Spiegel: Ukrainischer Präsident will mit Putin über die Krim reden

Wenn deutsche Medien über den ukrainisch-russischen Konflikt berichten, dann sind die Berichte immer unvollständig. Daher will ich die Hintergründe der aktuellen Meldungen erklären.

Im Spiegel kann man heute lesen:

„Schon kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten der Ukraine betonte Wolodymyr Selenskyj, er sei bereit für einen Dialog mit Russland. Nun macht er ernst: In einer Videobotschaft fordert er Präsident Wladimir Putin zu einem Treffen in Minsk auf. „Und jetzt möchte ich mich an den russischen Präsidenten Wladimir Putin wenden. Müssen wir reden? Das ist nötig“, sagt er darin. „Lassen Sie uns darüber sprechen, zu wem die Krim gehört und wer nicht im Donbass ist.““

Was der Spiegel nicht berichtet, ist der große Skandal um die Worte „Wir müssen reden“, der heute die Meldungen in Russland und der Ukraine beherrscht. Daher kann der Spiegel-Leser gar nicht verstehen, was hinter diesen Worten Selenskys steckt.

In der Ukraine wurden nicht nur russische Medien weitgehend verboten, sondern auch Medien in russischer Sprache. Die Ukraine führt derzeit den versuch einer gewaltsamen Assimilierung ihrer Minderheiten durch und die größte Minderheit sind die ethnischen Russen. Den Minderheiten ist es inzwischen per Gesetz verboten, bei fast allen Anlässen ihre Sprache zu benutzen. Auch ein russischsprachiger Arzt muss gemäß Gesetz mit seinem russischsprachigen Patienten nun Ukrainisch sprechen, ansonsten drohen empfindliche Strafen. Zur Überwachung wurden Sprach-Inspektoren ernannt, die auch Dokumente einsehen dürfen, um zu prüfen, ob eine andere Sprache als Ukrainisch verwendet wurde.

Vor diesem Hintergrund war die Meldung des russischen Fernsehens vom Sonntag, es sei eine Live-Sendung mit einem ukrainischen Sender geplant, in der normale Menschen aus Russland und der Ukraine live im Fernsehen bei einer Schalte zwischen Kiew und Moskau direkt miteinander diskutieren sollten, eine wahre Sensation. Der Name der Sendung war: „Wir müssen reden“.

Es war zu erwarten, dass in Kiew die Reaktionen heftig ausfallen würden. Die radikalen Nationalisten in Kiew haben das Steuer fest in der Hand und für sie ist ein Dialog mit Russen etwas Ungeheuerliches.

Und so kam es auch. Der ukrainische Sender „News One“, der die Sendung machen wollte, bekam so massive Drohungen gegen den Sender, die Journalisten und die Mitarbeiter, dass der Sender schon einen Tag später, am heutigen Montag, die Sendung abgesagt hat. Der Generalstaatsanwalt der Ukraine nannte die Sendung heute einen „versuchten Hochverrat“ und leitete strafrechtliche Ermittlungen ein und der Parlamentspräsident der Ukraine sagte, man könne bis zum Sendetermin am 12. Juli, also in drei Tagen, auch noch ein Gesetz erlassen, dass diese Sendung verbieten würde. Ironischerweise kam der Vorschlag zum Verbot der Sendung von dem Parlamentsausschuss für Medienfreiheit.

So funktionieren Meinungs- und Pressefreiheit in der heutigen Ukraine, nur der Spiegel erzählt davon nichts.

Vor diesem Hintergrund muss man nun das Manöver von Präsident Selensky sehen. Er benutzte in seiner Videobotschaft auf Facebook genau diese Formulierung „Wir müssen reden“ und wollte damit von der Einschränkung der Pressefreiheit in der Ukraine ablenken und den Schwarzen Peter irgendwie nach Moskau weitergeben. Solche Manöver über soziale Netzwerke haben im Wahlkampf in der Ukraine funktioniert, als Selensky den damaligen Präsidenten Poroschenko damit vor sich hertreiben konnte und sogar gegen den Willen von Poroschenko eine Debatte der Kandidaten in einem Stadion erreichte.

Aber die internationale Politik funktioniert nicht so, wie der chaotische Wahlkampf in der Ukraine. Selensky lud über Facebook nicht etwa nur Putin zum Gespräch, sondern wollte ein Gespräch in großer Runde in Minsk. Auch Kanzlerin Merkel, Präsident Macron, Präsident Trump und Premierministerin May sollen dabei sein. Man fragt sich, ob man Selensky schon erzählt hat, dass May in den nächsten Tagen zurücktritt.

Aber ernsthaft: Die Ukraine ist aus Sicht des Westens nicht mehr so wichtig, dass Trump zu dem Treffen kommen würde, zumal er innenpolitisch für jedes noch so kurze Gespräch mit Putin mediale Prügel bezieht. Da wird er sich wegen der Ukraine kaum stundenlang mit Putin deswegen an einen Tisch setzen.

Außerdem lenkt Selensky mit diesem Manöver von einem wichtigen Punkt ab: Es gibt schon ein „Minsker Format“, das Normandie-Format, aus Russland, Deutschland, Frankreich und der Ukraine. Und da kommt das Abkommen von Minsk her, das die Ukraine bis heute nicht erfüllt und auch Selensky hat es trotz aller Wahlversprechen abgelehnt, die Verpflichtungen umzusetzen, die Kiew im Abkommen von Minsk vor über vier Jahren eingegangen ist.

Davon versucht Selensky, der sich im Parlamentswahlkampf befindet, abzulenken. Die Popularität seiner Partei in den wenigen Wochen, seit er im Amt ist in den Umfragen von 48% auf nun knapp über 40% gefallen. Seine Politik, allen alles zu versprechen, und dann weiter zu machen, wie Poroschenko zuvor, kommt offensichtlich nicht gut an. Da kommt ihm dieses Ablenkungsmanöver gerade recht.

Außerdem ist der Versuch, das Normandie-Format um Großbritannien und die USA zu erweitern, der offene Versuch, das Abkommen von Minsk endgültig zu begraben.

Im Spiegel finden sich in dem kurzen Artikel all diese Hintergründe nicht und so wird der Spiegel, sollte der Kreml die Videobotschaft von Facebook ignorieren, dies gegen Russland verwenden.

Dabei sollte Selensky langsam lernen, dass man internationale Politik nicht über Facebook, sondern über die diplomatischen Kanäle macht. Aber da hat er ja ein Problem: Das Außenministerium der Ukraine macht, was es will und arbeitet gegen ihn, wie man erst kürzlich bei der Frage der in Russland inhaftierten Seeleute sehen konnte.

Vielleicht sollte Selensky erst einmal in Kiew Ordnung schaffen, bevor er das Chaos von dort auf die internationale Bühne trägt.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

3 Antworten

  1. Es ist sehr erfreulich endlich mal mehr Fakten und Hintergrunddaten zu den (offiziellen) Schlagzeilen der Medien zu erhalten. Ich genieße es sehr. Und danke für die Übersetzungen. 🙂

  2. „Vielleicht sollte Selensky erst einmal in Kiew Ordnung schaffen, bevor er das Chaos von dort auf die internationale Bühne trägt.“ Thomas, über diesen Satz von dir musste ich erst mal spontan lachen, denn Selensky konnte bisher nicht vermitteln, dass er dazu in der Lage ist bzw. sein wird!
    Der musste doch jetzt erst einmal bei den Paten des Putsches und den eigentlich in der Ukraine Regierenden zum Rapport antreten, um sich dort sagen zu lassen, was er zu tun und zu lassen hat!
    Im Staatssender Deutschlandfunk wurde heute mit wichtiger Miene berichtet, dass Selensky Putin eingeladen hat, dass aber eben Merkel, Macron, Trump und May dabei sein sollen. Das sieht nach meiner Auffassung so aus, als ob man dort dem armen Selensky gegen den übermächtigen, aggressiven Putin beistehen muss, damit die bedauernswerte Ukraine nicht von Putin überrollt wird! Die USA werden statt Trump, der sich mit Putin besser verstehen dürfte, als mit dem Würstchen Selensky, Pompeo oder jemanden von ähnlich üblem Kaliber schicken. Es steht außer Frage, dass in einer solchen Runde natürlich nichts Konstruktives herauskommen kann und dann wird man im Westen wieder Putin verantwortlich machen können!

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