieben, aber es gab in Washington keine Experten für Russisch. Oder es war so gedacht. (Anm. d. Übers.: Auf dem berühmten Reset-Knopf stand in lateinischer Schrift auf Russisch geschrieben „Peregruzka“, was auf Russisch „Überlastung“ bedeutet. „Reset“ oder „Neustart“ wäre auf Russisch „Perezagruzka“. Ob der Reset-Knopf mit seiner Aufschrift ein Fehler inkompetenter Mitarbeiter im US-Außenministerium war, oder ob die USA von vorneherein keinen Neustart in den Beziehungen zu Russland gewollt haben, kann sich jeder selbst überlegen.)

Jedenfalls funktionierte der Knopf so, wie es dort geschrieben stand. Und nun hat Russland sicherlich keine überzogenen Erwartungen, was die verschiedenen Ebenen der bilateralen Kontakte betrifft.

„Es ist klar, dass ein Dialog in jedem Fall besser ist als kein Dialog, aber wenn die amerikanische Position von der Mentalität des Hegemons bestimmt wird, wenn sie, unsere amerikanischen Kollegen, weiterhin ihrer eigenen Propaganda folgen, die unter anderem die amerikanische Elite betäubt, dann können wir wahrscheinlich nicht viel erwarten. Aber in jedem Fall denke ich, dass es wichtig ist, einen offenen Meinungsaustausch auf höchster Ebene zu führen, auch wenn es Differenzen gibt, die viele Menschen für unüberwindbar halten“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow.

Genf hat das schon erlebt, und zwar mehr als einmal: In den eisigsten Jahren des Kalten Krieges wurde es zu einem Schlupfloch im Eisernen Vorhang. Hier gibt es pro Quadratmeter sehr viel politische Geschichte. Einst gab es sogar den Euphemismus vom „Geist von Genf“. Das war die Möglichkeit, trotz der Blockdivergenzen die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu definieren. Doch hinter den schönen Worten steckte kein Ergebnis: Alle lächelten sich süß an, veranstalteten Dinnerpartys, fuhren wieder in ihre Länder und dann passierte bestenfalls nichts.

Die Geburt des „Genfer Geistes“ verdanken wir dem Treffen der Sieger des Zweiten Weltkrieges. Chruschtschow, Eisenhower, Eaton und Faure trafen sich im Juli 1955 in der Schweiz. Es gab die naive Hoffnung, dass die Erinnerung an die kämpfende Bruderschaft die Prozesse umkehren würde, die sich in der Teilung Deutschlands, der Bildung von feindlichen Militärblöcken und dem Koreakrieg manifestiert hatten. Es kam nichts dabei heraus.

Und 30 Jahre später, im November 1985, war es noch schlimmer. Es war die erste Verhandlung und das erste persönliche Kennenlernen von Gorbatschow und Reagan nach sechs Jahren des totalen Schweigens. Der sowjetische Generalsekretär folgte dem Rat seines Kollegen damals nicht. (Anm. d. Übers.: Reagan hatte damals zur Erheiterung der Journalisten – und Gorbatschows, der daneben stand – auf russisch gesagt „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Dem ist Gorbatschow nicht gefolgt, als er sich später von den USA hat über den Tisch ziehen lassen.)

Das endete mit NATO-Stützpunkten in der Nähe von Russlands Grenzen und anderen Auswirkungen, mit denen man sich auseinandersetzen musste. Aber natürlich ist Genf für Verhandlungen nicht schlechter als die Hauptstadt eines beliebigen neutralen Staates.

Zum Beispiel Helsinki, wo sich Wladimir Putin 2018 mit dem US-Präsidenten getroffen hat. Sein Gegenüber war damals Trump. „Ein guter Start“, verkündete der bei dem gemeinsamen Mittagessen. Sie einigten sich darauf, eine Arbeitsgruppe zum Thema Wirtschaft einzurichten, Konsultationen zur Cybersicherheit abzuhalten – übrigens in Genf – und Wladimir Putin überreichte seinem Kollegen einen WM-Ball.

Den Ball hat der Sicherheitsdienst genommen, statt Handel folgten Sanktionen gegen Nord Stream 2 und die Amerikaner verweigerten in letzter Minute Konsultationen. „Der Washingtoner Sumpf“ – so Trumps Formulierung – hat alles aufgesaugt. In diesem, für die USA selbst toxischen, Umfeld, war der Versuch, die Beziehungen zu Russland zu verbessern, keine rationale Politik, sondern der Vorwand für ein Impeachment.

Biden wird in Genf praktisch in Trumps Fußstapfen treten, denn wie Trump kommt er von den G7- und den NATO-Gipfeln und es besteht die Chance, dass auch er im gleichen Trott landet, wie sein Vorgänger.

„Die Arbeit ist im Gange, wir müssen nicht lange warten, ich denke, alles wird bald klar werden, und wir werden an einem positiven Ausgang des Gipfels interessiert sein. Aber wie man so schön sagt: Zum Tango gehören immer zwei, und wenn einer Breakdance tanzt, ist es wahrscheinlich noch schwieriger“, sagte Sergej Lawrow.

Wladimir Putin wird am Morgen des 16. Juni auf dem Gipfel erwartet. Die Schweizer Zeitungen berichten, dass Genf wieder im Zentrum der Weltpolitik steht und die Behörden bitten um Verständnis für die Einschränkungen, die im täglichen Ablauf des Stadtlebens vorgenommen werden müssen, obwohl es einen Ort geben wird, an dem das wahrscheinlich nicht bemerkt werden wird.

Im CERN, dem größten physikalischen Institut der Welt, lassen internationale Wissenschaftlerteams Teilchen in einem Beschleuniger kollidieren und schauen, was passiert. Hier wurde das berühmte Higgs-Boson entdeckt und das war ein Durchbruch im Verständnis der elementaren Struktur der Welt. Ob Putins Treffen mit Biden diesem Wissen etwas Neues hinzufügt, ist die Frage, aber es wird auf jeden Fall ein Massenzentrum schaffen. Hauptsache, es wird kein schwarzes Loch, um das sich die Weltpolitik für einige Zeit drehen wird.

Ende der Übersetzung

In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich direkt hier über den Verlag bestellbar.

Hier geht es zum neuen Buch

Werbung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Schreibe einen Kommentar