Das russische Fernsehen über den Fall Sarkozy und die kommenden Wahlen in Frankreich

Derzeit macht in Deutschland die Verurteilung des ehemaligen französischen Präsidenten Sarkozy wegen Korruption Schlagzeilen. In Russland klingen die Berichte darüber allerdings anders als in Deutschland.

In Frankreich sind Wahlen in den letzten Jahren immer sehr interessant gewesen. Sei es die Fall Dominique Strauss-Kahn, als die USA einen vielversprechenden Präsidentschaftskandidaten mit Vergewaltigungsvorwürfen aus dem Rennen genommen haben, oder sei es die Wahl von Macron, als ein politischer Niemand plötzlich aus dem Nichts eine Partei gegründet, aus dem Stand die Wahlen gewonnen und damit in letzter Minute einen Wahlsieg von Le Pen verhindert hat. Vor Präsidentschaftswahlen ist Frankreich in letzter Zeit ein Land, in dem Zeichen und Wunder geschehen.

Demnächst stehen wieder Präsidentschaftswahlen an und die Popularität von Macron war schon nach den Protesten der Gelbwesten auf einen Tiefpunkt. Die in Frankreich starke (gemäßigte) Rechte hat nun durch das Urteil gegen Sarkozy einen herben Schlag erhalten. Man darf gespannt sein, wer in Frankreich dieses Mal als Präsidentschaftskandidaten antritt und wie die Wahl ausgeht.

Das russische Fernsehen hat diese Überlegungen in seinem Beitrag berücksichtigt und ist vor allem auch auf den bisher nicht wirklich untersuchten Korruptionsskandal von Sarkozy eingegangen, bei dem es darum geht, dass ausgerechnet der libysche Führer Gaddafi seinerzeit Sarkozys Wahlkampf mit 50 Millionen Euro illegal unterstützt haben soll. Zum Dank hat Sarkozy Gaddafi dann weggebombt.

Da man solche Einschätzungen im deutschen Fernsehen wohl nicht zu hören bekommt, habe ich den Bericht von der russischen Europa-Korrespondentin Anastasia Popova aus der Sendung „Nachrichten der Woche“ vom Sonntag übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Ein französisches Gericht hat den ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu drei Jahren Haft verurteilt. Davon werden zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, ein Jahr ist eine Haftstrafe, die aber als Hausarrest abgesessen werden kann. Der Grund für das Urteil war ein relativ kleiner Fall in Sarkozys Biographie, der sogenannte Abhörfall, als er angeblich versuchte, einen Richter zu bestechen, um Informationen über eine weitere Untersuchung gegen sich selbst zu erhalten.

Sarkozy beweist im Fernsehen auf spektakuläre Weise die Bedeutungslosigkeit der Anschuldigungen. Und Beobachter stellen fest, dass die wirklichen Schritte des französischen Präsidenten Sarkozy, nämlich die blutige Aggression gegen Libyen, die einerseits den Staat als solchen zerstört, und andererseits riesige Flüchtlingsströme nach Europa provoziert hat, die bis heute endlos und unter großen menschlichen Opfern in die Europäische Union ziehen, noch keine rechtliche Bewertung gefunden haben.

Bei der Verkündung des Urteils besetzte die Presse die halbe Etage. Es gab keine Aufregung – jeder wusste schon, dass Nicolas Sarkozy Journalisten meidet, also kam er durch einen separaten Eingang, begleitet von Anwälten und Polizisten, die die Presse nicht in seine Nähe gelassen haben. Während sie auf das Urteil warteten, fragten sich die Wartenden, wie das Urteil ausfallen würde. Drei Jahre Haft „für die Absicht, seine Macht zu missbrauchen“ überraschten sogar die Experten.

„Es ist auch so schon schwer, als Präsident vor Gericht und der Presse zu stehen, aber wir haben ein Urteil, und die Fakten sind wie sie sind, ich denke, das Urteil ist gerechtfertigt“, sagte Anwalt Frederic Canua.

Die französische Rechte hat ihren Bonaparte verloren, seine Ehre wurde befleckt, aber seine Josephine hat er nicht verloren. Carla Bruni postete nach dem Prozess ein rührendes Foto in sozialen Medien und schrieb zärtliche Worte.

Sarkozy auf bekam zwei Jahre auf Bewährung und ein weiteres, das er zu Hause absitzen kann, fast eine Art einjährige Selbstisolation, nur mit einer elektronischen Fußfessel. Aber Sarkozy gehört mit seiner zornigen Energie nicht zu denen, die still die Hände in den Schoß legen. Am Tag nach dem Prozess hat er beschlossen, den Franzosen vom medialen Podium aus zu sagen, dass es keine Beweise für eine Schuld gebe.

„In dem Korruptionsfall, das ist ein starkes Wort, geht es um keinen einzigen Cent, niemand hat davon profitiert, es gibt keine Opfer, keine Störung der öffentlichen Ordnung“, erklärte Sarkozy.

Sarkozys Gegner nannten das Urteil den „libyschen Fluch“. Die Geschichte der möglichen Finanzierung des Wahlkampfes 2007 mit Geld von Muammar al-Gaddafi wurde zum Grund für die Abhöraktionen, die zu diesem Fall geführt haben. Die Ermittler hatten den Verdacht und Hinweise darauf, dass der libysche Führer dem künftigen Präsidenten Frankreichs rund 50 Millionen Euro gegeben hat, was Sarkozy jedoch 2011 nicht daran hinderte, sich aktiv am Sturz des Obersts, seiner Ermordung und der Zerstörung der libyschen Staatlichkeit zu beteiligen.

Die Ermittlungen zu der möglichen Finanzierung laufen noch, obwohl der Hauptzeuge, der libanesische Bankier Siyad Takeddin, der seit langem behauptet, er habe persönlich das Bargeld von Libyen nach Frankreich gebracht, seine Worte im vergangenen Jahr unerwartet zurückgezogen hat.

Im Jahr 2013 beschloss die Staatsanwaltschaft, ein Abhörprogramm auf den Telefonen des ehemaligen Staatsoberhauptes zu installieren. Bei der Gelegenheit entdeckte sie zufällig eine weitere geheime SIM-Karte, die auf eine fiktive Person ausgestellt war und über die sprach er mit der Anwältin Teri Erzog über andere Gerichtsverfahren, von denen sich zu dieser Zeit mehrere angehäuft hatten. In einem von ihnen versuchte Sarkozy, vertrauliche Informationen zu erhalten. Im Gegenzug versprach er Richter Gilbert Aziber Hilfe bei der Versetzung auf eine prestigeträchtige Position in Monaco.

Stattdessen sitzen der Richter und sein Anwalt nun auf der Anklagebank, beide wurde ebenfalls der Korruptionsverschwörung für schuldig befunden.

Journalisten fragten Sarkozy, ob das vielleicht die Rache der Richter dafür ist, dass er sie als Staatsoberhaupt als „kleine Erbsen“ bezeichnet hat? Oder dafür, dass er die Institution des Untersuchungsrichters abschaffen wollte, ein Relikt der französischen Strafjustiz, das von Napoleon Bonaparte eingeführt wurde? Die Besonderheit dieser Richter liegt in ihren äußerst weitreichenden Befugnissen, Beweise zu sammeln und die Freiheit des Beklagten einzuschränken. Honoré de Balzac hat über sie im 19. Jahrhundert geschrieben: „Sie sind die einflussreichsten Menschen im Land und sie sind niemandem untergeordnet.“ Sarkozy wollte sie dem Justizministerium unterwerfen, musste aber zurückrudern.

In der Presse hörte man Vermutungen, dass das Urteil ein politisches ist. Nicolas Sarkozy ist damit nicht einverstanden.

Die Entscheidung des Gerichts ist wie eine Bombe, die in die Reihen der Rechten geworfen wurde. Viele von ihnen haben erwartet, dass Sarkozy, der sich aus der Politik zurückgezogen hatte, bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr wieder an der Spitze stehen würde. Doch nun ist sein Ruf schwer beschädigt und ein weiterer Prozess über die Finanzierung des Wahlkampfes 2012 steht an. Ihm droht ein weiteres Jahr Gefängnis.

Sarkozy bedankte sich bei seinen Anhängern der von ihm gegründeten Republikanischen Partei, aber mit Blick auf die Wahl sagte er: „Der Staatsanwalt sagte ironisch, er habe mir meine Bürgerrechte gelassen. Ich darf Wählen gehen. Dafür vielen Dank. Ich habe lange vor dem Prozess entschieden, nicht für das Amt zu kandidieren, ich bestätige Ihnen, dass ich keine Lust habe, in die Politik zurückzukehren. Ich habe diese Seite geschlossen.“

Die Geschichte erinnert sich jedoch daran, wie Sarkozy seine Meinung je nach politischer Windrichtung geändert hat. Er begann seine Karriere 1976 und trat der von Jacques Chirac gegründeten Partei bei. Der junge Mann kam schnell in den Familienkreis des Politikers und verbrachte viel Zeit mit dessen Tochter Claude, Gerüchte sprachen sogar von einer Affäre. Doch 1995 wechselte Sarkozy bei den Präsidentschaftswahlen zu Chiracs Rivalen – er wurde Eduard Balladurs Pressesprecher – und verlor. Chirac hielt das für Verrat, hat ihm dann aber vergeben. Und 2011 saß Chirac auf der Anklagebank als Sarkozy bereits auf dem Präsidentenstuhl saß, weil er fiktive Arbeitsplätze geschaffen hatte. Der ehemalige Staatschef Chirac war der erste Präsident in der Geschichte des Landes, der zwei Jahre auf Bewährung bekommen hat. Nun wurde mit Sarkozy selbst erstmals einer zu einer echten Haftstrafe verurteilt.

Die Rechten bezweifeln, dass diese harte Bestrafung gerechtfertigt ist. Die Republikaner deuten an, dass die Struktur eines anderen rechten Präsidentschaftskandidaten dahinter steckt, Francois Fillon. Der Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder hat seinerzeit die Beliebtheitswerte eines potenziellen Führers bei den Wahlen im Jahr 2017 zu Fall gebracht. Vor einem Jahr gab die Staatsanwältin, die den Fall leitete, zu, dass sie unter Druck gesetzt wurde.

„Ich wurde zur Generalstaatsanwaltschaft geladen, weil ihr das von mir gewählte Verfahren nicht gepasst hat. Ich wurde überredet, es zu ändern. Das war sehr strenge Kontrolle und sehr großer Druck“, erinnerte sich die Staatsanwältin.

Sarkozys Urteil hat die politische Landschaft 13 Monate vor den Wahlen stark verändert. Macrons Partei versucht, die desillusionierte republikanische Wählerschaft, um die der rechte Ex-Premier Edouard Philippe kämpft, für ihre Seite zu ziehen. Um die kämpft jetzt auch Marine Le Pen.

Sie drückte Unterstützung für Sarkozy aus und veränderte gleichzeitig ihr Wahlprogramm stark in Richtung Mäßigung. Sie fordert keinen Austritt Frankreichs aus dem Schengen Abkommen mehr, sie befürwortet nun die Freizügigkeit der Europäer innerhalb der EU und die Rückzahlung internationaler Kredite. Auf wessen Seite die Waagschale sinken wird, wird in vielerlei Hinsicht davon abhängen, wen Nicolas Sarkozy selbst am Ende vorziehen wird.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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