Wie alles begann

Teil 8: Antimaidan im Südosten der Ukraine

Ich werde drei Wochen lang an jedem Wochentag einen Teil der Chronologie der Ereignisse des Jahres 2014 veröffentlichen, die den Grundstein für den Krieg in der Ukraine gelegt haben.

Die Ereignisse des Jahres 2014 haben den Grundstein für die Eskalation in der Ukraine gelegt, zu der es vor fast einem Jahr gekommen ist. In meinem Buch über die Ukraine-Krise habe ich die Ereignisse des Jahres 2014 auf über 700 Seiten chronologisch dokumentiert. Da sich diese Ereignisse nun zum neunten Mal jähren, werde ich in den nächsten drei Wochen täglich ein Kapitel aus dem Buch als Leseprobe veröffentlichen.

In dieser 15-teiligen Serie werde ich die Chronologie der Ereignisse vom Beginn des Maidan Ende 2013 bis zum Beginn des Krieges im Donbass im April 2014 behandeln. Diese – heute fast vergessenen – Ereignisse haben den Grundstein für den Krieg in der Ukraine gelegt und sind zum Verständnis dessen, was sich heute ereignet, unverzichtbar.

In diesem achten Teil der 15-teiligen Serie geht es um den Antimaidan im Südosten der Ukraine, der in den westlichen Medien nie behandelt wurde. In dem Buch sind alle Quellen angegeben.

Antimaidan im Südosten der Ukraine

Im Südosten des Landes fand die Maidan-Bewegung keine Unterstützung, im Gegenteil. Die Ereignisse in Kiew wurden mit Besorgnis beobachtet.

Die Krim war eine autonome Republik innerhalb der Ukraine und hatte ihr eigenes Parlament, welches – man muss darauf hinweisen – im Oktober 2010 demokratisch gewählt wurde. Die politische Stimmung auf der Krim war klar pro-russisch, die Bevölkerung fühlte sich eher russisch als ukrainisch. Das drückte sich auch in dem Wahlergebnis aus, wie man auf dem Schaubild (Quelle deutsches Wikipedia, mit freundlicher Genehmigung, Autor Garik TNU ) sehen kann. 80 der 100 Sitze gingen an die „Partei der Regionen“ von Präsident Janukowytsch, die ihre politische Heimat im von ethnischen Russen bewohnten Osten der Ukraine hat. Weitere drei Sitze bekam die Partei „Russische Einheit“, die sich offen für einen Beitritt der Krim zum russischen Staat aussprach und die Kommunistische Partei, ebenfalls nicht pro-westlich, bekam fünf Sitze. Damit waren 88 der 100 Sitze im Parlament der Krim an Parteien gegangen, die pro-russisch bzw. west-kritisch waren. Und dieses deutliche Wahlergebnis kam in einer demokratischen Wahl zu Stande, was durchaus Rückschlüsse auf die politische Stimmung auf der Krim schon vor den Ereignissen in Kiew zulässt. Der auf der Krim unpopuläre Maidan dürfte die Stimmung kaum in Richtung Westen gedreht haben.

Entsprechend verständlich wird vor diesem Hintergrund die Einstellung im Osten des Landes und speziell auf der Krim zu den Vorgängen in Kiew. Schon am 21. und 27. November 2013, also noch vor dem Gipfel in Vilnius, beschloss das Parlament der Krim zwei Resolutionen, in denen es den Kurs der Regierung in der Frage des Assoziierungsabkommens unterstützte und die Demonstrationen auf dem Maidan verurteilte. Die „Ukrainische Prawda“ zitierte am 27. November in einem inzwischen aus dem Netz verschwundenen Artikel aus dem Beschluss: „Nach Meinung der Abgeordneten fördert die Opposition „eine Hysterie rund um das Assoziierungsabkommen, greift zu politischer Erpressung, spaltet die Gesellschaft und destabilisiert die gesellschaftliche und politische Situation im Land““

Am 2. Dezember wandte sich das Krim-Parlament mit der Aufforderung an Präsident Janukowytsch, die Ordnung im Land wiederherzustellen, notfalls durch das Ausrufen des Ausnahmezustandes. Darüber berichtete die „Ukrainische Prawda“ am 2. Dezember und zitierte aus dem Aufruf des Parlaments: „Die Meinung eines Jeden muss gehört werden. Ansonsten entsteht die Illusion, dass zu den aktuellen Vorkommnissen nur die eine Meinung haben, die Kiews Straßen und Plätze füllen, die versuchen, ihre Wünsche, Ziele und Positionen als den Willen des ganzen ukrainischen Volkes darzustellen. Aber das ist bei Weitem nicht so“

Am 11. Dezember veröffentlichte die ukrainische Zeitung „Analitik“ eine Zusammenfassung solcher Resolutionen und Beschlüsse aus allen Teilen der südöstlichen Ukraine. Ähnliche Aufrufe an den Präsidenten, die Ordnung im Land wiederherzustellen kamen aus Donezk, Lugansk, Cherson, Odessa, Charkow, Poltawa, Tscherkask und Nikolajewsk, also aus der gesamten südöstlichen Ukraine. Überall bekamen diese Aufrufe große Mehrheiten in den Parlamenten, nirgends stimmten weniger als 80% der Abgeordneten für diese Aufrufe.

Ebenfalls am 11. Dezember gab die Regierung der Krim eine Erklärung heraus, in der sie die Bevölkerung der Krim zur Unterstützung gegen den Maidan aufrief und schrieb: „Heute steht die Krim vor der Wahl: entweder eine gewaltsame Maidanisierung zu ertragen oder den staatsfeindlichen und krimfeindlichen Kräften eine entschiedene Antwort zu geben. Darum wenden wir uns an jeden einzelnen von Ihnen, unsere gemeinsame Position unabhängig von Ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion und politischen Ansichten deutlich zu demonstrieren. Niemand in Kiew soll sich der Illusion hingeben, dass die Krim sich einen fremden Willen aufzwingen lässt“

Am 12. Dezember meldete die ukrainische „Interfax“ bereits, dass auf der Krim Selbstverteidigungskräfte gebildet wurden und zitierte den Abgeordneten Kolesnitschenko: „In Sewastopol haben sich über 800 Menschen freiwillig gemeldet, um den Selbstverteidigungskräften beizutreten und die staatliche Ordnung und die Verfassung zu verteidigen. Auf der Krim sind in jeder Stadt ähnliche Einheiten gebildet worden. Und im Südosten der Ukraine formieren sie sich auch.“

Wer diese Meldungen liest, der kann nicht überrascht sein, dass sich nach dem Umsturz in Kiew Ende Februar sofort gut organisierter Widerstand im Osten und Süden der Ukraine bildete. Dennoch war es für die Öffentlichkeit im Westen überraschend, da sich in den westlichen Medien überhaupt keine Meldungen über die „Antimaidan“-Bewegungen fanden. Es war aber absehbar, dass ein Umsturz in Kiew im Osten zu Widerstand führen würde.

Ohne hier auf alles im Einzelnen eingehen zu wollen, gab es solche Ereignisse während der ganzen Dauer des Maidan: Die Regionen im Osten und Süden der Ukraine waren aufgrund der Ereignisse in Kiew besorgt und Janukowytsch wurde von dort immer wieder aufgefordert, die Ordnung wiederherzustellen. Viele forderten auch die Verhängung des Ausnahmezustandes. Diesen Forderungen kam Janukowytsch aber nicht nach.

Am 4. Februar schrieb „Lenta.ru“ unter der Überschrift „Abgeordnete der Krim wenden sich mit der Bitte um Schutz an Russland“ und zitierte Stimmen von Abgeordneten der Krim: „«Wir sind einfach verpflichtet, uns an die Russische Föderation zu wenden. Die Krim ist eine russische Autonomie, ethnische Russen, russische Kultur und Sprache. Es ist klar, dass die Krim ein multi-ethnisches Territorium ist, auf dem Vertreter verschiedenster Nationalitäten in Frieden und Eintracht leben. Trotzdem kann unser Beschützer nur die Russische Föderation sein.»“ Ähnliche Stimmen gab es auch in anderen Ostukrainischen Gebieten.

Hier soll nicht detailliert über die Proteste gegen den Maidan eingegangen werden, obwohl es dazu genauso viel zu schreiben gäbe, wie über den Maidan selbst. Es soll nur darauf hingewiesen werden, dass diese Bewegungen vorhanden waren und dass die Besorgnis der Bevölkerung und der Volksvertreter im Osten und Süden des Landes echt und keineswegs inszeniert war. Über die Proteste im Osten, die nach dem Machtwechsel in Kiew eskalierten, werde ich später dann detaillierter berichten.


In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

7 Antworten

  1. Wir haben also eine große Mehrheit, die prorussisch dachte. Aber einen konkreten Anschluss an Russland befürwortete nur eine kleine Minderheit. Das änderte sich schlagartig nach dem Putsch. Die Westpresse hat sich nicht die geringste Mühe gemacht, diesen Standpunkt zu verstehen. Die wurden alle „von Putin“ aufgehetzt. Wobei dieser offenbar einen Blitzerfolg erzielt hatte. Jedem kritischen Journalisten hätte auffallen müssen, dass dieses Bild nicht stimmt.

    Seien wir ehrlich: ganz und gar friedlich war der Anti-Maidan nicht. Da wurde schon mal ein Rathaus gestürmt. Aber nichts im Vergleich zum Maidan, wo es von Anfang an Tote gab. So etwas wie dieses brennende Gewerkschaftshaus gab es nicht.

    Aber die Westpresse hat völlig andere Maßstäbe angelegt. Riesenjubel, als Kiew mit Panzern und Haubitzen eine „Anti-Terror-Operation“ startete. Die von Anfang an als „Strafaktion“ bezeichnet wurde.

  2. Mich würde interessieren wie es überhaupt dazu kam, dass die Krim überhaupt zur Ukraine gehörte.
    Soweit ich weiß hatte die Krim sich schon in Februar 1991 als unabhängig von der UdSSR erklärt.
    Die Ukraine aber erst Monate später.
    Ging es dabei rechtens zu oder könnte man die damalige Vereinnahmung der Krim durch die Ukraine nicht auch schon als eine Annektierung bewerten?

    1. @Mircutux

      Wenn ich mich recht entsinne, gab es damals wohl schon ‚Umfragen‘ in den ehemaligen SU & die überwiegende Mehrheit wollte die Su NICHT ‚aufteilen‘ sondern zusammen bleiben…..
      Doch es war wohl schon entscheiden zwischen den „Mächtigen im Hintergrund“.
      Die Krim war schon immer eine ‚autonome Republik‘ – ich glaube sogar, dass sie das auch innerhalb der Ukraine, der sie verwaltungstechnisch zugeschlagen wurde, war. Und sie hatte ja auch noch 2014 ihr EIGENES Parlament….

      Die Krim hatte sich wohl 1991 unabhängig von der Ukraine erklärt. Wahrscheinlich war das zu diesem Zeitpunkt die Wahl, da sich ja die „Unabhängigkeitserklärungen“ häuften… definitiv wollten sie niemals zur Ukraine gehören!

      1. @GMT
        Danke dir für die Antwort.
        Ich halte es trotzdem für wichtig, da noch etwas nähere Informationen zu erhalten.
        Wie kommt es dazu, dass die Krim, die sich als erstes unabhängig erklärt und ich denke mal, dass sie das gerade aus dem Grund tut, um nicht automatisch zur Ukraine zu gehören die auch im Begriff ist sich abzuspalten. Wie kommt es, dass diese Krim plötzlich dann doch zur Ukraine gehört. Und wenn dazu Militär nötig war und die Ukraine hat Soldaten auf der Krim stationiert, das weiß ich, dann war dies eine gewaltsame Annektion.

  3. Der Grundstein für diesen Konflikt, Krieg, wurde bereits 1989/1990 gelegt, mit der NahTod-Osterweiterung durch den Verrat der Trotzkisten am russischen und mitteldeutschem Volk …
    Das zu erkennen liegt den Westdeutschen natürlich fern, müßten sie sich doch eingestehen, daß sie keine Ahnung von der Geschichte haben …. und nur soweit denken können, wie ein fettes Schwein springt …

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