Transnistrien und Moldawien

Die Hintergründe des Kongresses in Transnistrien

Am 28. Februar wurde in Transnistrien der Kongress aller Abgeordneten, das höchste Organ des nicht anerkannten Staates, einberufen und es gab Vermutungen, Transnistrien würde um Aufnahme in den russischen Staat bitten. Aber es kam anders. Hier zeige ich, was passiert ist.

Die Aufregung war groß, als Transnistrien für den 28. Februar den Kongress aller Abgeordneten, das höchste Organ des nicht anerkannten Staates, einberufen hat, denn die pro-russische Republik will schon lange Teil Russlands werden und am 29. Februar sollte Putin seine Rede an die Nation halten. Viele, auch ich, haben vermutet, der Kongress könnte Putin in dieser Situation unter Druck setzen wollen, indem er offiziell um die Aufnahme in den russischen Staat bittet.

Aber nichts dergleichen geschah und der Kongress verabschiedete eine – auf den ersten Blick – nichtssagende Erklärung mit der Bitte um diplomatische Unterstützung zur Lösung des Konfliktes mit Moldawien. Putin erwähnte Moldawien und Transnistrien in seiner Rede am nächsten Tag mit keinem Wort.

Warum das alles passiert ist, hat ein russischer Artikel sehr schön erklärt. Daher habe ich den russischen Artikel übersetzt und werde anschließend noch einen zusätzlichen Gedanken äußern.

Beginn der Übersetzung:

Warum hat Putin nicht auf den „Hilferuf“ aus Transnistrien reagiert hat, und gab es den überhaupt?

Der aktuelle Kongress aller Abgeordneten in Tiraspol war erst die siebte Veranstaltung dieser Art in den 34 Jahren des Bestehens der Transnistrischen Republik. Alle bisherigen Kongresse haben wichtige Entscheidungen getroffen, die für Schlagzeilen gesorgt haben. So beschlossen die gewählten Volksvertreter auf dem sechsten Kongress 2006, ein Referendum über den Beitritt zu Russland abzuhalten, das von 97 Prozent der Transnistrier unterstützt wurde.

In Anbetracht der Tatsache, dass seitdem fast 18 Jahre vergangen sind, war zu erwarten, dass auf dem siebten Kongress am 28. Februar etwas Außergewöhnliches geschehen würde. Das und die Tatsache, dass Wladimir Putin am nächsten Tag seine Rede vor der Föderalversammlung halten sollte, schufen den Nährboden für Spekulationen, dass die Abgeordneten Moskau bitten würden, die Transnistrische Republik als Teil Russlands zu akzeptieren. So, wie dieses Thema aufgegriffen und viel kommentiert wurde, haben das viele geglaubt.

Es ist offensichtlich, dass diejenigen, die diese Gerüchte verbreitet haben, keine Freunde Russlands sind. Transnistrien hat im Gegensatz zur Krim und den Donbass-Republiken keine Verbindung zu Russland, weder auf dem Land- noch auf dem Seeweg. Ja, und auch nicht auf dem Luftweg. Moskau ist heute physisch nicht in der Lage, irgendetwas zu tun, um die Wiedereingliederung des schmalen Streifens russischen Landes entlang des linken Dnjestr-Ufers zwischen der banderistischen Ukraine und dem russophoben Moldawien sicherzustellen.

Darum hätte eine solche Aufforderung, noch dazu am Vortag von Putins Rede, die nach Carlsons Interview in der ganzen Welt verfolgt wurde, Moskau in eine verzweifelte Lage gebracht. Hätte Moskau das unterstützt, wären Transnistrien und die dort stationierten russischen Friedenstruppen der Gefahr einer Invasion von zwei Seiten ausgesetzt werden. Eine Verweigerung oder das Ignorieren einer solchen Aufforderung hätte bedeutet, dass Russland kurz vor den Wahlen sein Image als Verteidiger der Russen beschädigt (nach dem Motto, seht her was Putins „wir lassen unsere Leute nicht im Stich“ wert ist).

Aber selbst das hätte eine „Säuberung“ Transnistriens nach einem Beitrittsgesuch zu Russland nicht ausgeschlossen, da es den fragilen Status quo aufgebrochen hätte. Ja, Moskau hätte geschwiegen, aber Transnistrien hätte es gesagt und damit einen Kriegsgrund geschaffen.

Und es gibt genug Leute in Paris (so wie Macron, der gedroht hat, Soldaten zu schicken, um der Ukraine zu helfen), Bukarest, London, Washington und Brüssel, ganz zu schweigen von Chisinau und Kiew, die das Feuer des Krieges am Dnjestr entfachen wollen, das die Voraussetzungen dafür schaffen würde, NATO-Truppen in die Region zu ziehen, den Konflikt in der Ukraine zu verschärfen und medial davon abzulenken, wie schlecht es für den Westen läuft.

Aber am Ende ist das nicht passiert. Die bereitstehenden Provokateure mussten die Situation wieder runterspielen, indem sie die Resolution und die Erklärung des Kongresses als einen „Hilferuf“ dargestellt haben, den Moskau angeblich beiseite geschoben hat. Eine große Nummer konnten sie nicht abziehen, also haben sie sie verkleinert.

Aber worum haben die Transnistrier Russland genau gebeten? In der Abschlusserklärung des Kongresses ist zu lesen:

„Verabschiedung eines Appells an den Föderationsrat und die Staatsduma der Russischen Föderation mit der Bitte, unter den Bedingungen des verstärkten Drucks von Seiten der Republik Moldawien, unter Berücksichtigung der Tatsache des ständigen Aufenthalts von mehr als 220.000 russischen Staatsbürgern auf dem Territorium der Transnistrischen Republik und der einzigartigen positiven Erfahrung der russischen Friedenssicherung am Dnjestr sowie des Status eines Garanten und Vermittlers im Verhandlungsprozess diplomatische Maßnahmen zum Schutz Transnistriens zu ergreifen.“

Mit anderen Worten, es ist eine Petition an die russischen Parlamentarier (nicht an Putin, nicht an das Außenministerium, nicht an das Verteidigungsministerium, oder an noch sonst wen), um irgendwie Einfluss auf Chisinau zu nehmen. Gleichzeitig (voreingenommene Kommentatoren haben das nicht erwähnt) hat der Kongress solche Appelle an den UN-Generalsekretär, die OSZE, das Europäische Parlament und andere gerichtet. Die Idee ist überall dieselbe: Sandu, Recean und Grosa sollen aufhören, Transnistrien mit der Wirtschaftsblockade zu strangulieren, die eine humanitäre Katastrophe heraufzubeschwören droht.

Dabei läuft die Konfrontation zwischen den beiden Ufern des Dnjestr schon lange, die Militäroperation geht in ihr drittes Jahr, aber über die „Blockade“ spricht Tiraspol erst jetzt. Was passiert wirklich?

Bis zu diesem Jahr genossen die transnistrischen Wirtschaftsakteure jahrzehntelang Privilegien, da sie für den Export ihrer Produkte über den Dnjestr (die Grenze zur Ukraine ist seit Februar 2022 geschlossen) keine Zölle zahlen mussten. Sie gingen vor allem in die EU (im Wert von 230 Millionen Dollar im Jahr 2023) und in das „feindliche“ Moldawien (im Wert von 391 Millionen Dollar), das zwei Drittel aller Exporteinnahmen Transnistriens beisteuerte (auf Russland und seine Partner in der Eurasischen Wirtschaftsunion entfielen übrigens weniger als 50 Millionen Dollar).

Für die Aufrechterhaltung dieser so günstigen Position wollte Chisinau von Tiraspol eine Reihe von Vorteilen erhalten, übrigens nicht geopolitischer Art, wie man meinen könnte, sondern wirtschaftlicher Art, vor allem bei der Lieferung von Strom aus dem moldawischen Stromkraftwerk (das trotz seines Namens in Transnistrien liegt und mit russischem Gas betrieben wird, von dem sich Moldawien „heldenhaft“ getrennt hat).

Da Moldawien nicht bekommen hat, was es wollte, und der sinnlosen Verhandlungen überdrüssig war, hat es die Privilegien für transnistrische Unternehmen (d.h. für die Sheriff-Gruppe, deren Schützling Vadim Krasnoselsky jetzt Präsident Transnistriens ist) ab dem 1. Januar abgeschafft. In dieser Situation ist nicht so sehr der wirtschaftliche Schaden wichtig (obwohl er auch wichtig ist), sondern die Störung der etablierten Ordnung, weil Moldawien de facto begonnen hat, seine Gerichtsbarkeit (erstmal das Zollrecht) auf das linke Ufer auszudehnen. Tiraspol hat das natürlich nicht gefallen, aber es kann nichts tun, denn nachdem die Ukraine alle Kontrollpunkte im Osten geschlossen hat, kann Transnistrien nur in Richtung Westen, also über Moldawien, exportieren und importieren.

Deshalb hat Krasnoselsky den ersten Kongress seit 18 Jahren einberufen, um ausländische Akteure zu bitten, zu intervenieren und Sandu & Co. irgendwie zu beschwichtigen. Und zwar nicht so sehr Russland, auf das Chisinau sowieso nicht hört.

Es ist bezeichnend, dass in den letzten Tagen hochrangige diplomatische Delegationen aus der Ukraine, den USA und Großbritannien Transnistrien besucht haben. So einen Zustrom ausländischer Gäste hat es in Tiraspol schon lange nicht mehr gegeben und man sollte meinen, dass sie nicht gekommen sind, um die örtlichen Sehenswürdigkeiten zu bewundern.

Was Russland betrifft, so wird es seine Leute nicht im Stich lassen. Transnistrien muss nur darauf warten, dass die russische Stadt Odessa in seine Heimat zurückkehrt, und dann kommt alles von selbst. Bis dahin müssen wir geduldig sein und dürfen uns nicht zu Provokationen hinreißen lassen, wie sie unsere Gegner auf dem Kongress versucht haben.

Ende der Übersetzung

Für mich war hier vor allem die Verbindung des transnistrischen Präsidenten Krasnoselsky mit dem wichtigsten Wirtschaftskonglomerat Transnistriens neu. Das bedeutet, dass Krasnoselsky – im Gegensetz zu seiner Bevölkerung – kein wirkliches Interesse an einer Vereinigung Transnistriens mit Russland haben dürfte, weil Russland derartige oligarchische Strukturen, in denen die Wirtschaft Einfluss auf die Regierung nimmt, zerschlägt.

Es ist eben oft alles noch etwas komplizierter, als man zunächst denkt…


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

18 Antworten

    1. Dem stimme ich zu!
      Zeit, den Ukras die Schwarzmeerküste zu entreißen!
      Auch zum Schutz der Schwarzmeerflotte vor westlichen Seedrohnen!

      Cherson, Nikolajev, Odessa! … Das sollte die nächste Offensive werden!
      Und ja, auch stärker draufhauen auf die AFU! Diese Bande darf nicht mehr zu Atem kommen!

      1. Sicher, nur Russland bestimmt, wann es sich um Odessa kümmert – doch auf dem Plan steht es allemal, wie öffentliche Stellen vermelden.

  1. Transnistrien und Moldawien sind ZWEI verschiedene Länder. Beide haben sich im Jahr 1990 als unabhängig erklärt. Gibts denn keine Landkarte die das berücksichtigt?
    Transnistrien hat in seiner Flagge ein Symbol mit Hammer und Sichel was die Frage wer dort Priorität hat beantworten sollte. Krasnoselsky mag zwar der Präsident sein aber wenn das Volk und die Parteien etwas anderes wollen so wird das durchgesetzt, sobald das Problem mit der Ukraine und Moldawien gelöst ist.

  2. Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe ist also ganz Transnistrien wirtschaftlich gesehen ein einziger Oligarch, nämlich der genannte Krasnoselsky, der gleichzeitig Präsident und wohl auch ?Chef? der Sheriff Gruppe ist!?
    Oder welche Funktions- bzw. Eigentumsverhältnisse bestehen hier nachweislich!???
    Denn „Schützling“ sagt ja nun leider gar nichts genaues aus!??
    Vielmehr ist angesichts des „mikroskopischen“ Wirtschaftsraumes von einem vollständigen Monopol auszugehen!?? Innerhalb dessen Krasnoselsky lediglich ein „kleiner“ Angestellter ist!??
    P

  3. weil Russland derartige oligarchische Strukturen, in denen die Wirtschaft Einfluss auf die Regierung nimmt, zerschlägt.

    Die Wirtschaft nimmt überall in Westeuropa Einfluß auf die Politik. Das heißt die Geldmacht selbst bestimmt den Fluß des Geldes und ist unkontrollierbar geworden. Wunderbar, ein Beweis, daß Putin diese globalen Machenschaften beendet hat. Danke für en Hinweis!

  4. Momentan steht die Entscheidung noch aus, ob der Westen diesen Krieg offiziell mit eigenen Truppen befeuern wird oder ob Verhandlungen eingeleitet werden.

    Wegen Transnistien wird Russland sich nicht aufopfern. Aber wenn der Westen nicht einlenkt und akzeptable Rahmenbedingungen für die Sicherheit Russlands zustimmt, dann wird der russische Fleischwolf auch bald EU Personal mahlen müssen.
    Kiew? Odessa? Wer weiß denn schon wie in 2 oder 5 Jahren die Zukunft aussieht.

  5. Es war klar, dass Russland in Transnistrien gerade nicht viel tun kann — jedenfalls nicht, ohne im Schnelldurchgang den Oblast Odessa zu befreien oder zumindest bei Udobne einen Durchgang vom Schwarzen Meer zu Transnistrien zu schaffen (was Selbstmord wäre, jedes russische Schiff würde spätestens bei der Pidyomnyy-Brücke beschosssen).

    Ich befürchte, der wahre Grund für die „hochrangigen diplomatische Delegationen aus der Ukraine, den USA und Großbritannien“ ist die Vorbereitung einer Farbrevolution, in der Transnistrien einen neuen Kongress „wählt“, der dann dem Anschluss an Moldawien bzw. Rumänien zustimmt, ohne das Volk zu befragen.

    Die Nazis wissen, dass sie sich damit beeilen müssen, weil die (für sie) Gefahr besteht, dass Russland früher oder später bis Odessa vorrückt, und dann die Sicherheit von Transnistrien garantieren kann. Wenn Transnistrien bis dahin nicht an Moldawien/Rumänien angeschlossen ist, wird es unabhängig bleiben.

    Ich erwarte eine Farbrevolution in den nächsten 6 Monaten.

  6. …der „Fall Transnistrien“ wird zum Ende, oder nach dem Ende der MSO geklärt werden, hat im Moment Zeit !!..😎

  7. Das Interessante an dem Artikel ist ja, dass Russland hier eindeutig zugibt, dass nicht nur der Donbass und Cherson seine Kriegsziele sind, sondern auch die Stadt Odessa…
    Insofern sind ja alle Äußerungen obsolet und eine „Friedensverhandlung“ wird es auf absehbare Zeit nicht geben, da russland seine Kriegsziele ja noch nicht erreicht hat… Schon verwunderlich, dass gerade die AFD oder BSW so auf einen Frieden drängen, wohl wissend, dass Russland weitere teile der Ukraine sich einverleiben will (entgegen dem Budapester Memorandum).

    1. …sind sie nicht so traurig… ….ihre Auftraggeber bekommen „Galizien“ und die überlebenden AZOV – Kämpfer, auch im Rollstuhl und nur noch einen Arm !!..😈

    2. @zusa

      Entnazifizierung & Entmilitarisierung ist das Ziel!
      Odessa als russ. Stadt wurde ja von den fanatischsten Nazis, die man in die Verwaltung & Institutionen schickte nach dem Maidan-Putsch, vergiftet…aber ganz sicher werden die Einwohner von Odessa die Befereiung von den Nazis feiern! DANN haben auch die wieder Frieden!

    3. Dass es Sinn machen würde, Odessa zu befreien und damit die NAziTO vom Nordufer des Schwarzen Meers abzuschneiden, ist jedem klar — aber im Gegensatz zu den US-/EU-/UK-Kriegsverbrechern steht Russland nicht auf der Seite von „was wir haben wollen, holen wir uns, egal um welchen Preis“.

      Russland geht Kompromisse ein und muss nicht unbedingt alles, das sinnvoll wäre, erreicht haben.

      Falls Russland Odessa übernimmt, liegt die Schuld dafür einzig und allein bei den westlichen Nazis, weil sie jede friedliche Lösung blockiert haben.
      Russland und die Ukraine waren schon vor 2 Jahren bereit, einen Friedensvertrag zu schliessen (auch, ohne dass Russland Odessa übernommen hätte!) – nur der Kriegsverbrecher Johnson und seine Hintermänner in WARshington D.C. wollten das nicht.

      1. @Stop Bush
        „Falls Russland Odessa übernimmt, liegt die Schuld dafür einzig und allein bei den westlichen Nazis, weil sie jede friedliche Lösung blockiert haben.“

        Genau so ist es. Mit jedem Tag der vergeht, wird die (Rest)Ukraine kleiner werden.

Kommentare sind geschlossen.