Der Kampf der Systeme um Venezuela

Noch immer beherrscht die Situation in Venezuela die Nachrichten. Das Land ist bettelarm und Schuld daran soll die sozialistische Regierung sein, die nach Meinung westlicher Medien und Politker nun weg muss. Da lohnt ein genauerer Blick auf die Situation.

Fakt ist, dass Venezuela seit der Wahl von Hugo Chavez 1999 eine schlechte Presse hat. Kein Wunder, hatte er doch die Privatisierung des staatlichen Ölkonzerns gestoppt. Auch Enteignungen sorgten für eine schlechte Presse, obwohl die enteigneten Eigentümer durchaus zu angemessenen Preisen entschädigt wurden. Es waren also eher Zwangsverkäufe als Enteignungen.
Nun kann man hierzu geteilter Meinung sein und sicher haben sich überall auf der Welt staatlich gelenkte Firmen selten als effizient erwiesen, andererseits zeigt die weltweite Erfahrung aber auch, dass Privatisierungen oft zu Rückgängen der Qualität führen. Das sieht man beispielsweise bei privatisierten Bahn-Unternehmen, die nicht genug in die Infrastruktur investieren und sehr viel öfter Verspätungen haben, als staatlich geführte Bahn-Unternehmen. Auch die Privatisierung von Wasserwerken haben mit der Zeit immer zu schlechterer Wasserqualität bei gleichzeitig steigenden Preisen geführt. So hat die staatliche Lenkung von Firmen nicht nur Nachteile und die private Lenkung von Firmen nicht nur Vorteile.
Das Thema ist hoch komplex und ich will hier nicht im Detail darauf eingehen, ich möchte nur aufzeigen, was das Kernproblem ist: Chavez hat sich offen gegen den im Westen propagierten Weg des Neoliberalismus und der Globalisierung gestellt, was dem Land in der Folge Sanktionen einbrachte. Und da beginnt das Problem, denn wenn man im Westen nun der venezuelanischen Regierung die wirtschaftliche Situation im Lande vorwirft, dann wird der Einfluss der Sanktionen immer verschwiegen. Wenn aber eine solche „sozialistische“ Regierung Gift für die Wirtschaft eines Landes ist, wozu braucht es dann Sanktionen? Man könnte doch entspannt abwarten, bis sie das Land selbst ruiniert. Ich will hier nicht für eine sozialistische Regierungsform plädieren, ich stelle nur die Frage, wozu es Sanktionen braucht.
Sanktionen sind immer Gift für eine Wirtschaft. Man muss sich jedoch fragen, warum westliche Länder nicht bloß die Wirtschaft sanktionieren, sondern auch zum Beispiel die Lieferung von Medikamenten einschränken. Das zielt nicht auf die Wirtschaft oder die Regierung, sondern führt zu Todesopfern in der Bevölkerung. Die Sanktionen des Westens sind also direkt für viele Tote verantwortlich. Im Irak unter Saddam Hussein starben sogar nach US-Angaben 500.000 Kinder an den Folgen der westliche Sanktionen, das nennt man normalerweise „Völkermord“ oder „Genozid“. Und bei den Befürwortern der damaligen Irak-Sanktionen gab es keine Reue und in den westlichen Medien wird das Thema unter den Teppich gekehrt, dabei war das ein Völkermord durch Medikementen-Embargo.
Auch in Venezuela findet das statt und der UN-Menschenrechtsrat hat das im September kritisiert und von vielen vermeidbaren Todesopfern durch die Sanktionen berichtet. So gab es in Venezuela Ende 2017 die schlimmste Malaria-Epedemie des Jahrhunderts, aber die Lieferung von Malaria-Medikamenten wurde verhindert. Haben Sie davon etwas in den westlichen Medien gehört? Dabei wurde der UN-Bericht sehr deutlich: „Die Sanktionen des 21. Jahrhunderts versuchen (…) souveräne Länder in die Knie zu zwingen. Ein Unterschied besteht vielleicht darin, dass Sanktionen des 21. Jahrhunderts von der Manipulation der öffentlichen Meinung durch ‚Fake News‘, einer aggressiven PR-Arbeit sowie einer Pseudo-Menschenrechtsrhetorik begleitet werden, um den Eindruck zu erwecken, dass das ‚Ziel‘ der Menschenrechte kriminelle Mittel rechtfertigt.“
Wer sich für Sanktionen ausspricht, der nimmt in der Regel den Tod unschuldiger Menschen in Kauf, nur berichten die Medien darüber nicht. Und der im Westen so gelobte venezuelanischen Oppositionsführer Guaido fordert nun sogar weitere Sanktionen gegen sein eigenes Land. Da muss man schon fragen, worum es ihm in Wahrheit geht. Will er, dass es den Menschen im Land endlich wieder besser gehen soll? Sanktionen sorgen jedoch für das Gegenteil. Oder geht es ihm einfach nur um die Macht?
Man muss sich diese Frage einmal stellen, denn andererseits redet er von einem korrupten Regime in Venezuela, dem unschuldige Menschen zum Opfer fallen. Korruption ist in Venezuela sicher ein Problem, war es immer. Aber wem fallen die Menschen zum Opfer? Dem „Regime“ oder den Sanktionen des Westens? Und wenn nun Guaido weitere Sanktionen fordert, nimmt er den Tod weiterer Unschuldiger billigend in Kauf.
Es stellt sich also die Frage, inwieweit die Venezuelanische Regierung selbst für die Misere im Land verantwortlich ist und inwieweit es die Sanktionen sind, die die USA und der Westen erlassen haben. Und den USA geht es dabei sicher nicht um Demokratie oder die Menschen in Venezuela, sondern um den Zugriff auf den staatlichen Ölkonzern und andere Wirtschaftszweige. Außerdem geht es generell um die Herrschaft der USA in ihrem Hinterhof, auf die sie seit der 1823 ausgerufenen Monore-Doktrin ganz offiziell pochen. Und es gibt auch einen Grund, warum es ausgerechnet jetzt zu einer solchen Unterstützung der USA für die Putschisten kommt: Die Venezuelanische Regierung spricht mit Russland über die Errichtung eines russischen Militärstützpunktes in Venezuela. Und so etwas wollen die USA in ihrem Hinterhof nicht zulassen.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass Venezuela keineswegs so pleite ist, wie gerne im Westen suggeriert wird. Zum Beispiel haben britische Banken schon vor Monaten abgelehnt, Venezuela Gold auszuhändigen, dass Venezuela gehört, aber in London gelagert wird. Und die USA wollen nun zwar weiterhin Öl aus Venezuela kaufen, aber die Zahlungen an Venezuela zurückhalten. Man stelle sich das vor: Die USA wollen Öl geliefert bekommen, aber selbst entscheiden, wann sie die Lieferungen bezahlen. Der Westen schneidet Venezuela mit solchen und anderen Maßnahmen also zuerst von seinem Einkommen und Vermögen ab, um danach zu sagen „Schaut hin, da herrscht Misswirtschaft, die haben kein Geld“.
Ich bin kein Anhänger von Präsident Maduro, mir geht es in erster Linie um das Völkerrecht. Und das Völkerrecht sagt eindeutig, dass es verboten ist, sich von außen in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einzumischen. Präsident Maduro bietet seinen Gegnern seit Tagen Gespräche an, die aber setzen stattdessen auf die ausländische Unterstützung und nicht auf den politischen Dialog in dem Land selbst.
Und was die westlichen Medien generell nie berichten ist, dass das internationale Recht auch einseitige Sanktionen verbietet. Sanktionen müssen vom UN-Sicherheitsrat verabschiedet werden, damit sie legal sind. Dieser wichtige Unterschied wird in den westlichen Medien nie thematisiert, alle Sanktionen werden über einen Kamm geschert. Dabei sind die vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Sanktionen gegen Nordkorea legal, die Sanktionen des Westens gegen Syrien, Russland, Venezuela etc. jedoch ein Bruch des Völkerrechts. Darüber hinaus sind sie auch ein Bruch der Regeln der WTO.
Und diese illegalen Sanktionen machen Venezuelas Wirtschaft zu schaffen und niemand kann nun sagen, ob an dem Elend in dem Land in erster Linie die westlichen Sanktionen schuld sind oder die Misswirtschaft der Regierung. Es wäre interessant zu sehen, wie sich Venezuela ohne die Sanktionen entwickelt hätte. Und man fragt sich dann, ob die USA tatsächlich davon überzeugt sind, dass das Land wirtschaftlich vor die Hunde gegangen wäre oder ob sie auf Nummer sicher gehen und nicht zulassen wollen, dass möglicherweise eine alternative Wirtschaftsform gezeigt hätte, dass sie den Menschen auch Vorteile bringen kann. Wenn die USA sich ihrer Sache sicher gewesen wären, hätte es keiner Sanktionen bedurft, die Regierung hätte das Land aus eigener Kraft ruiniert.
Und die EU hat sich wenig überraschend der Linie der USA angeschlossen und eine Frist von wenigen Tagen gesetzt, damit der Präsident Neuwahlen ausruft, ansonsten würden Sanktionen folgen. Für diese europäische Drohung hat die Regierung in Venezuela nur Spott übrig, man weiß dort ja, in wessen Auftrag die EU handelt. Entsprechend heftig waren die Formulierungen, die venezuelanische Politiker benutzten.
Die Lage im Land bleibt unübersichtlich, das Militär scheint auf Seiten des Präsidenten zu stehen. Wahrscheinlich wird am Ende das Militär über den Ausgang der Krise entscheiden. Und sollte es sich für den Präsidenten entscheiden, bleibt die Frage, ob die USA in dem Fall in Venezuela einmarschieren werden, um die ungeliebte Regierung zu entfernen.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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