"Scholz hat es nicht verstanden"

Der russische Außenminister Lawrow im O-Ton über die internationale Politik

Der russische Außenminister Lawrow ist auf einer Konferenz aufgetreten und hat in einer Rede und einer Fragerunde die russische Position zu fast allen Themen der internationalen Politik erläutert.

Zuerst wollte ich nur Teile der anderthalbstündigen Diskussion übersetzen und in mehreren Artikeln veröffentlichen, an der der russische Außenminister Lawrow teilgenommen hat. Aber ich fand jede seiner Aussagen so interessant, dass ich am Ende alles übersetzt habe und hier in einem einzigen Artikel veröffentliche, auch wenn der natürlich sehr lang geworden ist. Ich habe, um es etwas übersichtlicher zu machen, einige Zwischenüberschriften eingefügt.

Die Lektüre lohnt sich, denn in seiner Rede zu Anfang erklärt Lawrow noch einmal ausführlich die russische Position zu den aktuellen Themen der internationalen Politik. Auch die Fragen und Antworten danach sind sehr interessant, denn Lawrow hat viele bemerkenswerte Aussagen gemacht. So erfahren wir in einem Nebensatz, wie er Bundeskanzler Scholz und Vizekanzler Habeck einschätzt (er hält sie offensichtlich für dumm), wir erfahren, dass Russland es sich sehr genau überlegen wird, ob es später, wenn die EU „angekrochen kommt“, noch einmal Beziehungen mit der EU aufnimmt. Und wir erfahren, was Russland von dem westlichen System der NGOs hält, also von den Stiftungen der US-Oligarchen wie Gates, Rockefeller oder dem Weltwirtschaftsforum.

Aber auch viele andere Themen, wie Indien, China, die arabische Welt und so weiter wurden angesprochen. Daher habe ich beschlossen, alles zu übersetzen, weil diese Informationen für den politisch interessierten Leser wertvolles Hintergrundwissen darstellen, das man sonst auf Deutsch nicht findet.

Beginn der Übersetzung:

Ich sehe viele Freunde in diesem Saal. Die Tradition wird fortgesetzt. Die „Primakow-Lesungen“ erfreuen sich von Jahr zu Jahr wachsender Beliebtheit. Das zeigt die Erinnerung an unseren Lehrer Evgeny Primakow und die aktive Arbeit des Primakow-Instituts, um sein Erbe fortzuführen und die von ihm geförderten Prinzipien in den internationalen Beziehungen weiterzuentwickeln, die heute mehr denn je gefragt sind.

Wir brauchen heute gemeinsame intellektuelle Arbeit. Wir erinnern uns, dass es Primakow war, der Situationsanalysen initiierte, die bei Vertretern der Wissenschaft und NGOs sehr beliebt waren. Im Zuge dieser Analysen wurden tatsächlich viele Vorschläge entwickelt, die dann in unserer praktischen Diplomatie umgesetzt wurden.

Die Ereignisse in der Welt entwickeln sich heute dynamisch. Das so zu sagen, hieße, nichts zu sagen. Viele der einstigen „Konstanten der internationalen Beziehungen“ werden auf ihre Beständigkeit und ihre Übereinstimmung mit den neuen Realitäten geprüft. Darunter die wichtigsten Tendenzen bei der Herausbildung einer multipolaren Weltordnung. Der Prozess ist komplex und allumfassend. Er hat nicht erst gestern begonnen und wird, selbst nach historischen Maßstäben, viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Konturen einer polyzentrischen Architektur sind bereits umrissen.

Wir haben schon oft von neuen Zentren der Weltentwicklung gesprochen , vor allem in Asien und Eurasien, von der wachsenden Unabhängigkeit und dem Selbstbewusstsein vieler Entwicklungsländer, von ihrer Weigerung, den ehemaligen Kolonialmächten blind zu folgen, die allmählich, aber objektiv, ihre Macht und damit ihren Einfluss verlieren. All das, worüber Primakow vor vielen Jahren klugerweise geschrieben und gesprochen hat, wird vor unseren Augen wahr.

Multipolare Systeme sind kein neues Phänomen, wenn wir in der Geschichte zurückgehen. Es gab sie in der einen oder anderen Form schon früher, zum Beispiel in der Zeit des „Konzerts der europäischen Mächte“ im 19. oder zwischen den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Es ist klar, dass es damals nicht so viele unabhängige Akteure in der Welt gab wie heute. Daher bildete sich das, was man als Grundzüge der Multipolarität bezeichnen kann, in einem viel engeren Kreis heraus als der Zahl der souveränen Staaten heute. Nach dem Großen Sieg legten die Gründerväter der UNO den Grundstein für die Multipolarität. Zu den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats gehörten die fünf mächtigsten Staaten. Damit wurde das 1945 geschaffene Gleichgewicht der Kräfte und Interessen wiederhergestellt. Neben der besonderen Stellung der „Fünf“ legte die UN-Charta den Grundsatz der Gleichberechtigung aller großen und kleinen Staaten ohne Ausnahme fest, ungeachtet ihrer Eigenheiten und Besonderheiten und der Geschichte ihrer Entwicklung. Heute ist dies das wichtigste Prinzip, auf dem die universelle Multipolarität aufgebaut wird. Die UNO hat ihre Hauptaufgabe erfüllt – sie hat einen neuen Weltkrieg verhindert, aber die hehre Idee der universellen Zusammenarbeit, der Gleichheit und des Wohlstands war nicht dazu bestimmt, Wirklichkeit zu werden. Die Logik des Kalten Krieges trieb die Welt schnell in die Spaltung in gegensätzliche Lager und deren Kampf gegeneinander.

Der grundlegende Unterschied der aktuellen „Ausgabe“ der Multipolarität besteht darin, dass sie die Chance hat, eine wirklich planetarische Dimension zu erlangen, die auf dem Grundprinzip der UN-Charta über die souveräne Gleichheit der Staaten beruht. Früher wurden global bedeutsame Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Staaten getroffen, wobei die Stimme der westlichen Gemeinschaft aus offensichtlichen Gründen überwogen hat. Heute sind neue Akteure aus dem globalen Süden und Osten in den Vordergrund der Weltpolitik getreten. Ihre Zahl wächst. Wir bezeichnen sie zu Recht als die Weltmehrheit. Sie stärken ihre Souveränität, nicht mit Worten, sondern mit Taten, indem sie drängende Probleme angehen, ihre Unabhängigkeit demonstrieren und ihre nationalen Interessen und nicht die Launen anderer in den Mittelpunkt stellen. Um diesen Punkt zu veranschaulichen, sagte mein indischer Kollege, Außenminister Jaishankar, dass die Welt viel mehr ist als Europa. Es ist klar, dass diese Aussage bedeutet, dass die Welt viel größer ist als der Westen. Russland hat sich stets für die Demokratisierung der zwischenstaatlichen Kommunikation und eine gerechtere Verteilung der globalen Vorteile eingesetzt.

Man braucht nicht weit zu gehen, um Beispiele dafür zu finden, wie sich die Multipolarität heute manifestiert, insbesondere im Zusammenhang mit regionalen Krisen. Sie ermutigt Länder aus verschiedenen Regionen, Solidarität zu zeigen. Der derzeitige Ausbruch des palästinensisch-israelischen Konflikts ist zu einem Katalysator für diese Solidarität und das gemeinsame Vorgehen der arabisch-muslimischen Welt geworden. Erst letzte Woche, am 21. November dieses Jahres, besuchte eine Delegation des Liga der Arabischen Staaten und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit auf der Ebene der Außenminister die Hauptstädte der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, darunter auch Moskau.

Bei unserem Treffen wurde die Notwendigkeit einer baldigen und gerechten Lösung auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung bekräftigt. Dies war das wichtigste Signal, das diese gemeinsame Delegation der Liga der Arabischen Staaten und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit an die Hauptstädte der Fünf und an andere Hauptstädte von UN-Mitgliedsstaaten gesandt hat.

Generell herrscht im Nahen Osten wie auch in Afrika, Transkaukasien, Zentralasien und Eurasien ein wachsender Konsens zugunsten der Formel: „Regionale Probleme – regionale Lösungen“. Von externen Akteuren wird erwartet, dass sie die Länder der jeweiligen Region in jeder erdenklichen Weise unterstützen, anstatt ihnen Rezepte von außen aufzudrängen. Wenn man nützlich sein will, sollte man die Ansätze unterstützen, die in der Region entwickelt werden, wo die betroffenen Länder die Möglichkeiten zur Überwindung bestimmter Widersprüche viel besser sehen als von jenseits des Ozeans.

Ich wiederhole es noch einmal: Die geopolitischen Ambitionen der neuen Akteure der Welt werden durch ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten unterstützt. Wie der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, auf dem außerordentlichen G20-Gipfel am 22. November dieses Jahres feststellte, „verlagert sich ein erheblicher Teil der weltweiten Investitionen, des Handels und der Konsumtätigkeit in die asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Regionen, in denen der größte Teil der Weltbevölkerung lebt“. Seit 2014 ist China – gemessen an der Kaufkraftparität – die größte Volkswirtschaft der Welt. Das gemeinsame BIP der BRICS-Länder übersteigt seit letztem Jahr auch in Kaufkraftparitäten das der G7. Und mit der Aufnahme neuer Mitglieder in die BRICS, die ab dem 1. Januar 2024 Vollmitglieder dieser Vereinigung werden, wird sich dieser Vorsprung gegenüber der G7 noch erheblich vergrößern.

Ende 2022 ist Russland trotz der Sanktionen, vielleicht auch dank ihnen, nach demselben Indikator auf den fünften Platz in der Welt aufgestiegen und hat Deutschland überholt.

Dass sich die Welt verändert, zeigt sich in der multilateralen Diplomatie. Einer der eindrucksvollsten Beweise ist die BRICS-Zusammenarbeit. In ihrem Rahmen bauen Länder, die verschiedene Zivilisationen, Religionen und Makroregionen repräsentieren, effektiv Beziehungen in verschiedenen Bereichen auf, von Politik und Sicherheit bis hin zu Wirtschaft, Finanzen, Gesundheitswesen, Sport und Kultur. Dies geschieht nach den Grundsätzen der Gleichheit, des gegenseitigen Respekts und der Schaffung eines Interessenausgleichs durch Konsens. Niemand zwingt irgendjemandem etwas auf, niemand erpresst irgendjemanden, niemand stellt irgendjemanden vor die Wahl: „entweder wir oder sie“, „entweder mit uns oder gegen uns“.

Es ist nicht verwunderlich, dass Dutzende von Staaten eine Annäherung an die BRICS anstreben. Der Gipfel von Johannesburg war der erste Schritt auf diesem Weg. Die Zahl der BRICS-Länder hat sich fast verdoppelt. Ein paar Dutzend weitere Staaten haben ähnliche Anträge gestellt oder wollen besondere, privilegierte Beziehungen zu dieser Struktur aufbauen. Nächstes Jahr wird Russland den Vorsitz der Vereinigung übernehmen. Wir werden unser Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass die BRICS ihre Position auf der internationalen Bühne stärken und weiterhin eine immer wichtigere Rolle bei der Gestaltung einer gerechten Weltordnung spielen.

Die Positionen der BRICS-Mitglieder und ihrer Partner in den G20 werden immer stärker. Die jüngsten Gipfeltreffen dieser Gruppe haben die Entschlossenheit der Länder, die die Mehrheit der Welt stellen, bestätigt, nicht zuzulassen, dass der Westen dieses Forum zu etwas anderem als einem Ort der Betrachtung globaler Finanz- und Wirtschaftsprobleme macht. Im gemeinsamen Interesse, die engstirnigen geopolitischen Pläne der USA und ihrer Verbündeten zu fördern, haben Washington, Brüssel und andere westliche Hauptstädte auf dem letzten G20-Gipfel versucht, die Tagesordnung vollständig zu ukrainisieren. Dasselbe versuchten sie auf dem G20-Gipfel in Indien. Das ist nicht gelungen. Der Gipfel konzentrierte sich auf die Themen, für die die G20 ursprünglich ins Leben gerufen wurde: globale Wirtschafts- und Finanzfragen, die bei den angenommenen Beschlüssen dominierten.

Auch die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit setzt sich für Multipolarität ein. Sie soll eine verbindende Rolle bei der Bildung einer größeren eurasischen Partnerschaft spielen, die auf die Harmonisierung verschiedener Integrationsprojekte auf dem Kontinent abzielt und allen Staaten und Organisationen offensteht, die sich hier auf unserem gemeinsamen Kontinent befinden, einschließlich der Eurasischen Wirtschaftsunion, ASEAN und anderen. Diese Philosophie wurde von Präsident Putin im Jahr 2015 auf dem ersten Russland-ASEAN-Gipfel dargelegt. Sie wird zunehmend anerkannt. Wie bei den BRICS gibt es auch bei der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit eine ganze „Schlange“ von Ländern, die entweder Vollmitglieder werden oder einen Beobachter- oder Partnerstatus erhalten möchten.

Westliche Politiker beginnen, wenn auch widerstrebend, diese neue Realität anzuerkennen und zu erkennen, dass die Unipolarität Vergangenheit ist. Ende August dieses Jahres sagte der französische Präsident Macron auf dem jährlichen Treffen der französischen Botschafter, dass sich das geopolitische Kräfteverhältnis nicht zu Gunsten des Westens verändert. Und er stellte das als eine Gefahr dar. Das heißt, die Expansion des aggressiven NATO-Blocks ist eine „gute Sache“, während die Expansion des friedlichen BRICS-Bündnisses eine „Bedrohung“ darstellt.

Es ist klar, dass diese Mentalität tief verwurzelt ist. Man kann diese Instinkte nicht von heute auf morgen loswerden. Wir sehen, dass der Westen sein Bestes gibt, um die Reste seiner Vorherrschaft zu bewahren, indem er zu offen neokolonialen Methoden greift, die bei der Weltmehrheit Ablehnung hervorrufen. Das Ziel des Westens ist einfach und zynisch zugleich: Er will weiterhin den Rahm der Weltpolitik, der Wirtschaft und des Handels abschöpfen, um seinen eigenen Wohlstand auf Kosten anderer zu sichern. Russland ist, wie die große Mehrheit der anderen Länder, nicht dazu bereit und wird sich nicht mit diesen Plänen abfinden.

Die USA und ihre europäischen Verbündeten nutzen eine breite Palette von geopolitischen Instrumenten für ihre eigenen Zwecke. Dazu gehören das Provozieren von Konflikten – das sehen wir überall an den Grenzen Russlands -, die Durchführung von Informations- und psychologischen Operationen und die Entfesselung von Handels- und Wirtschaftskriegen. Der Westen hat die Tätigkeit der WTO und vor allem ihrer Gremien zur Beilegung von Streit blockiert. So grundlegende Rechtsgrundlagen der Weltwirtschaftsbeziehungen wie der freie Wettbewerb und die Unverletzlichkeit des Eigentums wurden zerstört. Der Dollar wird seit langem als Waffe eingesetzt, die wirtschaftliche Verflechtung wird zur Waffe.

Die zerstörerischen Aktionen der westlichen Minderheit bewirken im Großen und Ganzen das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war, da sie den Aufbau zugunsten der Stärkung der multipolaren Prinzipien des internationalen Lebens fördern. Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass niemand vor den aggressiven Aktionen Washingtons und Brüssels sicher ist.

Nicht nur Russland, sondern auch viele andere Staaten reduzieren konsequent ihre Abhängigkeit von westlichen Währungen, gehen zu alternativen Mechanismen für außenwirtschaftliche Abrechnungen über und arbeiten an der Bildung neuer internationaler Transportkorridore und Lieferketten.

Das unausgewogene und ungerechte Modell der Globalisierung, bei dem die „goldene Milliarde“ den größten Nutzen hatte, gehört der Vergangenheit an. Praktische Aufgaben der Demokratisierung der Weltwirtschaftsordnung werden von den Teilnehmern des Forums der Unterstützer des Kampfes gegen moderne Formen des Neokolonialismus erörtert. Es wird von der Partei „Einiges Russland“ vorbereitet und ist für Anfang 2024 geplant.

Das ist nur eine der Initiativen, die unser Land fördern wird, um die Bestimmungen des Konzepts der Außenpolitik der Russischen Föderation weiterzuentwickeln, das im März dieses Jahres grundlegend aktualisiert wurde, um den veränderten geopolitischen Realitäten Rechnung zu tragen. Die entstehende polyzentrische Architektur muss integrativ, kooperativ und nicht antagonistisch sein. Sie sollte eine gefährliche Konfrontation zwischen den Zentren der Welt und Streit zwischen ihnen verhindern.

Es liegt im gemeinsamen Interesse, zu versuchen, ein globales „Konzept“ zu schaffen, das auf allgemein anerkannten Grundsätzen und Normen des Völkerrechts beruht und die kulturelle und zivilisatorische Vielfalt der modernen Welt sowie das Recht der Völker, ihre eigenen Entwicklungswege zu bestimmen, respektiert.

Diese Arbeit muss nicht von Grund auf neu geleistet werden. Es gibt eine Grundlage für einen gerechten und dauerhaften Frieden, und das ist die Charta der Vereinten Nationen. Ihre Bestimmungen sollten nicht selektiv umgesetzt werden, wie es unsere Kollegen im Westen tun, die versuchen, aus den Grundsätzen der Charta das herauszuholen, was ihnen gerade genehm ist, sondern sie sollten in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenspiel genutzt werden. Natürlich muss man die UNO sorgfältig an die modernen Realitäten anpassen. Das betrifft in erster Linie die Reform des Sicherheitsrates. Es ist wichtig, sich mit den historischen Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen, die sich seit dem Ende des Entkolonialisierungsprozesses und dem Entstehen vieler Dutzender neuer, junger und moderner Staaten manifestiert haben. Diese Realitäten müssen sich in der zahlenmäßigen Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates widerspiegeln. Es liegt auf der Hand, dass die neuen Mitglieder nur aus den Entwicklungsregionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas kommen können. Sie müssen in ihren eigenen Teilen der Welt und in Organisationen mit globaler Reichweite wie der Bewegung der Blockfreien und der G77 glaubwürdig sein.

Internationale Strukturen neuen Typs, in denen alle Fragen auf der Grundlage eines Interessenausgleichs und eines Konsenses gelöst werden, werden zu einer wichtigen Hilfe für die Multipolarität. Neben der BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der Eurasischen Wirtschaftsunion, die ich bereits erwähnt habe, gehören dazu auch die OVKS, die GUS, die ASEAN, die Afrikanische Union und die CELAC, der Golf-Kooperationsrat, die Liga der Arabischen Staaten und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit.

Leider kann ich nicht optimistisch sein, was das Schicksal der von den USA und ihren Verbündeten beherrschten Verbände angeht: die NATO, die EU, und jetzt der Europarat und die OSZE. Die beiden letztgenannten Organisationen waren ursprünglich als Plattformen für einen breiten, von gegenseitigem Respekt getragenen gesamteuropäischen Dialog gedacht. Das Ergebnis ist, dass sie zwanghaft zu Anhängseln der EU und der NATO werden, zu reinen Randstrukturen, die der Westen – in der schlimmsten Form des Wortes – im Interesse seiner eigenen egoistischen Politik zu benutzen versucht.

Noch kann man versuchen, die OSZE zu retten, aber ich will ehrlich sein – die Chancen sind gering.

In seiner Rede auf der Jahrestagung des Valdai-Clubs am 5. Oktober dieses Jahres nannte Präsident Wladimir Putin die wichtigsten Grundsätze, auf denen eine gerechtere und demokratischere Weltordnung beruhen sollte. Diese sind Offenheit und Vernetzung der Welt, ohne Kommunikationsbarrieren; Achtung der Vielfalt als Grundlage für eine gemeinsame Entwicklung; größtmögliche Repräsentativität in den globalen Governance-Strukturen; universelle Sicherheit auf der Grundlage eines Interessenausgleichs; fairer Zugang zu den Vorteilen der Entwicklung; gleiche Rechte für alle unter Ablehnung des Diktats der Reichen oder Mächtigen. Ich zweifle nicht daran, dass diese Ansätze jedem vernünftigen Menschen, der sich mit internationalen Fragen beschäftigt oder daran interessiert ist, nahe liegen und verständlich sind.

Auf der Grundlage dieses Verständnisses von Multipolarität werden wir weiterhin für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen, dafür, dass die Stimme aller Länder berücksichtigt wird, unabhängig von ihrer Größe, ihrer staatlichen Struktur oder ihrem wirtschaftlichen Entwicklungsstand. Also genau so, wie es die UN-Charta seit 1945 vorschreibt. Lassen Sie uns die Schritte mit unseren Verbündeten und Partnern im globalen Süden und Osten weiterhin so eng wie möglich abstimmen. Wir wollen den nüchtern denkenden Akteuren im „historischen Westen“ nicht die Tür, das Fenster oder das Ventil schließen – der russische Präsident Wladimir Putin hat dieses Thema kürzlich angesprochen -, wenn sie die von Primakow vorhergesehenen Realitäten und Herausforderungen der objektiven Prozesse der Multipolarität erkennen.

Im diplomatischen Bereich werden wir weiterhin besonders darauf achten, dass alle Grundsätze der UN-Charta einheitlich ausgelegt und in der Praxis angewendet werden. Das ist ein wesentliches Element unseres Kurses.

Wir werden weiter daran arbeiten, die Mitgliedschaft in einer so vielversprechenden Vereinigung wie der in New York ansässigen Group of Friends in Defence of the UN Charter zu erweitern. Das war eine Initiative von Venezuela. Zwanzig Staaten sind Mitglieder dieser Gruppe. Es gibt weitere, die ihr beitreten wollen.

Wir werden auch konsequent daran arbeiten, andere Strukturen zu stärken, die zur Demokratisierung der internationalen Beziehungen beitragen. Zu diesem Zweck werden wir immer offen sein für einen ehrlichen und ernsthaften Dialog mit all jenen, die ihre nationalen Interessen schätzen und gegenseitige Bereitschaft zeigen.

Neuer Kalter Krieg, oder hybrider Krieg?

Frage: Jedes System der internationalen Beziehungen – Versailles, Jalta-Potsdam – ist nach einem großen Krieg entstanden, das unipolare ist nach dem Kalten Krieg entstanden. Ist es möglich, eine zukünftige Weltordnung ohne tragische Ereignisse zu erschaffen?

Lawrow: Inwiefern ist die derzeitige Situation besser und sicherer als die Zeit des Kalten Krieges?

Frage: Wollen Sie damit sagen, dass wir in einem zweiten Kalten Krieg leben?

Lawrow: Man muss es anders nennen. Während des Kalten Krieges gab es Kontrollen und Gleichgewichte. Die beiden Großmächte und Lager – USA und Sowjetunion, NATO und Warschauer Pakt – waren entschlossen, die Rivalität im politischen und diplomatischen Rahmen zu halten. Damals wurde ein Dialog über Rüstungskontrolle ins Leben gerufen und er entwickelte sich recht schnell, und es wurden konkrete praktische Ergebnisse erzielt. Das sorgte für Ruhe. Zumindest gab es weder in den USA, noch in der Sowjetunion, noch in den Ländern des sozialistischen Lagers, der NATO und der EU alarmierende Einschätzungen der Geschehnisse oder ernsthafte Ängste um ihre physische Zukunft.

Jetzt sind solche Befürchtungen allgegenwärtig und kommen in den Reden vieler Politiker, NGOs und auf Demonstrationen zum Ausdruck. Dies ist eine andere Situation. Sie ist nicht nur deshalb anders, weil der US-geführte Westen beschlossen hat, uns einen hybriden Krieg im wahrsten Sinne des Wortes zu erklären. Hören Sie, was sie sagen, wenn sie in ihren Reden auf die Situation rund um die Ukraine eingehen.

Das Land wird als Werkzeug „geschärft“, um uns eine „strategische Niederlage“ beizubringen. Das ist das erklärte Ziel. Sie machen den Wählern Angst, indem sie sagen, dass dies erst der Anfang ist. Russland hat noch mehr gierige Gelüste. Mit den Balten, Polen und anderen „Dirigenten“ der amerikanischen Politik in Europa ist alles klar, auch im Interesse der Schwächung der EU. Aber Pentagonchef Austin hat mehrmals, auch vor kurzem, bei Anhörungen im Kongress gesagt, dass, wenn der Westen die Ukraine nicht unterstützt, Russland gewinnen wird und nicht aufhören wird. Angeblich werden die nächsten Ziele die baltischen Staaten, Polen und unsere anderen Nachbarn sein.

Das sagt eine Person, die eine verantwortungsvolle Position innehat. Er kann nicht umhin, die Einschätzungen von Experten zu hören, darunter auch von Pentagon-Spezialisten, die den Stand der Dinge zwischen Moskau und Washington analysieren. Sie verstehen sicherlich, was genau in der Ukraine entschieden wird und dass Russland keine Angriffs- oder Eroberungspläne hat, hatte und haben kann.

Auf die Gründe für die Militäroperation möchte ich nicht näher eingehen. Der Hauptgrund ist, dass das neonazistische Regime, das seine Wurzeln im verfassungsfeindlichen Staatsstreich vom Februar 2014 hat, mit Unterstützung des Westens offen einen Kurs der gesetzgeberischen – und in einigen Fällen physischen – Ausrottung aller Russen in den Gebieten eingeschlagen hat, die seit Jahrhunderten von Russen erschlossen und besiedelt wurden. Gleichzeitig ist dieses neonazistische Regime zu einem Instrument geworden, um Russland im Interesse des Westens eine „strategische Niederlage“ „auf dem Schlachtfeld“ zuzufügen. Wenn dies nicht eine direkte Bedrohung unserer Interessen, unserer Sicherheit und unserer Bevölkerung ist, die sich seit den Zeiten der Urgroßväter, Großväter, Väter und Mütter als Russen verstehen, dann gibt es im Westen keine klaren Analysten oder Menschen mit Gewissen.

Lange vor der Militäroperation wurde der ukrainische Präsident Selensky gefragt, was er von den Menschen im Donbass unter dem Minsker Abkommen halte. Er sagte – es war eine rassistische Aussage -, es gebe Menschen und es gebe „Exemplare“. Denen, die in der Ukraine leben und sich der russischen Kultur zugehörig fühlen, riet er, „um der Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder willen nach Russland zu gehen“. Das wurde vom zivilisierten, aufgeklärten Westen mit Grabesstille quittiert.

Um auf die Charakterisierung der aktuellen Situation zurückzukommen. Ich weiß nicht, wie die Historiker diese Zeit nennen werden. Tatsache ist jedoch, dass dank des Vorgehens der USA praktisch die gesamte Palette der Rüstungskontrollabkommen zerstört wurde. Darüber sind schon Hunderte von Seiten geschrieben worden. Ich würde die aktuelle Periode der Weltgeschichte so verantwortungsvoll wie möglich behandeln.

„Europa, mit Ausnahme von Scholz und Habeck, hat es verstanden“

Frage: Wie sind die Aussichten für die russisch-europäischen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen angesichts der Tatsache, dass Russland fast ein Drittel der fossilen Brennstoffe für Europa liefert, das sich offenbar nach einer Alternative umsehen wird? Wie stellt sich Moskau die Entwicklung dieser Beziehungen vor?

Lawrow: Ich werde nicht einmal versuchen zu erraten, was Europa tun wird. Ich denke, es hat – mit Ausnahme des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz und des Vizekanzlers Robert Habeck – verstanden, wo es steht.

Lesen Sie die Statistiken darüber, um wie viel die USA Europa beim Wirtschaftswachstum überholt haben. Frankreich wird, so wie es aussieht, zu den „Nullen“ gehören. Die einstigen „Motoren“ der europäischen Wirtschaft, Deutschland und Großbritannien, werden nach unten „wachsen“. Nach einer Reihe von Gesetzen, die von den Amerikanern zur Bekämpfung der Inflation und anderer Themen erlassen wurden, betragen die Energiepreise in den USA ein Viertel oder ein Fünftel der Preise in Europa, wo eine Deindustrialisierung stattfindet.

Unternehmen, die an ihre Zukunft denken, ziehen in die USA. Ich bin überzeugt, dass das nicht nur ein Zufall, sondern die bewusste Politik Washingtons ist. Denn Europa ist auch ein Konkurrent, den die USA nicht brauchen. Sie brauchen eine Gruppe von „grauen“ Leuten, die tun, was man ihnen befiehlt. Ich will den Europäern nicht zu nahe treten, aber die derzeitigen politischen Eliten handeln exakt so.

„Nicht darüber nachdenken, wie wir die Beziehungen zu Europa wiederherstellen können“

Schauen wir uns die Statistiken an. Man muss verstehen, was vor sich geht. Aber in diesem Stadium müssen wir nicht darüber nachdenken, wie wir die Beziehungen zu Europa wiederherstellen können. Worüber wir jetzt nachdenken müssen, ist, wie wir uns nicht von den „Drehungen und Wendungen“ in der europäischen Politik – vor allem in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Investitionen – abhängig machen können, die sie unter dem Einfluss Washingtons vornehmen. Wir müssen uns in allen Schlüsselbereichen unserer Wirtschaft absichern, von denen die Zukunft des Landes abhängt. Wir müssen alles, was wir für die Sicherheit, die wirtschaftliche Entwicklung, die Lösung sozialer Probleme und die Einführung moderner Technologien – kürzlich gab es wieder eine Veranstaltung zum Thema künstliche Intelligenz – brauchen, selbst produzieren, damit wir nicht unter neuen „Launen“ leiden, wenn sie uns mit Sanktionen angreifen wollen.

Die Restriktionen haben nichts gebracht. Der Westen will (in der Ukraine) alles „still und leise“ beenden, auf eine listige Art und Weise. Einfrieren und Zeit gewinnen, wie beim Minsker Abkommen, das Nazi-Regime in Kiew wieder aufrüsten und seine hybride – oder auch nicht hybride – Aggression gegen die Russische Föderation fortsetzen. Aber selbst wenn es vorbei ist, werden die meisten Sanktionen bestehen bleiben.

Wir müssen nach unserem Verstand leben. Wenn und falls die Ernüchterung kommt und sie uns etwas anbieten, werden wir zehnmal nachdenken und abwägen, ob alle Vorschläge unseren Interessen entsprechen und wie zuverlässig die europäischen Kollegen sind. Sie haben ihre Vertragsfähigkeit und ihren Ruf schwer untergraben. Vielleicht noch nicht endgültig.

„Neokoloniale Instinkte“ und die Abkehr vom Dollar

Frage: Wir geben die Zeitung Russia Today seit fast 30 Jahren und China Today seit 15 Jahren heraus. Unser Presseteam hat ausführlich über die Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland, Indien und China sowie über die beispiellose Expansion der BRICS berichtet. Das Ende der amerikanisch geprägten Welt steht vor der Tür, aber es wehrt sich.

Wir sehen, wie sich die NATO nach Osten, in die asiatitisch-pazifische Region, ausdehnt, heute ist sogar von einer pazifischen NATO die Rede. Das bedroht die globale Sicherheit in der Welt. Wie werden Russland, China, die BRICS-Staaten und alle Organisationen, die sich gegen dieses aggressive Verhalten wehren, reagieren?

Lawrow: Es gibt im Westen neokoloniale Instinkte. Es ist der Wunsch, weiterhin auf Kosten anderer zu leben, wie sie es seit mehr als 500 Jahren getan haben. Es ist für jeden offensichtlich, dass diese Ära zu Ende geht. Sie sind sich dessen bewusst. Was der Westen jetzt versucht, um seine Hegemonie aufrechtzuerhalten, bezeichnen manche als die Agonie dieser Ära. Vielleicht hat dieser Vergleich seine Berechtigung. Aber diese Ära wird noch sehr, sehr lange andauern. Es ist nicht nur „erwacht“, es gelten schon andere, gerechte Regeln in der Weltwirtschaft.

Die USA sind immer noch ein mächtiges Land mit einer riesigen Wirtschaft. Die EU hat ihr „Gewicht“ noch nicht verloren, obwohl der Prozess rasch voranschreitet und sich beschleunigen wird. Aufgrund der Umstände ist Russland nicht tief in das Globalisierungsmodell eingebunden, das die Amerikaner gefördert und allen zur Verfügung gestellt haben, indem sie buchstäblich sagten: „Nutzt es“. Sie sagten, es sei nicht nur für sie, und der Dollar sei eine Währung für alle. Und all die anderen Grundsätze: Eigentum, Unschuldsvermutung, internationale Justiz, die universell akzeptabel und anwendbar sein sollte.

All das wurde über Nacht mit Füßen getreten und weggeworfen, sobald man die Russische Föderation „bestrafen“ wollte. Ihr Plan ist es, die Ukraine in eine direkte Bedrohung für Russland zu verwandeln, einschließlich der Vernichtung und Ausrottung aller Russen in dem Land. Sie planten, dort amerikanische und britische Marinestützpunkte im Schwarzen und Asowschen Meer zu errichten. Der Plan ist gescheitert. Wir haben so reagiert, wie wir reagiert haben. Wir sind nicht „eines morgens aufgewacht und haben uns entschieden“. Mehr als acht Jahre lang haben wir gewarnt. Wir haben Verträge zur europäischen Sicherheit vorgeschlagen, die die Stabilität auf dem Kontinent ohne die Ausweitung militärischer und politischer Blöcke gewährleisten würden. Wir waren bereit, die OVKS nicht zu erweitern. All das läuft seit 2009.

Im Dezember 2021 haben wir den USA auf Anordnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin neue, bereits endgültige Vorschläge vorgelegt. Sie wurden abgelehnt. Uns wurde gesagt: Welche Sicherheit? Rechtlich garantierte Sicherheit kann nur innerhalb der NATO gewährleistet werden. Die gleiche Antwort erhielten wir, als wir sie daran erinnerten, dass sie sich 2010 im Rahmen der OSZE in Astana auf das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit verpflichtet haben, wonach keine Organisation das Recht hat, eine Vorherrschaft zu beanspruchen. Genau das tun sie jetzt.

Wir haben gefragt, warum sie nicht allen rechtsverbindliche Garantien geben wollen? Immerhin waren alle in der OSZE dafür. Einige Junior-Diplomaten in Brüssel und Washington sagen uns, dass es ihnen „egal“ sei, was Präsidenten und Premierminister – einschließlich ihrer eigenen – über die Unteilbarkeit der Sicherheit gesagt und auf OSZE-Gipfeln unterschrieben haben, rechtliche Sicherheitsgarantien gäbe es nur für NATO-Mitglieder. Auf diese Weise versuchen sie, die Attraktivität des Bündnisses zu erhöhen und den Zustrom neuer Mitglieder zu fördern, was im Widerspruch zu ihren Versprechungen steht.

Russland wurde nur oberflächlich in dieses Modell der Globalisierung eingebunden. Mit den USA hatten wir ein geringes Handelsvolumen. Mit der EU, ja. Aber das ist eine Geschichte, die bis in die Sowjetzeit zurückreicht. Man hat versucht, unsere Zusammenarbeit zu behindern. Dann hat sie sich durchgesetzt und wurde zur Grundlage für das Wohlergehen Europas und zur Lösung seiner sozialen und wirtschaftlichen Probleme auf einem guten, noch nie dagewesenen Niveau.

Wir haben im Internationalen Währungsfonds und in der Weltbank mitgewirkt, aber unsere Einbindung in dieses System war nicht so groß wie zum Beispiel die von China oder Indien. Sie erkennen jetzt, dass sie ihre Autonomie behaupten müssen. Daran besteht kein Zweifel. Wir diskutieren dieses Thema im Rahmen der BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Es werden aktiv alternative Zahlungsplattformen eingeführt, der Übergang zu nationalen Währungen entwickelt sich rasch. Aber Neu-Delhi und Peking verfolgen ihre eigenen Interessen und sehen, dass ein Ausstieg aus diesem System und der Aufbau neuer Strukturen schlecht für ihre Wirtschaft wäre.

Es gibt eine allmähliche Abkehr von der Abhängigkeit vom Dollar, den Zahlungssystemen und den Lieferketten, die der Westen aufbaut. Niemand weiß, was sich ein neuer US-Präsident in fünf oder sechs Jahren einfallen lassen wird, aus welchen Abkommen er aussteigen und welche er durchsetzen wird. Sie haben die universellen Handelsabkommen in Asien aufgegeben und begonnen, ihre eigenen ohne China aufzubauen.

„Indien und China haben das Signal aufgenommen“

Indien und China haben das Signal aufgenommen. Sie beginnen damit, ihre Abhängigkeit von der Willkür derer zu verringern, die dieses Globalisierungsmodell geschaffen haben und immer noch eine wichtige Rolle darin spielen. Das wird nicht so schnell und abrupt geschehen wie in unserem Fall. Angesichts der mehr als 11.000 Sanktionen, die darauf abzielen, die russische Wirtschaft zu strangulieren und die Lage der Bevölkerung in der Hoffnung zu verschlechtern, dass sie sich auflehnt, waren wir gezwungen, entschlossen und in großem Stil zu handeln. Sie verkündigen ausdrücklich, dass das ihr Ziel ist. Wenn man sich die Statistiken über den Anteil der chinesischen Reserven in Dollar vor drei Jahren und heute anschaut, ist die Situation offensichtlich. Ich denke, unsere indischen Freunde denken in dieselbe Richtung. Niemand will wieder zur Geisel eines geopolitischen Nervenzusammenbruchs werden.

Wir wollen niemanden drängen. Es gibt die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die BRICS und andere Strukturen, die Beziehungen zwischen der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die ASEAN und Chinas Projekt „Seidenstraße“. In diesen Formaten werden auf natürliche Weise, ohne Zwang, Formen der Zusammenarbeit und Dienstleistungen für unsere Wirtschaft und Handelsbeziehungen aus dem Leben heraus, von „unten“, entwickelt, die nachhaltig sein werden. Der Prozess ist im Gange, aber es wird ein langer Weg sein.

Eine eigene BRICS-Währung?

Frage: Auf dem diesjährigen BRICS-Gipfel wurde das Thema der Einführung einer gemeinsamen Währung für die Vereinigung angesprochen. Im Jahr 2024 wird Russland den Vorsitz der BRICS innehaben, wird dieses Thema erneut zur Sprache kommen? Gibt es ähnliche Pläne innerhalb der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit?

Lawrow: Auf dem BRICS-Gipfel in Johannesburg war das eines der Themen, die eingehend erörtert wurden. Der brasilianische Präsident Lula da Silva widmete diesem Thema besondere Aufmerksamkeit. Das hat niemanden überrascht, denn als er wieder Präsident wurde, rief er in seinen Reden schon vor dem Gipfel dazu auf, an der Bildung einer gemeinsamen Währung zu arbeiten, wenn schon nicht einer einheitlichen Währung, so doch eines Mechanismus, in dem die nationalen Währungen eine entscheidende Rolle spielen würden. Er schlug vor, dies im Rahmen der CELAC und der BRICS zu tun.

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Diskussion wurden in der von den Staats- und Regierungschefs der BRICS-Länder in Johannesburg angenommenen Erklärung die Finanzministerien und Zentralbanken beauftragt, Empfehlungen für alternative Zahlungsplattformen auszuarbeiten. Wir gehen davon aus, dass diese im Jahr 2024 vorgelegt werden, und Russland als BRICS-Vorsitzender wird eine gründliche Überprüfung dieser Empfehlungen organisieren, um Entscheidungen treffen zu können. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit spricht von gemeinsamen Zahlungsplattformen, doch sind diese noch nicht in konkrete Anweisungen umgesetzt worden.

Im Zahlungsverkehr mit China wird der Dollar zunehmend durch nationale Währungen ersetzt, bereits 90 Prozent der Zahlungen erfolgen in Rubel und Yuan. Mit Indien ist es entweder fast die Hälfte oder bereits mehr als 50 Prozent. Ungefähr die gleichen Zahlen gelten für die anderen Mitglieder dieser Verbände.

Die Rolle der westlichen NGOs

Frage: Es gibt viele Strömungen: staatliche Akteure, Bewegungen, Globalisierung und das Verständnis, dass die ganze Welt auf der Ebene der Menschen vereint und eng miteinander verbunden ist. Wie werden Ihrer Meinung nach diese nicht-staatlichen Akteure, die Bewegungsakteure in dieser komplexen multipolaren Welt, die Sie jetzt schaffen, an ihr teilhaben?

Lawrow: Das ist eine ernste Frage. Ein Teil der Philosophie, die die Amerikaner im Rahmen ihres Globalisierungsmodells überall auf der Welt propagieren – einigen haben sie es beharrlich vorgeschlagen, anderen haben sie es aufgezwungen -, ist die Rolle der NGOs, der Zivilgesellschaft. Die Amerikaner haben Tausende von NGOs gegründet. Viele hundert von ihnen arbeiten im postsowjetischen Raum, insbesondere in Armenien und Kirgisistan. Sie versuchen aktiv, sie in anderen zentralasiatischen Ländern einzuführen. Über die Ukraine braucht man nicht zu reden. Sie waren auch in Weißrussland. Aber als die Ereignisse im August 2020 deutlich zeigten, welche Rolle diese NGOs bei dem Versuch spielen, die Lage in Weißrussland zu destabilisieren, ging ihre Zahl dort drastisch zurück.

Es ist übertrieben, sie als „Nichtregierungsorganisationen“ zu bezeichnen. Schauen Sie sich alle Schlüsselstrukturen der USA an, alle Stiftungen – das nationale demokratische und das internationale republikanische Institut, viele von ihnen sind nicht mehr mit den führenden Parteien der USA verbunden, sogenannte Nichtregierungsorganisationen, sie werden zu fast 90 Prozent aus dem amerikanischen Haushalt finanziert, einschließlich USAID, sie sind ein Teil der amerikanischen Bürokratie. Das sind Gelder aus dem Staatshaushalt. Oder sie werden über andere Kanäle, ebenfalls aus dem Haushalt finanziert. Sie verfolgen die Linie der „Einheitspartei“, unabhängig davon, welche Partei in Washington an der Macht ist, Demokraten oder Republikaner. Die Linie besteht darin, die Prozesse in den Ländern, in denen diese NGOs tätig sind, direkt zu beeinflussen.

Zu sagen, dass die Zivilgesellschaft breiter vertreten sein sollte, ist nur eine weitere Täuschung. Wir wissen, was diejenigen meinen, die diese Forderungen stellen. Nehmen wir die nahezu optimale Position von NGOs im Weltgeschehen. Es gibt einen Ausschuss für NGOs des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO. Es gibt ein Verfahren für diesen Ausschuss, um mit NGOs zusammenzuarbeiten. Wenn Sie einen Status beim Wirtschafts- und Sozialrat oder bei der UN-Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit erhalten möchten, müssen Sie sich bei diesem Ausschuss bewerben. Man füllt ein Antragsformular aus, die Unterlagen werden geprüft. Es findet eine Anhörung statt und es werden Ihnen Fragen gestellt. Die Ausschussmitglieder vergewissern sich, ob es sich wirklich um eine zivilgesellschaftliche Organisation oder um ein Instrument einer Regierung handelt. Natürlich passieren Fehler. Man kann nicht alles vorhersehen, man kann nicht alles herausfinden, aber insgesamt ist es ein normaler, transparenter, ehrlicher Prozess.

Gleichzeitig gibt es eine Organisation wie die OSZE. Dort gibt es drei „Körbe“. Es gibt den militärisch-politischen Korb, dessen gesamte Grundlage aus Rüstungskontrollabkommen und vertrauensbildenden Maßnahmen die Amerikanern zerstört haben. Es gibt den wirtschaftlichen Korb, der durch die bereits erwähnte Zerstörung der Beziehungen Russlands zu Europa ebenfalls zerstört wurde. Und es gibt den humanitären Korb, das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, den Kommissar für nationale Minderheiten, den Kommissar und Beauftragten für Medienfreiheit.

Keine dieser OSZE-Institutionen hat Regeln wie die von mir genannten. Wenn das Warschauer OSZE-Treffen zur Überprüfung der Umsetzung der menschlichen Dimension jedes Jahr zusammentritt, es findet gewöhnlich im Herbst statt, kann jeder „von der Straße“ dorthin kommen und sagen, dass er oder sie „die Rechte der Armen verteidigt“, ein anderer „die Rechte von Transgender-Personen“ und ein dritter „die Rechte derer, die den Kommunismus bekämpfen“. Und das war’s: Sie setzen sich hin und beginnen ihre Reden zu halten und haben die gleichen Rechte wie die Vertreter der Staaten.

Wir haben diese Praxis abgeschafft. Jetzt gibt es zumindest eine Art von Verfahren. Wir haben sie einfach abgeschafft. Nach der Wiedervereinigung der Krim mit Russland begannen NGOs der Republik Krim, dorthin zu reisen. Können Sie sich vorstellen, was für eine Reaktion es gab? Wenn sie einige Leute nicht reinlassen, lassen wir andere auch nicht rein. Aber das ist immer noch keine Ordnung. Es gibt dort immer noch keine Regeln. Die OSZE existiert ohne jegliche Charta.

Es gab eine Zeit, in der alle von der OSZE begeistert waren; sie waren besessen von der Ausweitung der Beteiligung der Zivilgesellschaft, transnationaler Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt auf gleicher Augenhöhe mit den Staaten. Auf Konferenzen, die der Westen zu Klima- und Umweltfragen und vielen anderen Themen veranstaltete, bestanden sie darauf, dass Unternehmen und NGOs gleichberechtigt mit den Regierungen teilnehmen.

Jetzt gibt es viel Widerstand dagegen. Der Enthusiasmus hat stark nachgelassen. Es ist offensichtlich geworden, was mit schwachen Staaten gemacht wird. Ich denke, es wird keine Rückkehr in unsere Zeit geben.

Hat der Westen sich unwiederbringlich in ein Ungeheuer verwandelt?

Frage: Auf der einen Seite distanzieren wir uns vom Westen. Auf der anderen Seite ist er ein sehr aktiver Akteur. Wir haben nicht erwartet, dass er so handeln würde, dass er ein offen neonazistisches Regime in der Ukraine unterstützen würde, dass die Wahlen in den USA offenbar zum ersten Mal in der Geschichte gefälscht wurden. Hatten wir Unrecht, den Westen positiv zu sehen? Vielleicht wird er wiedergeboren? Die Situation ist wie in dem Horrorfilm „Alien“, in dem sich eine Gruppe von Menschen plötzlich in Monster verwandelt. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen in unserem Land den Westen jetzt so wahrnehmen. Sie haben große Erfahrung in der Kommunikation mit diesen „Kollegen“. Was ist da los? Was sollten wir von ihnen erwarten? Haben sie sich endgültig in Ungeheuer verwandelt oder werden sie diesen Weg noch weiter beschreiten? Oder werden sie das Gegenteil tun und in die menschliche Gemeinschaft, in die UNO zurückkehren? Was sollten wir von ihnen erwarten? Was ist das Wesen dieses Prozesses?

Lawrow: Darüber, ob der Westen vielleicht wiedergeboren wird, dafür habe ich hier ein Zitat: „Es war schon lange abzusehen, dass dieser rasende Hass, der im Westen seit 30 Jahren gegen Russland geschürt wird, eines Tages die Kette sprengen würde. Dieser Moment ist nun gekommen. Russland wurde einfach der Selbstmord angeboten, der Verzicht auf die Grundlagen seiner Existenz, die feierliche Anerkennung, dass es nichts anderes in der Welt ist als eine wilde und hässliche Erscheinung, als ein Übel, das der Korrektur bedarf. Es gibt nichts mehr, worüber man sich Illusionen machen könnte. Russland wird aller Wahrscheinlichkeit nach in eine Schlacht mit ganz Europa eintreten.“ Das war 1854 von Tjutschew. Das sind drei wörtliche Zitate aus seinen Briefen. Er kam immer wieder auf dieses Thema zurück.

Es geht um die Frage, ob die „Entartung“ des Westens gekommen ist oder ob sie wiedergeboren wurde. Ich kann nicht sagen, dass das in letzter Instanz die Wahrheit ist. Aber dass uns niemand jemals wirklich gemocht hat, ist eine Tatsache. Genauso wie die Tatsache, dass man uns ausgenutzt hat, indem man Ad-hoc-Koalitionen – Franzosen, Briten, Deutsche, Österreich-Ungarn – gebildet hat.

Hier sitzt ein Mann, der in schwierigen Zeiten in dem schönen Land Bulgarien lebt. Wer konnte auf die Idee kommen, dass es in zwei oder drei Jahren „klick“ machen würde und dass sie anfangen würden, Denkmäler zu versetzen, Priester zu beleidigen, Eigentum wegzunehmen. Jemand hat mir gesagt, dass Tjutschew recht hat. Seit ihm gibt es fast 200 Jahre lang viele solcher Beispiele.

Nach 1991 meinten sie, sie hätten uns „in der Tasche“. Das war das Ende der Geschichte. Die liberale Ideologie setzte sich in der Wirtschaft und in der Politik durch. Jeder hatte nun dem „Alten“ zu gehorchen, der alles eingerichtet und organisiert hat. Zur Ablenkung haben sie in der OSZE einige „schöne“ Erklärungen verabschiedet. Die Charta von Paris für ein neues Europa von 1990. Lesen Sie sie. Die Franzosen waren damals so stolz darauf, sie zu propagieren. Und schauen Sie sie sich jetzt an, legen Sie sie an das an, was Frankreich, einschließlich Präsident Macron, gerade tut.

Der OSZE-Gipfel in Istanbul 1999, die Unteilbarkeit der Sicherheit. Der OSZE-Gipfel in Astana, 2010, die Unteilbarkeit der euro-atlantischen und eurasischen Sicherheit. Dieser „zukunftsweisende“ Begriff wurde schon damals verwendet. Alles verloren, „den Bach runtergegangen“. Sie befahlen, „stramm zu stehen“. Es ging darum, Russland dafür zu bestrafen, dass es gewagt hatte, den Amerikanern nicht zu erlauben, an seinen Grenzen, auf seinem historischen Boden, zu tun, was sie wollen.

Ich betone noch einmal, dass wir spätestens seit 2007, seit der Münchner Rede von Wladimir Putin, gewarnt haben. Das war die erste Warnung. Diejenigen, die Augen und Ohren hatten, haben es gesehen und gehört. Der Donbass stand auf und die Krim ging, wie man so schön sagt, in ihren Heimathafen. Acht Jahre lang hörte niemand auf das, was an unseren Grenzen geschah. Als die Amerikaner 2003 dachten, dass Saddam Hussein einen Atomreaktor oder eine schmutzige Atombombe gebaut hatte, haben sie etwa acht Jahre lang irgendjemanden gewarnt? Sie sind morgens aufgestanden, der UNO-Sicherheitsrat war unnötig, sie haben es selbst getan. Wo ist dieser Irak jetzt?

Was für gab es für einen Aufschrei, als sie zeigten, wie wir im Rahmen der Militäroperation an militärischen Zielen „arbeiten“, die sie in zivilen Vierteln und zivilen Objekten verstecken. Lapid, Premierminister von Israel, ehemaliger Außenminister von Israel. Lesen Sie seine Zitate, dass es fast ein Völkermord war. Und jetzt in Gaza, was ist da los? Die Tragödie des Krieges. Vergleichen Sie die Bilder.

Nehmen Sie Syrien. Sie haben beschlossen, dass sie Assad das östliche Gebiet wegnehmen sollten, wo sich das ganze Öl und das Getreide befindet, weil dort so „Chaos“ herrscht. Und was haben sie getan? Die Stadt Mosul im Irak wurde wirklich dem Erdboden gleichgemacht. Genau wie Raqqa in Syrien. Hunderte von Leichen wurden wochenlang nicht weggeräumt. Das ist alles dokumentiert. „Die dürfen das.“ Diese Bedrohung entstand nicht der Grenze zu Mexiko. Da sind nur Flüchtlinge, das ist alles. Sie bauen jetzt die Mauer. Das war’s. Jetzt gibt es ein paar Schweine in Kanada. Eine Population dieser hartnäckigen und schwer fassbaren Tiere droht, in das Gebiet der USA „einzudringen“. Gestern gab es einen Bericht. Das ist für sie eine Bedrohung. (Anm. d. Übers.: Bei den Schweinen in Kanada handelt es sich um eine speziell gezüchtete, sehr widerstandfähige Rasse großer Schweine, die in Zeiten niedriger Fleischpreise von Bauern in die Wildnis entlassen wurde, sich massiv vermehrt und schwere Schäden anrichtet)

Die „westlichen Instinkte“ und die westlichen Kollegen

Jugoslawien wurde bombardiert. Eine weitere „existenzielle Bedrohung“ für die USA. Mehr als zehntausend Meilen entfernt. Niemand wurde gewarnt. Sie haben einfach beschlossen, es zu tun und es „durchzuziehen“. Das ist das Problem mit der westlichen Mentalität, mit ihren Instinkten.

Ich habe viele Freunde im Westen, auch in den USA. Wahrscheinlich noch mehr in Europa. Ich habe mit ihnen bei der UNO zusammengearbeitet. Viele waren Minister. Wir waren Freunde. Da ist es üblich, Zeit zu Hause zu verbringen. Als das alles passierte, riefen mich einige von ihnen an. Ich rief sie an, wenn sie „Nachrichten“ hinterließen. Fast alle sind jetzt „auf Linie“, ziehen die „Parteilinie“ durch. Sie sagen, wie könnt ihr nur, warum, „arme Ukraine“. Wir erzählen ihnen vom Nazismus, und was sagen sie uns? Wissen Sie noch, was der israelische Botschafter in Kiew sagte, als er gefragt wurde, wie es ihm in einem Land gehe, in dem Bandera und Schuchewitsch besungen werden? Hat er aufgehört, sie als Naziverbrecher zu betrachten? Er antwortete, nein, sie seien Naziverbrecher. Aber die Ukraine hat „ihre eigene Geschichte“. Es sei schwer für sie.

Wenn wir jetzt zu diesen Ereignissen kommen, gehen sie den Korridor entlang und suchen mit den Augen, um nicht konfrontiert zu werden. Sie gehen auf die andere Straßenseite. Aber es gibt auch die – ich werde niemanden nennen, damit sie dort nicht geächtet werden -, die auf uns zukommen und uns grüßen. Übrigens, beim G20-Gipfel 2022, bat Blinken mich um ein Gespräch. Wir unterhielten uns, begrüßten uns und verabschiedeten uns per Handschlag. Da wurde nichts Besonderes gesagt. Aber zumindest war es eine Art der Kommunikation. Wenn uns jemand anspricht, laufen wir nie weg oder verstecken uns.

Jetzt hat uns Mazedonien zum OSZE-Ministerrat eingeladen. Bulgarien hat Mazedonien offenbar versprochen, seinen Luftraum zu „öffnen“. Wenn das klappt, werden wir dabei sein. Wir werden sehen, wie sie reden werden. Es gibt bereits mehrere Anfragen für Treffen, falls wir dort arbeiten, auch von westlichen Vertretern. Natürlich werden wir uns mit allen treffen.

Das war eine lange Antwort, aber es ist ein interessantes Thema. Ich möchte mit der folgenden Episode abschließen. Neben der OSZE und den Primakow-Lesungen, gibt es viele politikwissenschaftliche Tagungen. Eine davon findet jährlich im Dezember in Abu Dhabi statt. „Ser Bani Yas“, das Friedens- und Sicherheitsforum. Ich habe letztes Jahr zum ersten Mal daran teilgenommen. Traditionell gibt es zwei bis drei Redner aus der aktuellen Politik und Dutzende von ehemaligen Politikern.

Letztere sind die interessantesten. Nach der Rede war Pause, wir gingen hinaus in den Saal, wo es Kaffee und Tee gab. Eine Menschenmenge, jeder kennt jeden. Jeder will sich freundlich unterhalten, drückt sein Verständnis aus. Urteilen Sie selbst. Ich denke, es hat eine gewisse Logik. Wenn man im Dienst ist, muss man tun, was einem gesagt wird. Etwas anderes ist, dass die Qualität der Befehle manchmal – und immer öfter – so ist, dass ein normaler Mensch zurücktreten möchte. So zeigen sie sich.

Ich glaube nicht, dass der Westen einen Grund hat, Russland ständig zu hassen. Aber wie schnell haben sie diese zarten Reden und Versicherungen aufgegeben, dass uns alles gemeinsam ist, Sicherheit, Wirtschaft und generell der ganze Raum vom Atlantik bis zum Pazifik.

Wie schnell sind die Instinkte, Europa gegen Russland zu vereinen, wieder aufgetaucht: so wie Napoleon und Hitler Europa gegen Russland vereinigt haben. Jetzt wird die „Aufklärungsarbeit“ aktiv vorangetrieben. Die Geschichte Finnlands ist anschaulich. Es war der beste Freund Deutschlands und hat ihm aktiv geholfen. Wir dachten, es würde sich alles von selbst erledigen. Dass nach solchen Kriegen die Versöhnung aufrichtig sein würde.

Wissen Sie, warum es so lange so war? Es gibt viele Sprichwörter und Redewendungen, die die Seele und den Charakter unseres geduldigen Volkes widerspiegeln. „Alles ertragen“, wenn es um etwas Richtiges, Wichtiges geht. Andererseits gibt es das Sprichwort: „Gott hat ertragen und wir haben gehandelt“. Aber es gibt auch den Spruch „Siebenmal messen, einmal schneiden“. Wir haben acht Jahre gemessen.

Jetzt werden oft Chroniken von deutschen und anderen europäischen Kriegsgefangenen gezeigt, die 1944-1945 irgendwo in Sibirien durch Dörfer, durch Städte getrieben werden. Großmütter kommen heraus, geben ihnen Brot und Wasser. „Und sie baten um Gnade für die Gefallenen.“ Das haben wir auch gesagt!

Ich werde nicht behaupten, dass es irgendein außergewöhnliches Volk gibt. Das meinen unsere amerikanischen und englischen Kollegen. Aber diese Eigenschaft der Russen und unseres ganzen Volkes wird wahrscheinlich unterschätzt. Oder glauben die, dass es immer so sein wird? Sie tun uns jetzt etwas Böses an, und wir werden ihnen wieder Brot und Wasser geben. Wir müssen mit den Nachbarn, die wir haben, leben.

„Soft Power“ und die Dummheit des Westens

Frage: Sie haben Fragen zu Syrien, Irak und sogar zur Wüste beantwortet. Ich würde gerne etwas über die Qualität der Russen sagen. Russland verteidigt jetzt die Kultur, die Werte. „Soft Power“, die mehrteiligen Filme des Mosfilm-Filmkonzerns, die russische Literatur. Während der Sowjetunion gab es einen deutlichen Fortschritt. Viele Zeitungen wurden in andere Sprachen übersetzt. Wann werden wir diese „Soft Power“ im Ausland, in unseren Ländern, wieder sehen, um den Werten entgegenzuwirken, die jetzt vom Westen, zum Beispiel Hollywood, gefördert werden? Das alles ist doch inakzeptabel für die Menschheit.

Lawrow: Was die Anzahl der Soft-Power-„Agenten“ in Form von NGOs, über die wir bereits gesprochen haben, und die Anzahl der Militärbasen im Ausland angeht, werden wir die Amerikaner nicht einholen. Und wir werden es nicht versuchen. Wie ich schon sagte, ist ihre „Soft Power“ eine Fortsetzung des Staates. So sollte es wahrscheinlich auch sein. Der Staat fördert Soft Power, damit die Menschen die Wahrheit über Ihr Land kennen, einen gut behandeln und sich nicht gegen einen stellen, nicht auf Provokationen eingehen, wenn sie jemanden gegen Russland rekrutieren will.

Offiziell ernannte Sanktionsbeauftragte aus Amerika, der EU und England zögern nicht, durch Zentralasien zu reisen und öffentlich zu erklären, dass die Länder, obwohl sie Mitglieder der OVKS, der Eurasischen Wirtschaftsunion, der GUS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit sind, die westlichen Sanktionen befolgen müssen. Das ist eine Unverschämtheit und eine Dummheit zugleich. Ich verstehe, dass sie das erreichen wollen. Vielleicht könnten sie ein bisschen schlauer sein, ein bisschen respektvoller. Sie demütigen die betroffenen Länder. Von China verlangen sie das bereits. „China muss.“

US-Unterstaatssekretär Sherman hat vor einem Jahr, als es um Indien ging, öffentlich erklärt, dass der Westen Indien erklären sollte, was seine nationalen Interessen sind. Kein Kommentar. Solche „Soft Power“ brauchen wir nicht.

Wir haben schon lange aufgehört, in unseren Grundsatzdokumenten davon zu sprechen, dass wir im Ausland ein positives Bild von Russland schaffen wollen. Wir schreiben objektiv. Wir kennen unsere Unzulänglichkeiten. Wir haben nichts zu verbergen. Sie lassen sich größtenteils durch die Geschichte und eine gewisse Trägheit erklären, die vor allem vor dem Beginn der Sanktionen und des hybriden Krieges bestand.

Wir wollen objektiv wahrgenommen werden. Wir haben nicht die gleichen finanziellen Möglichkeiten wie diejenigen, die Dollar drucken und damit ihre Staatsverschuldung auf 34 Billionen Dollar erhöhen. Niemand weiß, wie sie aus dieser Situation herauskommen werden. Der einzige Weg ist, weiter zu drucken und dafür zu sorgen, dass jeder den Dollar weiter benutzt. Aber das geschieht kaum noch. Das ist ihr Problem. Sollen sie doch ihre Propaganda machen.

Wir haben viel kleinere Beträge. Gleichzeitig bauen wir unser Botschaftsnetz aus. Wir stellen unsere Auslandsvertretungen in Afrika wieder her und eröffnen neue Konsularbüros im Nahen Osten, in Südostasien und Lateinamerika. Das Netz der russischen Kultur- und Wissenschaftszentren, die so genannten Russischen Häuser, wird aktiv ausgebaut, gestärkt und qualitativ verbessert.

Wir haben jetzt ein Konzept für die staatliche Politik der Russischen Föderation im Bereich der internationalen Entwicklungshilfe entwickelt, in dessen Rahmen die gesamte Hilfe, die wir dem Ausland kostenlos oder zu günstigen Bedingungen gewähren – Nahrungsmittel, Bau von Schulen, Gesundheitseinrichtungen und vieles mehr – zusammengefasst ist und eine „Arbeitsteilung“ besteht, so dass wir sehen können, wo und welche Projekte durchgeführt werden. Bis vor kurzem war das auf verschiedene Behörden verstreut.

Ein so großes Wunder wie die russische Sprache ist unsere sehr starke „Soft Power“. Die Zahl der Studienbewerber steigt stark an und wir pflegen die Beziehungen zu den Absolventen. In vielen Ländern sind Verbände russischer Hochschulabsolventen gegründet worden. Das ist eine nützliche, offene, positive „soft power“. Wir sind dabei, in befreundeten Ländern Russischkurse einzurichten. In Zentralasien und anderen Ländern – Aserbaidschan, Armenien – wurden russische Schulen eingerichtet, auch im Rahmen der Programme des Bildungsministeriums der Russischen Föderation, und es wurden Zweigstellen russischer Universitäten eröffnet. Wir werden diese „Soft Power“ fördern, im Gegensatz zu „hinterhältigen“ Operationen, bei denen, sagen wir, irgendein Mitarbeiter einer NGO ein Boot für sechs Personen kauft und die Nord Streams in die Luft sprengt.

Rüstung im Weltraum

Frage: In einer Krisensituation suchen wir nach dem, was uns eint. Deshalb möchte ich eine Frage zum Weltraum stellen. Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Weltraumforschung hängt stark vom internationalen Rechtsrahmen ab. Welcher Weg wird Ihrer Meinung nach bei der Entwicklung des Völkerrechts insgesamt und des Weltraumrechts im Besonderen eingeschlagen? Werden weiterhin universelle Verträge auf der Grundlage der UNO geschlossen, wie der Weltraumvertrag, das Übereinkommen über die Tätigkeiten der Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern, oder wird es einen Übergang zu bilateralen und multilateralen Verträgen innerhalb von Blöcken geben, wie zum Beispiel die Artemis-Abkommen? Oder wird es einen vollständigen Verzicht auf rechtsverbindliche Instrumente zugunsten von „Soft Law“ geben? Was ist Ihre Sicht?

Lawrow: Die Zusammenarbeit im Weltraum war das eindrucksvollste Beispiel dafür, dass egoistische oder einfach nur nationale Interessen so ausgerichtet waren, dass gemeinsame Anstrengungen in der Weltraumforschung unternommen wurden. Erinnern Sie sich an Sojus-Apollo?

Niemand – weder die USA, noch die Sowjetunion, noch jetzt Russland – hat sein nationales Interesse geopfert oder opfert es gerade. Im Gegenteil, das nationale Interesse hat sich in der Tatsache manifestiert, dass wir durch gemeinsame Anstrengungen in diesem Bereich mehr lernen und schneller verstehen können, wie dieses Mehr im praktischen Leben genutzt werden kann, nicht nur im Weltraum, sondern auch auf der Erde.

Es gibt die Internationale Raumstation. Dabei geht unser Kosmonaut in die USA, um für einen SpaceX-Flug zu trainieren, und die Amerikaner kommen zu uns in das Sternenstädtchen, um mit uns zu trainieren und dann mit unserem Träger zur ISS zu fliegen. Heutzutage ist es schwer, sich das bei irgendeinem anderem Tätigkeitsfeld vorzustellen. Offensichtlich liegt das an der Verantwortung der Wissenschaftler auf beiden Seiten. Sie verstehen, dass dieses Experiment, das bei weitem kein Experiment ist, sondern eine alltägliche, harte, aber sehr nützliche Arbeit, wichtig für die Wissenschaft und für die künftige technologische Entwicklung der Welt ist. Gott segne alle, die das tun.

Das Leben geht weiter. Die Ressourcen der Internationalen Raumstation wurden bereits ein paar Mal verlängert. Sie wird nicht ewig halten. Jetzt bauen wir unsere eigene Station, und die Chinesen haben die ihre gebaut. Mit den Chinesen haben wir gemeinsame Pläne.

Die Verantwortlichen der NASA scheinen zu sagen, dass auch sie die Zusammenarbeit gerne fortsetzen würden, wenn die Ressourcen der ISS erschöpft sind, aber auf politischer Ebene hört man so etwas nicht.

Die derzeitige politische Elite des Westens lässt sich von dem Grundsatz leiten, dass sie die Russen bis auf Weiteres braucht. Also werden sie sie nutzen und in der Zwischenzeit ihre eigene Station aufbauen. Die NASA-Führer vertreten jedoch eine andere Position.

Der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums, einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper, bleibt bestehen. Nach unserer rechtlichen Einschätzung deckt er auch den Status des Mondes ab. Ein amerikanisches Dokument, das vor einigen Jahren verfasst wurde – sie beginnen, selektiv einzelne Länder dazu einzuladen -, würde einer korrekten und ehrlichen Auslegung des Weltraumvertrags widersprechen. In dem Dokument ist auch vom Mond und anderen Himmelskörpern die Rede.

Ein weiterer Bereich der rechtlichen Entwicklung in diesem Bereich sind militärische Aspekte. Seit langem setzen wir uns in Genf auf der Abrüstungskonferenz gemeinsam mit China für einen Vertragsentwurf zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum und für eine Initiative zur Nichtverbreitung von Waffen im Weltraum ein. Die USA sind damit kategorisch nicht einverstanden. Wir haben einen taktischen Rückschritt gemacht und schlagen vor, zunächst die individuellen Verpflichtungen der einzelnen Länder zu prüfen, nicht als erste Waffen im Weltraum zu stationieren. Viele Länder haben sich dem angeschlossen. Wir werden diese Arbeit fortsetzen.

Die Amerikaner schlagen eine gegenteilige Initiative vor. Sie sagen, dass sie das Recht haben, Waffen in den Weltraum zu bringen, und sie werden keine Verpflichtung unterschreiben, dies nicht zu tun. Und wir bereiten angeblich mit den Chinesen Anti-Satellitenwaffen vor, um amerikanische Aufklärungssatelliten von „wirtschaftlicher“ Bedeutung zu zerstören. Darüber wird zur Zeit gesprochen.

In der geopolitischen Atmosphäre, die sich seit Beginn des hybriden Krieges gegen Russland entwickelt hat, ist es sehr schwierig, diese Art von Diskussion fortzusetzen. Die Amerikaner führen eine heftige Kampagne, ich kann kein anderes Wort dafür finden, drehen allen die Arme auf den Rücken und versuchen, Russland entweder von vielen UN-Gremien, die sich mit praktisch wichtigen Dingen befassen, auszuschließen oder die Beteiligung unseres Landes daran einzuschränken. „Und wieder geht der Kampf weiter.“

Ende der Übersetzung


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

40 Antworten

  1. Interessanter Artikel – da muß man noch ein wenig weiter drüber nachdenken, Fakt ist – die nächsten Jahre werden wohl mehr als turbulent – hoffentlich siegt die Vernunft und es kommt nicht zum großen Knall, weil div. „in die Enge getriebene und schwer verwundete Ratten“ blindlings wütend um sich schlagen… 😤😤

    1. „hoffentlich siegt die Vernunft und es kommt nicht zum großen Knall“

      Die Hoffnung stirbt zuletzt. Leider hat die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, das die Vernunft als erstes ins Grass beisst.

    2. Die Ratten, das sind die Spinnen mit ihrem Netz (u.a. NGO`s und Finanzhoheit) und die Kraken, die sich perfekt tarnen können.
      Ohne denen das Handwerk gründlich zu legen, wird es keinen Dauerhaften Frieden geben!

  2. Nicht nur Lawrow hält den Bundeskanzler Scholz zwischen den Zeilen für dumm, nein auch viele Bürger in Deutschland sehen das so. Meiner Ansicht nach wäre Scholz sogar als Vorstand einer Gartensiedlung völlig überfordert.

  3. Alles kein Problem. Man kann die BUNTEN auch abwählen, mit 51% für die AfD! Es geht den deutschen noch nicht schlecht genug. Also weiter bergab – bis in die Gosse – und dann sehen wir weiter. Oder ihr macht es so wie ich.

    Grüße aus Down Under 😉

    1. Sehr geehrter Herr Thomas Röper – vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit- diesen sehr interessanten Bericht/ Artikel geschrieben zu haben. Stimmt – Herr Lawrow spricht die Tatsachen und Wahrheiten aus. Scholz hat es nicht verstanden. Er ist ein sleepy-jor-Erfüllungsgehilfe und agiert nicht zum Wohl Deutschlands und wagt es, Russlands Präsident vor den Kopf zu stoßen, eine Schande.

  4. Alle sind immer die Guten.
    Und die anderen sind immer, je nach dem wie ihre Interessen gelagert sind und vertreten werden, Freunde, Verbündete oder Feinde.
    So geht es dahin durch die Jahrhunderte, ein schier endloser Politreigen.
    Hat die Menschheit inzwischen dazugelernt?
    Insgesamt ja, auch wenn manches zur Zeit als Rückschritt erscheint, die technischen Möglichkeiten der Kommunikation haben sich erheblich verbessert.
    Wenn jetzt der Mensch noch ein bischen nachzieht und begreift sowie zugibt, dass alle Fehler machen und dass es darum geht, diese gemeinsam im Konsens zu reduzieren…

      1. Die Guten, und das sind alle, halten sich immer für auserwählt, auch wenn es nicht alle offen propagieren.
        Da gab es mal die auserwählten Arier, die auserwählten Muslime oder Christen, die auserwählten Amerikaner, die auserwählten Ukrainer, und so weiter und so fort.
        Vermutlich kann keiner in die Politik gehen und/oder einen Regierungjob machen ohne ein bischen Größenwahn und ohne das Gefühl zu den Guten zu gehören.
        Vielleicht liegt es auch mit daran, dass nur die wenigsten Menschen daran interessiert sind, nicht zu den Guten zu gehören.
        Hinzu kommt, dass es auch einen Antrieb zum Gutsein geben muss, denn unwesentlich ist das keinesfalls.
        Fatal wird es allerdings dann, wenn zum Auserwähltsein das vermeintliche Recht zur Ausbeutung Nichtauserwählter dazukommt.

  5. (Zitat Lawrow: Was der Westen jetzt versucht, um seine Hegemonie aufrechtzuerhalten, bezeichnen manche als die Agonie dieser Ära.)

    Möchte man hinzufügen – die Agonie der westdeutschen Journaille. Die steckt hoffnungslos im manichäischen Selbstbild des ‚bedingungslosen Ihr oder Wir!‘ fest.

    Sehr typisch für diesen kranken Narzissmus – die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg heute morgen: „… Wenn Israel verliert – und das wäre dann der Fall, wenn die Hamas an der Macht bleibt – verliert der gesamte Westen.“ (Anm.: um das zu „verstehen“ die wenigen kranken … Sätze vorher: Die USA und die EU müssen aufhören, die Hamas durch Druck auf Israel zu belohnen. Stattdessen gilt es, Jerusalem bedingungslos politisch, materiell und – wenn es sein muss – auch militärisch zu unterstützen, damit es seine Ziele in diesem Verteidigungskrieg erreicht.)

    Fazit: Gestern wird der Westen von Lawrow und Putin bedroht, heute von der Hamas und morgen wird es Mexiko sein, „denn Mexiko hat uns im Westen bekanntlich die bösen Chihuahua eingebrockt.“

    1. „… Wenn Israel verliert – und das wäre dann der Fall, wenn die Hamas an der Macht bleibt – verliert der gesamte Westen.“

      Ich denke es ist eher umgekehrt.
      Wenn man weiter Psychpathen Israel und die USA regieren lässt, verliert der Westen seine Existenzberechtigung.

      Und die Hamas? Die Hamas ist eine soziale Hilfsorganisation, die Mafia von Gaza die die Bevölkerung tyranisiert und eine Organisation für Auftragsterror die von Israel und USA geschaffen wurde wie so viele andere Organisationen die man erst geschaffen hat um sie später bekriegen zu können. Unter anderem gehörte auch die NSDAP dazu.

  6. Dieses Ihr und Wir schleppen die Amis mit ihren europäischen Satrapen mit 30 jähriger Verspätung immer noch hinter sich her. Europa muß endlich aufwachen. Von der bRD kann aber kein Signal ausgehen, die hat noch unterwürfiger zu handeln als alle anderen. Ich setze nochmal den Irrsinn der USA hier rein, weil Europa diesen ausgemachten und unsinnigen Quatsch 1:1 umsetzen muß.
    https://paz.de/artikel/im-mutterland-des-woken-irrsinns-a10024.html

    1. Nur wenn sich die Amerikaner von denen befreien, die sie wirklich an der Gurgel haben, könnte das sich zum Guten ändern!

      Netanjahu, Finks Bar
      „Wenn wir erwischt werden, werden wir nur durch Personen der gleichen Art ersetzt. Seid also nicht an dem interessiert, was ihr tut. Amerika ist ein goldenes Kalb, und wir werden es aussaugen, zerhacken und Stück für Stück verkaufen, bis nichts mehr übrig ist als der größte Wohlfahrtsstaat der Welt, den wir schaffen und kontrollieren. Und warum? Weil das der Wille Gottes ist und Amerika groß genug ist, um den Schlag zu verkraften, und wir können es immer wieder tun. Das ist es, was wir mit den Ländern tun, die wir hassen. Wir zerstören sie ganz langsam und lassen sie leiden, weil sie sich weigern, unsere Sklaven zu sein. „(Dank an die Defense Intelligence Agency des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten)

            1. Das stimmt, ist aber nicht exakt. Wer über alle Völker herrschen will und ihnen kein Eigenleben zubilligt, ist von verkommenem Charakter. Daß sie überall dort sitzen, wie JanKa zitiert (Zitat findet man auch bei Wikilügia) zeigt die Außenpolitik der USA seit dem Tod von Kennedy. Landraub, Mord unerwünschter Politiker (meist national eingestellt), Korruption ganzer Regierungen, damit sie nicht ihren Völkern sondern ihnen dienen, Kriege zur Bereicherung, Eindämmen von Wettbewerb durch Schaffung von Monopolen, Verbreiten von Unmoral und schmutzigen Ideologien, Anzettelung von Revolutionen oder Farbmeutereien. Das SIND schmutzige Charaktere.

  7. Ich halte folgende Äußerungen bzw. Antworten von AM Lawrow für besonders beachtenswert:
    “ Es gibt viele Sprichwörter und Redewendungen, die die Seele und den Charakter unseres geduldigen Volkes widerspiegeln. „Alles ertragen“, wenn es um etwas Richtiges, Wichtiges geht. Andererseits gibt es das Sprichwort: „Gott hat ertragen und wir haben gehandelt“. Aber es gibt auch den Spruch „Siebenmal messen, einmal schneiden“. Wir haben acht Jahre gemessen.“
    Meine Interpretation auch im Zusammenhang mit weiteren hier nicht zitierten Aussagen von Herrn Lawrow:
    Russland hat nach sorgfältigstem Messen und nach geduldigstem Ertragen einen Schnitt vollzogen, der für mindestens eine Generation eine weitgehend komplette Abschottung vom verlogenen Werte-Westen nach sich ziehen wird. Russland wird sich dadurch endlich das ihm gebührende Selbstbewusstsein auf internationaler Ebene geben. Der Austausch mit China – der wohl am längsten in den heutigen Grenzen lebenden Nation – wird Russland dabei helfen. Russlands früherer Wunsch nach einer Zusammenarbeit mit dem WW insbesondere der EU ( siehe Putins Rede vor dem Reichstag ) ist auf absehbare Zeit ausgelöscht.
    Herr Röper, einmal mehr vielen Dank für die Übersetzung.

  8. Gestern gabs Jeffrey Sachs vor der UNO und Lawrow bei Herrm Röper. Wenige Tage zuvor Pyakin über den Xi-Besuch in San Franzisko. Gesunde Kost für hungrige Köpfe. Man könnte noch Viktor Urban in Zürich und – vielleicht – Wolfgang Eggert mit seiner Armageddon-Skizze in die Runde nehmen.
    Je mehr einen die glattgebügelten Hochglanz-Medien vergraulen, desto mehr kluge Köpfe trifft man. Bei Lawrow hat es mir eine diebische Freude bereitet, dass er Scholz und Habeck erwähnte, die eine aber nicht. Hatte er wohl keinen Bock drauf.

  9. Bei allem Wohlwollen, wann fangen die Russen an nachzuforschen, wer ihnen die Oktoberrevolution organisiert und finanziert hat? Dann käme Herr Lawrow nicht in den Sinn, Napoleon und Adolf dieselben Eroberungspläne zu unterstellen. Scholz und Habeck brauchen nichts zu verstehen, sie wissen, daß sie nur Befehle ausführen müssen wie der ganze unfähige Haufen, der sich bRD-Regierung nennt. Etwaige Nachfolger unterschreiben alle die Kanzlerakte, genauso gut könnte man da einen Schimpansen hinsetzen. Als solchen sehe ich auch den Scholz. An Wahlen nehmen wir seit 20 Jahren nicht mehr teil.

    1. Die Kanzlerakte ist ein Gerücht.
      So etwas braucht es auch gar nicht, weil die Wirklichkeit schon von ganz allein für die Tatsachen sorgt. Deutschland ist Kolonie seit 1918.

      Olav könnte auch durch einen Affen ersetzt werden. Das ist richtig.
      Aber dumm ist er nicht, er ist nur skrupellos und ein Opportunist.
      Aber verglichen mit unserem geliebten Kanzler Adolf, der uns damals von den gleichen Intressengruppen installiert wurde, ist er sogar noch ein besonnener und kluger Mann, der den Schaden insgesamt noch versucht gering zu halten.

      1. Manchmal bekommen solche Marionetten dann doch ein Eigenleben. Beim Adolf war dann Schluß mit allem Wohlwollen, als er die Finanzelite am Außenhandel nicht mehr mitverdienen ließ. Ab da war er der Böse. Dasselbe passierte Kennedy u.v.a. Bei uns Deutschen war man besonders haßerfüllt, sie vernichteten nicht nur unsere Führer, sie vernichten uns als Volk bis heute.

  10. Die EU war der Beginn der Globalisierung. Eigentlich sollte der Begriff „Globalsierung“ durch „Internationalisierung“ ersetzt werden, denn es handelt sich nicht um ein neues Phänomen, sondern um alten Wein in neuen Schläuchen. wir formen uns die Welt mit schönen Wörtern, und „Internationalisierung“ klingt behäbig, wie Sowjetunion, Kalter Krieg und Zusammenbruch.
    Genau das ist die EU, ein Überstaat, dessen postdemokratische (Vaclav Klaus) Haltung nicht nur uns Insassen, sondern der ganzen Welt zu schaffen macht. Das kommt, weil in diesem ein Zwergenhirn steckt. Man könnte fabulieren, die EU ist ein Zwerg mit Breitreifen.

    Bis 1990 war Europa friedlich, gegen den Streß und Terror der EU geradezu idyllisch. Wahrscheinlich waren die Spatztenhirne so scharf auf den Internationalismus, weil man da mit weniger handgriffen mehr Schaden anrichten kann. Die EU ist auch nur Übergang, der Moloch wird nicht mehr lange bestehen.

    Haben die Russen eine Plan für die Zeit nach der EU? Es könnte unerwartet friedlich werden?

  11. Und seine Amtskollegin in Deutschland braucht nur 3 Sätze, um darauf zu antworten: „Das 100000 km entfernte Russland ist böse und muss sich um 360° drehen! Und die bösen Russen müssen endlich die Kobolde freilassen, die sie in Batterien einsperren! Wir wollen Krieg mit Russland!!!“

    Da sieht man den Unterschied zwischen einem Aussenminister, der tatsächlich etwas von seiner Arbeit versteht, und einer Quotenfrau, deren einzige Aufgabe es ist, US-Propaganda zu verbreiten.

  12. Meine erste Frage an Lawrow wäre, wie mein Land die Glaubwürdigkeit als Vertragspartner wiederherstellen kann.
    Olaf Scholz mag ein Gartenzwerg sein, aber ich erinnere mich deutlich, dass er so lange er konnte, sich gegen Waffenlieferungen in die Ukraine gestellt hat. Er konnte eben nicht sehr lange. Und dieses Versagen hat System.

    Einerseits das System der politischen Auslese der Volksvertreter bevor sie ins Amt kommen, und danach die systematische Erpressung durch die Massenmedien, Koalitionspartner, Oposition, etc. Wie man an Olof Palme, Patrice Lumumba, John F. Kennedy, Abraham Lincoln und einer endlosen Reihe anderer sehen kann, ist bei Bedarf der Druck weiter steigerbar.
    Die Last ist einfach zu groß, um von einer einzelnen Person oder kleinen Gruppe getragen werden zu können. Wer sich nicht dreht, wie eine Fahne im Wind, wird abgebrochen. Was Minister Lawrow vermisst („wir werden zehn mal nachdenken“), ist Vertragstreue und politische Verlässlichkeit.
    Es kann keine politische Verlässlichkeit geben, wenn Leute Sachentscheidungen treffen, die nicht an die Interessen des Landes gebunden sind. Die Interessen des Landes oder des Staates oder des Volkes ändern sich nicht von heute auf morgen, und daher ist eine direkte Demokratie, aus meiner Sicht der beste Weg, die Glaubwürdigkeit des Landes wiederherzustellen. Eine Demokratie, in der strategische Entscheidungen, wie der Verkauf oder die Lieferung von Waffen, Entsendung von Truppen, Einführung von Sanktionen, staatlichen Lieferverträgen für Impfstoffe, Handelsabkommen, Verbot von Publikationen und grundlegende Gesetze ohne Volksentscheid nicht zu machen sind.

    Wir alle, die das lesen, sind hier, weil die Massenmedien aus unserer Sicht ein völlig verzerrtes Bild der Welt malen. Auch eine direkte Demokratie ist auf die korrekte und vollständige Information der Bevölkerung angewiesen. Mehr noch, als eine indirekte Demokratie oder eine Monarchie. Bei letzteren kann man annehmen, dass eine Klasse von Spezialisten aktiv nach den wahren Hintergründen des Weltgeschehens sucht, und sie auch weitgehend findet. Solange die Interessen dieser Klasse mit den Interessen des Volkes übereinstimmen, kann man diese mühsame Arbeit an sie auslagern. Das ist nur leider selten der Fall. Machen Sie sich die Mühe, und denken Sie selbst nach, wann es nicht der Fall ist.
    Wenn also die Suche nach vermutlich mit Absicht von bestimmten Akteuren gut verborgenen Zusammenhängen für die Breite Masse der Bevölkerung viel zu zeitaufwändig, und die Auslagerung an Spezialisten unzuverlässig ist, muss eine andere Form der Arbeitsteilung gefunden werden.
    Wie wir hier auf dieser Webseite anfanghaft sehen, bieten die Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnik, eine Chance, freien Journalismus mit einer Reichweite zu versehen, die früher nicht möglich war. Überlegen Sie, wie man institutionell ein breites und tiefes Bild der Welt noch besser fördern könnte.

  13. Scholz wird nicht umsonst Senilus oder Mr. Magoo genannt. Wenn in Deutschland nicht schnell eine politische Wende geschieht ist hier aus die Maus. Dann gibt es kein zurück mehr. Und dafür bleibt, ob man sie mag oder nicht, nur die AfD. Alle anderen gehören zur „ehrenwerten Gesellschaft“, zur Mafia. Möchte Deutschland überleben müssen die weg. Es war nie zuvor so schlimm, außer 1933, nur diesesmal andersrum.

  14. Vielen Dank, Herr Röper, für die vollständige Übersetzung. Es tut so wohl, überlegte und vernünftige Worte zu lesen. Wenn es auch heutzutage überall vordringlich um die wirtschaftliche Entwicklung geht – Grundlage bleibt die Sprache, die natürlich gewachsene Liebe zum Land und zu den „Nächsten“. Was derzeit aus Deutschland oder von anderswo auf schlecht deutsch tönt (und zwar von allen Seiten), diese Meinungen, Wir-ungen, Rechthabereien, Nötigungen, … erfüllt mich mit Trauer.

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