Macron sieht sich bestätigt und bezeichnet die Nato erneut als „Hirntod“

Macron hat die Nato erneut als „Hirntod“ bezeichnet. Der Grund war ein Vorfall vor der libyschen Küste. Die (Hinter-) Gründe des Vorfalls und seine Vorgeschichte zeigen deutlich, dass die Nato vielleicht nicht hirntot ist, aber zumindest ein nur noch künstlich auf Druck der USA zusammengehaltenes Kriegsbündnis.

Am 18. Juni hat ein Vorfall im Mittelmeer einen der Risse in der Nato gezeigt. Der Spiegel berichtete:

„Frankreichs Angaben zufolge hatten sich türkische Schiffe kürzlich der französischen Fregatte genähert, als diese im Rahmen des Nato-Einsatzes zur Überwachung des Waffenembargos gegen Libyen ein Frachtschiff inspizierte. Die türkischen Schiffe hätten dabei die Fregatte drei Mal mit dem Feuerleitradar angestrahlt. Solche Radarsysteme dienen der Lenkung von Geschossen.
Frankreich wirft der Türkei zudem vor, das Uno-Embargo gegen Waffenlieferungen an Libyen zu verletzen.“

Viel mehr gab es dazu in deutschen Medien nicht zu erfahren. Die „Qualitätsmedien“ stellen die Nato ja als „Wertegemeinschaft“ und „Friedensbündnis“ dar, da stören negative Berichte nur.

Frankreichs Präsident Macron hat am 22. Juni den Vorfall zum Anlass genommen, die Nato erneut als „Hirntod“ zu bezeichnen. Die russische Nachrichtenagentur TASS und andere russische Medien haben am gleichen Tag berichtet, deutschsprachige Medien tun sich da schwerer. Als ich für die Meldung eine Bestätigung auf Deutsch gesucht habe, um sie zu verlinken, hat eine Google-Suche am 23. Juni 2020 um 15.30 Uhr nur alte Meldungen über Macrons „Hirntod“-Äußerungen von 2019 ergeben. Erst auf Seite drei der Google-Suchergebnisse fand ich dazu eine aktuelle Meldung von Euronews, die berichtete:

„Frankreich und die Türkei sind beide NATO-Mitglieder. Dennoch kam es dem Elysée-Palast zufolge im Mittelmeer jüngst beinahe zu einer Konfrontation zwischen der französischen und der türkischen Marine. „Wenn ich sehe, was in der vergangenen Woche nahe der libyschen Küste unter der Befehlsgewalt der NATO geschehen ist, halte ich das für nicht hinnehmbar. Und ich komme auf meine Äußerung über den Hirntod der NATO zurück: Das ist einer deutlichsten Beweise, die es geben kann“, so Macron.“

Bemerkenswert ist, dass schon Macrons erste Äußerung vom letzten Jahr über den „Hirntod“ der Nato zum Beispiel vom Spiegel, der selbsternannten Pressestelle der Nato, seinerzeit verschwiegen wurde. In seinem Artikel über das fragliche Interview von Macron hat der Spiegel über diese Äußerung Macrons kein Wort verloren. Russische Medien haben das hingegen mit Freude aufgegriffen.

Die Vorgeschichte des Konfliktes im Mittelmeer

Eine Zusammenfassung der Situation in Libyen finden Sie hier, daher will ich jetzt nur kurz darauf eingehen.

Es geht um die Vorherrschaft im Mittelmeer und natürlich um Bodenschätze. 2011 war es Frankreich, dass am lautesten auf einen Sturz des libyschen Machthaber Gaddafi gedrängt hat. Auf die Vorgeschichte und die Rechtsbrüche der Nato-Staaten, die dann in Libyen aktiv geworden sind, will ich hier auch nicht eingehen, ich gehe davon aus, dass das weitgehend bekannt ist.

Wichtiger sind die Folgen des Krieges gegen Libyen. Nach Gaddafis Sturz zerbrach der libysche Staat, Islamisten kämpften um die Macht, das Land versank im Chaos, weit über 100.000 Menschen sollen dort getötet worden sein. Wenn man die Libyer gefragt hätte, was ihnen lieber gewesen wäre: Ein Leben unter Gaddafi oder Krieg, Zerstörung und Chaos – was meinen Sie, wie die Menschen wohl geantwortet hätten?

Den Franzosen ging es nicht um Menschenrechte oder die Freiheit der Libyer, es ging um das Öl der ölreichsten Landes Afrikas. Die Ölquellen liegen im Osten des Landes und so hat Frankreich die Kräfte, die dort die Macht hatten, unterstützt, um sich das Öl zu sichern. Diese Karte zeigt das sehr gut.

Aber wenn es um Geld und Macht geht, dann finden sich viele Interessierte.

Heute stehen sich in Libyen im Wesentlichen zwei Seiten im Krieg gegenüber: Die international anerkannte Regierung in Triplois, die nicht viel mehr als die im Osten des Landes gelegene Hauptstadt kontrolliert, und die Truppen von General Haftar, der den Osten des Landes und das Öl kontrolliert.

Die Regierung in Tripolis wird im Wesentlichen von der Türkei, Katar und Italien unterstützt. Man sollte allerdings nicht glauben, dass die das aus Selbstlosigkeit tun. Sollte die Regierung in Tripolis gewinnen, dürfen wir erwarten, dass die Rechte für die Ölförderung an ihre Unterstützer gehen.

General Haftar im Osten des Landes wird von Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Frankreich unterstützt. Die Medien schreiben auch Russland den Unterstützern Haftars zu, ich kann das nur sehr bedingt erkennen, aber nehmen wir ruhig an, das wäre so.

Nato-Problemstaat Türkei

Die Türkei wurde 1952 vor allem aus einem Grund in die Nato aufgenommen: Sie hatte im Osten eine Grenze zur Sowjetunion. Das war militärisch im Kalten Krieg unglaublich wichtig. Aber ansonsten passt die Türkei kaum ins westliche Bündnis. Ihre geopolitischen Ziele im Nahen Osten stehen denen des Nato-Führers USA meist gegensätzlich gegenüber, man sieht das heute zum Beispiel in Syrien.

Auch mit Griechenland steht die Türkei in einem Dauerkonflikt im Streit um Inseln, Seezonen und die Insel Zypern, die in einen türkischen und einen griechischen Teil aufgeteilt ist. Obwohl beide Länder in der Nato sind, standen sie mehrmals an der Schwelle eines Krieges – von gemeinsamen Interessen oder Werten dieser beiden Nato-Staaten kann sicher keine Rede sein.

Die Türkei stellt sich aber auch gegen die EU, die fast ausschließlich aus Nato-Staaten besteht. In der Nähe von Zypern will die Türkei nun Erdgas fördern, was Griechenland und der EU nicht gefällt, sogar von Sanktionen gegen die Türkei ist in Brüssel die Rede. Details über die komplexen Probleme zwischen Brüssel und Ankara finden Sie hier.

Mit der libyschen Regierung in Tripolis hat die Türkei vor kurzem ein Abkommen abgeschlossen, dass die Seezonen im östlichen Mittelmeer neu aufteilt. Wichtig ist dabei, dass die anderen Anrainerstaaten weder gefragt, noch mit einbezogen wurden. Natürlich will sich die Türkei damit auch die Erdgasförderung bei Zypern absichern. Entsprechend sauer ist Griechenland, aber auch andere Länder der Region, zum Beispiel Ägypten ist der Ärger groß.

So erklären sich die Koalitionen in Libyen: Die Türkei unterstützt die Regierung in Tripolis, weil sie einen Verbündeten im östlichen Mittelmeer sucht und sollte die libysche Regierung irgendwann das Land kontrollieren, würde der Ölreichtum des Landes sie zu einem wichtigen Player in der Region machen. Italien hat in der Region alte, koloniale Verbindungen und hofft natürlich auf seinen Anteil am Öl, wenn Tripolis in Libyen siegreich sein sollte. Katar steht der Türkei nahe und hofft außerdem sicher auch auf einen Anteil am Kuchen.

Im Osten Libyens unterstützt Frankreich General Haftar ebenfalls wegen des Öls. Ägypten hat vor allem Angst davor, dass Islamisten und Bürgerkrieg aus dem Nachbarland nach Ägypten schwappen und steht daher Haftar nahe, der als Garant dafür fungieren kann, dass das nicht geschieht. Außerdem steht Ägypten in Sachen Aufteilung des Mittelmeers gegen die Türkei und ist daher auch gegen einen Sieg der Regierung in Tripolis.

Was verbindet die Nato-Staaten heute?

Bei dem Vorfall am 18. Juni haben türkische Schiffe mit dem Einschalten des Waffenlenkradars offen mit einem Angriff auf Schiffe der Franzosen gedroht. Das klingt nicht nach einem Verhalten unter Verbündeten. Der Riss in der Nato ist offensichtlich, nicht nur zwischen der Türkei und Griechenland, oder der Türkei und der EU, oder aktuell zwischen der Türkei und Frankreich. In Libyen stehen sich auch Italien und Frankreich auf verschiedenen Seiten des Konfliktes gegenüber.

Dass Macron mit Verweis auf den Vorfall vom 18. Juni erneut vom „Hirntod“ der Nato spricht, kann daher nicht verwundern. Euronews hat eine wichtige Aussage Macrons in dem Zusammenhang verschwiegen. Die TASS zitiert Macron auch mit den Worten, für Frankreich habe Stabilität im Mittelmeer die oberste Priorität. Man beachte: Diese Stabilität hat Frankreich mit seinem Angriff auf Libyen selbst erst zerstört, vorher gab es dort keine Probleme.

Die Nato folgt im Wesentlichen der US-Politik und auch wenn es im Falle Libyens Frankreich und Großbritannien waren, die angegriffen haben, haben die USA im Hintergrund die Fäden gezogen. Unvergessen ist die Reaktion von Hillary Clinton, damals US-Außenministerin der USA, auf die Ermordung von Gaddafi.

Die US-Politik richtet überall auf der Welt Schäden an, die dann sogar befreundete Staaten wie Italien und Frankreich in Konflikten auf unterschiedliche Seiten treiben. Langfristig kann paradoxerweise wohl nur eine Auflösung der US-geführten Nato verhindern, dass Nato-Staaten irgendwann wirklich mal aufeinander schießen.

Im Mittelmeer war man einer solchen Situation am 18. Juni so nahe, wie selten.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. „Als ich für die Meldung eine Bestätigung auf Deutsch gesucht habe, um sie zu verlinken, hat eine Google am 23. Juni um 15.30 Uhr nur alte Meldungen über Macrons „Hirntod“-Äußerungen von 1999 ergeben“
    Das war 2019, nicht 1999, da wusste noch niemand wer Macron überhaupt ist.

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