Armenien und Aserbaidschan

Die Situation nach der Massenflucht aus Bergkarabach

Wie ist die Lage in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach, nachdem die bisherige armenische Bevölkerung aus dem Gebiet geflohen ist? Das russische Fernsehen hat ausführlich berichtet.

In Russland ist die Lage in und um Bergkarabach noch immer ein großes Thema, denn viele Russen haben armenische Freunde. Daher hat das russische Fernsehen in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick auch Berichte aus Aserbaidschan und Armenien gebracht, um beide Seiten des Konfliktes und seiner Folgen zu zeigen. Ich habe die Berichte übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Der Massenexodus aus Karabach ist vorbei, aber die Probleme in Armenien haben gerade erst begonnen

Auf dem Treffen der Europäer im spanischen Granada war ein anderes Thema geplant, nämlich Verhandlungen über Berg-Karabach zu fünft mit Aserbaidschan, Armenien, Frankreich, Deutschland und der EU. Es wurde sogar erwartet, dass ein Dokument über die endgültige Versöhnung zwischen Armenien und Aserbaidschan unterzeichnet werden würde. Doch die Sensation blieb aus. Sich als edler Friedensstifter zu präsentieren, hat für die EU nicht geklappt. Der aserbaidschanische Staatschef Ilham Alijew weigerte sich, nach Granada zu fliegen.

Unser Korrespondent berichtet aus dem nun aserbaidschanischen Bergkarabach.

Die Schilder wurden ausgetauscht, jetzt heißt die Stadt nicht mehr Stepanakert, sondern Khankendi, und unser Filmteam war das erste, das durch die Straßen der Stadt fahren durfte. Überall leere Häuser, Geschäfte und Hotels, es herrscht Kriegsrecht und die Polizei patrouilliert rund um die Uhr, gemeinsam mit dem russischen Friedenskontingent. Hier an der Kreuzung stehen unsere gepanzerten Mannschaftswagen mit der russischen Trikolore. Die ausländische Presse durfte bisher nur auf die nahe gelegenen Anhöhen zu den zurückgelassenen Bunkern, die jeweils eine Kaserne und eine Garage für Panzer enthalten, sowie Befestigungsanlagen, in denen früher Maschinengewehrnester entlang der gesamten Bergkette waren.

Alle Berge hier sind mit Schützengräben durchzogen. Von dieser Position aus konnte man leicht das ganze Tal und vor allem die darunter liegende Stadt kontrollieren. Es gab mindestens fünfzig Posten rund um sie herum. Den Kämpfern wurde angeboten, die Waffen abzugeben, und wer das getan hat, wurde ungehindert freigelassen, nur diejenigen, die in Aserbaidschan als Kriegsverbrecher gelten, werden verfolgt, das sind nicht mehr als zwei Dutzend Personen. Allein hier wurden so viele Waffen eingesammelt, dass man damit ein ganzes Bataillon ausstatten könnte. Von Kleinwaffen – automatische Gewehre und Maschinengewehre – bis hin zu schwerem militärischem Gerät, es gibt sogar zwei Panzer.

Auf dieser Straße haben bis zu 120.000 Menschen Bergkarabach in Richtung Armenien verlassen, die Staus waren vom Weltraum aus zu sehen. Ihre Evakuierung wurde vom russischen Militär überwacht, an jedem Kilometer gibt es Kontrollpunkte. Dutzende von verlassenen Autos säumen die Straßenränder entlang des Latschin-Korridors. Es ist besser, sie nicht zu berühren und sich ihnen nicht zu nähern, denn sie könnten mit einer Sprengfalle versehen sein und müssen zunächst von Minenräumern überprüft werden.

Baku versichert, dass niemand vertrieben wurde, im Gegenteil, den Bewohnern wurde angeboten zu bleiben. Die einzige Bedingung war die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit. Anfang der 90er Jahre zigen die Binnenvertriebenen aus der Region in die entgegengesetzte Richtung, nach Aserbaidschan, und ihre Zahl erreichte damals übrigens eine Million Menschen. Aufnahmen aus der Zeit zeigen Menschen, die sich in Lastwagen drängen, viele Kinder und ältere Menschen, die offensichtlich nicht einmal Zeit hatten, ihre Sachen zu packen. Jetzt kehren sie allmählich in ihre Heimatdörfer zurück, wie Magomedali Farhadov, der aus dem karabachischen Dorf Agaly stammt. Zusammen mit den Bezirkszentren Kelbajar, Latschin, Agdam, Fizuli, Jabrail, Zangelan, Gubadli und dem historischen und kulturellen Zentrum der Region, Schuschi, kam es 2020 unter aserbaidschanische Kontrolle.

„Seit dreißig Jahren ist hier nichts mehr gepflügt und nichts mehr gesät worden. Als wir hierher fuhren, vorbei an zerstörten Dörfern und verwüsteten Gebieten, wurde mir klar, dass dieses Land wiederbelebt werden will. Es will gehegt und gepflegt werden, damit etwas darauf wächst, damit gebaut wird, damit es die Hand und die Seele eines Menschen spürt“, sagte Magomedali.

Jedem, der vor dreißig Jahren seine Heimat verlassen und sein Eigentum aufgegeben hat, verspricht der aserbaidschanische Staat, auf diesen Grundstücken kostenlos gleichwertige Häuser zu bauen. Firangiz Salimova zündet auf ihrer Veranda jeden Abend 27 Glühbirnen an – so viele Jahre lang war sie ihres eigenen Heims beraubt. Anstelle des zerstörten Dorfes errichtete Aserbaidschan innerhalb eines Jahres ein neues, modernes Dorf mit Sonnenkollektoren auf den Dächern und einem Garten an jedem Haus. Aserbaidschan behauptet, dass die armenische Bevölkerung jederzeit zurückkehren kann. Jedenfalls ist der Kontrollpunkt an der Grenze jetzt offen und funktioniert, und man kann mit dem Auto hin- und herfahren, wenn man will.

Hier ist faktisch Niemandsland, ich stehe zwischen Grenzposten. Hinter mir liegt Aserbaidschan, auf der anderen Seite der Brücke liegt Armenien. Und zwischen den beiden Kontrollpunkten sind russische Friedenstruppen. Die Minenräumung ist ein wichtiger Bestandteil der Beseitigung der Folgen der Konfrontation, und sie findet derzeit in ganz Karabach statt. Es sind komplexe Minenfelder in Kombination mit Panzerabwehrgräben, so dass es nicht schnell geht, sondern Monate dauern kann. Zum Einsatz kommen handelsübliche Minensuchgeräte, speziell ausgebildete Hunde und sogar ganze Minenräum-Roboter, die sich bis zu einem halben Meter tief in den Boden pflügen. Gefundene Munition wird an Ort und Stelle vernichtet.

(Der nächste Bericht kam aus Armenien)

Marmelade aus Weißer Maulbeere und lokaler Käse. Das Brot wird gerade in den Tandoor geschoben. Hier wird das Frühstück für die neuen Gäste zubereitet, dieses Hotel in Gjumri hat Familien aus Karabach kostenlos aufgenommen. Die Registrierung der Flüchtlinge geht Tag und Nacht weiter. Der Massenexodus der Armenier aus Karabach ist vorbei, aber die Probleme in Armenien haben gerade erst begonnen. Die erste Priorität ist die Unterbringung der Menschen.

Für das kleine Armenien mit nicht einmal drei Millionen Einwohnern sind 100.000 Vertriebene eine ernsthafte humanitäre Herausforderung. So sieht der Standardfragebogen aus, der von allen ausgefüllt wird, die jetzt nach Armenien gekommen sind. Man gibt seine persönlichen Daten und das Geburtsdatum an. Und in die letzte Spalte schreibt man seinen letzten Arbeitsplatz. Das wird abgefragt, um den Menschen zu helfen, so schnell wie möglich Arbeit zu finden.

Veronica Petrosjan hatte früher einen Garten und einen kleinen Souvenirladen in Stepanakert. Jetzt hat sie nur noch Fotos und einen Stapel Rationskarten. Die armenische Regierung kümmert sich um die Verteilung der Flüchtlinge. Sie hat außerdem Pauschalzahlungen in Höhe von 100.000 Dram (ca. 240 Euro) pro Person angekündigt. Sie verspricht eine Entschädigung für Wohnung und Miete. Eine dreiköpfige Familie kann bis zu 450.000 Dram (ca. 1.000 Euro) erhalten.

„Man kann eine Wohnung mieten, aber aber man kann nicht leben. Eine Wohnung kostet hier etwa 300.000 Dram (ca. 720 Euro), auf dem Dorf 200.000 Dram (ca. 480 Euro). Aber für 100.000 kann eine Familie nicht essen und die Stromrechnungen bezahlen“, sagt einer der Freiwilligen.

Stiftungen, Freiwilligenorganisationen und kommerzielle Strukturen, darunter auch russische, starten ihre Hilfsprogramme. „Gazprom Armenia“ hat bereits mehr als 1.500 Menschen geholfen, indem es für sie die Miete und die Nebenkosten übernommen hat.

Die Haykop-Großhandelsbasis ist die größte in Eriwan. Der Journalist und Blogger Mika Badaljan kam, um einen Zentner Buchweizen, Mehl, Reis und Zucker zu kaufen. Mit seinen Freunden stellt er jeden Tag mit Spenden humanitäre Pakete für Flüchtlinge zusammen. „Es sind nicht nur Armenier, es sind auch Russen, alle Menschen, die ein Herz haben, haben sich uns angeschlossen. Sie verstehen, was hier vor sich geht. Es ist eine schreckliche Katastrophe“, sagt Mika.

Der nächste Wagen ist bei der Ausgabestelle eingetroffen und das Ausladen beginnt. Sie müssen schnell arbeiten, denn die Menschen warten bereits. Alles wird in einzelne Säcke gepackt und den Flüchtlingen gegeben. Es gibt nicht genug helfende Hände, aber Dutzende von Freiwilligen kommen jeden Morgen aufs Neue und packen Butter, Kaffee, Eintopf und Kondensmilch ein.

Anahit Yeghiyan erfuhr erst vor zehn Tagen, was es heißt, Mutter zu werden. Die Wehen setzten mitten im Stau ein, als Tausende von Autos im Latschin-Korridor standen. An einem aserbaidschanischen Kontrollpunkt wurde die Familie nach Stepanakert zurückgeschickt. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch wenige Ärzte in der Stadt. Sie brachten das Baby zur Welt und die russischen Friedenstruppen flogen die Familie mit einem Hubschrauber nach Armenien. Der Junge wurde Arthur genannt. Und er ist offiziell das letzte in armenischen Karabach geborene Kind.

Ende der Übersetzung


In meinem neuen Buch „Das Ukraine Kartell – Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden“ enthülle ich sachlich und neutral, basierend auf Hunderten von Quellen, bisher verschwiegene Fakten und Beweise über die millionenschweren Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Joe Biden in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage: Ist eine kleine Gruppe gieriger Geschäftemacher möglicherweise bereit, uns für ihren persönlichen Profit an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu bringen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich direkt hier über den Verlag bestellbar.

Hier geht es zum neuen Buch

Werbung

Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

11 Antworten

  1. es ist bitter das Armenien die Enklave aufgegeben hat, das wundert nicht bei dieser Regierung in Armenien. Arsach, Berg Karabach, Nagorny Karabarach ist Jahrhundete Armenisch gewesen. Jetzt wird es ausgelöscht.
    Ich sehe die Schuld bei Russland und den Amis mit ihren europäischen Vasallen.
    Eine friedliche Lösung ist damit passe. Der Genozid läuft mal wieder.

      1. da verwechseln sie was. ich sagte das die RF ihrer Verantwortung ggü Armenien und Aserbaidschan nicht gerecht wurde. Und übrigens die Schuld geteilt, auf die Einmischung der USA.

    1. Weil sie überleben wollen. Hätten sie keine Angst, würden sie bleiben. Der Hass ist stark, Mord ist nah.
      beschäftigen sie sich mit dem Verlauf der Geschichte. Die Angst ist berechtigt.

  2. Neues von der unendlichen Andromeda-Saga: Das bundesdeutsche Staats-Fernsehen ARD, der weltbeste Faktenchecker Welt und der Investigativ-Champion Spiegel verkünden gemeinsam

    Polen hat Deutschland nach Informationen von ARD, SZ und „Zeit“ offenbar eine Liste mit russischen Namen übergeben – steckt also doch Moskau hinter den Explosionen der Nord-Stream-Pipelines? In Berlin soll man weiter skeptisch sein.

    Der polnische Staatssekretär Stanislaw Zaryn, zuständig für die Koordination der Geheimdienste seines Landes, erkärte, die Sabotage würde am ehesten zu Russland passen.

    1. @mechter
      Können Sie nicht lesen? Der Artikel heißt „Die Situation nach der Massenflucht aus Bergkarabach“. Mann, Troubadix!

Kommentare sind geschlossen.