Nach Freilassung von Golunow – Warum wurde eine Demonstration in Moskau aufgelöst?

Der Fall des in Russland zu Unrecht vorübergehend verhafteten Journalisten Golunow liefert gleich eine Reihe von Belegen, die es ermöglichen, mit den Klischees der deutschen Medien über Russland aufzuräumen.

Die deutschen Medien haben sich offensichtlich heimlich gefreut, als Golunow verhaftet wurde. Sie berichteten breit und mehrmals am Tag darüber. Sie konnten endlich mal wieder auf den russischen „Unterdrückungsstaat“ einprügeln, in dem es angeblich so schlecht um die Pressefreiheit bestellt ist.

Zum Ärger der westlichen Medien ist daran aber nichts dran, darum stürzen sie sich auch mit so einer Wucht auf jeden einzelnen Fall. Und Golunow war der erste Fall in Russland seit vielen Jahren. Und es ist gut, wenn sich die Medien auf so einen Fall stürzen, die Pressefreiheit ist eines der höchsten Güter in der Demokratie. Aber es ist nicht gut, wenn sie es nicht immer tun.

Man fragt sich, wo diese Masse an Artikeln in der deutschen Presse war, als sich die französische Presse über Polizeigewalt gegen Journalisten bei den Gelbwesten-Demos in Frankreich beschwert hat. Anfang Mai haben in Frankreich über 30 Journalisten deswegen Anzeige erstattet. Aber hörte man in den deutschen Medien etwas davon? Gab es gar einen so massierten Aufschrei gegen den französischen „Unterdrückungsstaat“, in dem Journalisten gleich massenhaft bei Demos von der Polizei zusammengeschlagen werden?

Ebenfalls Anfang Mai haben sich 350 französische Journalisten sich in einem offenen Brief über eine Einschränkung der Pressefreiheit in Frankreich beschwert. Wo war da die Solidarität der deutschen Medien mit ihren französischen Kollegen? Darüber wurde in Deutschland praktisch nicht berichtet und erst recht nicht in emotionalen Artikeln, wie wir sie in diesen Tagen zu Golunow in den deutschen Medien gesehen haben.

Gilt für die deutsche Presse nur dann Solidarität mit Kollegen, wenn sie in Russland ein Problem haben? Mit französischen Kollegen hat man dagegen keine Solidarität? Und was ist mit Assange? Wo sind zu dessen Fall die emotionsgeladenen Artikel der deutschen Medien, die die Verstöße Londons gegen seine Menschenrechte beklagen, die die UNO in seinem Fall angeprangert hat?

In solchen Fällen gibt es höchstens einen kurzen und sachlichen Artikel und das war´s. Keine Artikel mit massivem Druck auf die Tränendrüse und Vorwürfen gegen die Behörden, wie bei Golunow.

Gilt die Solidarität der deutschen Medien vielleicht nicht für Australier und Franzosen, sondern nur für Russen? Das ist auch keine Erklärung, denn dann hätten die deutschen Medien ja massiv aufbrüllen müssen, als die französische Polizei am 25. Mai eine Journalistin von Russia Today in Toulouse mit Gummiknüppeln zusammengeschlagen hat. Oder als das gleiche in Frankreich mit einem anderen Journalisten von Russia Today am 1. Mai geschehen ist. Aber darüber wurde in Deutschland nicht einmal berichtet.

Und von dem in der Ukraine seit 13 Monaten inhaftierten russischen Journalisten Vyshinsky hört man in Deutschland auch kein Wort in den Medien, obwohl die OSZE der Ukraine in dem Fall schon schwere Vorwürfe gemacht hat.

Und wenn in Frankreich oder Deutschland russischen Journalisten die Akkreditierung verweigert wird und sie damit an ihrer Arbeit gehindert werden, dann hört man auch kein Wort des Protestes von den deutschen Medien.

Einzig bei Golunow haben die deutschen Medien ihren Job gemacht und auf Missstände hingewiesen. Dabei gibt es derzeit im Westen wesentlich mehr Missstände in Sachen Pressefreiheit, als in Russland, wie schon diese kleine und unvollständige Aufzählung zeigt.

Aber die russischen „Oppositionellen“ haben der deutschen Presse heute wieder freundlicherweise Munition geliefert. Obwohl gestern alle Anklagen gegen Golunow fallen gelassen wurden, die beteiligten Polizisten vom Dienst suspendiert wurden und die verantwortlichen Polizeichefs gefeuert werden, haben sogenannte Oppositionelle heute zu einer Solidaritäts-Demonstration“ mit Golunow gerufen. Und sie haben die Demo nicht angemeldet, es nicht einmal versucht. Es war damit eine ungenehmigte Demonstration, die von der Polizei natürlich aufgelöst werden muss, das wäre in Deutschland nicht anders.

Und schon bekommen die deutschen Medien die gewünschten Bilder und Meldungen gegen Russland. Und die Demonstranten gehen dabei nicht einmal ein Risiko ein, denn Aufruf zu und Teilnahme an einer nicht genehmigten Demo sind in Russland Ordnungswidrigkeiten, man wird von der Polizei eingesammelt, bekommt ein Bußgeld und darf nach Feststellung der Personalien wieder nach Hause. Erst im Wiederholungsfalle droht eine Ordnungshaft, die bis zu 30 Tage dauern kann. Aber auch das gilt nicht als Vorstrafe, die einem zum Beispiel anschließend die Suche nach einem Arbeitsplatz erschweren würde, es bleibt eine Ordnungswidrigkeit, also so ähnlich, wie falsch parken.

In Deutschland hingegen wäre das eine Straftat mit entsprechenden Folgen inklusive einer Vorstrafe und Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis.

Daher kommen solche „todesmutigen“ Oppositionellen wie Navalny auch immer zu solchen unangemeldeten und daher nicht genehmigten Demonstrationen. Es hat keine ernsthaften Folgen für sie, aber sie produzieren tolle Bilder für die westliche Presse. Und die Anwaltskosten von Navalny übernimmt Chodorkowski netterweise.

Ein weiteres Klischee im Westen ist, dass russische Medien nicht über solche Demos von Navalny berichten. Auch Unsinn, wie wir heute wieder sehen können. Das russische Fernsehen hat detailliert berichtet. Um 13.22 Uhr kam dort die Nachricht, dass Navalny zusammen mit anderen festgenommen worden ist und um 16.38 Uhr wurde berichtet, dass er die Nacht in Polizeigewahrsam verbringen muss.

Im Spiegel klingt das natürlich alles viel dramatischer, zumal wieder die Moskau Korrespondentin Christina Hebel, die Meisterin der Desinformation, berichten darf. Sie beginnt mit den Worten:

„Bei Protesten in Moskau haben die Sicherheitskräfte Dutzende Teilnehmer festgesetzt, unter anderem den führenden Oppositionellen Nawalny.“

Was macht einen Mann, der bei Umfragen keine zehn Prozent Unterstützung in Russland genießt, eigentlich zu einem „führenden Oppositionellen„? Die Antwort auf die Frage bleibt uns Frau Hebel schuldig, stattdessen wiederholt sie:

„Auch der prominente Oppositionspolitiker Alexej Nawalny befindet sich in Gewahrsam.“

Jetzt ist er sogar schon ein „Politiker“. Zur Info, Frau Hebel, Navalny ist ein Blogger, nichts weiter. Er ist kein Politiker, er gehört keiner Partei an und hat nicht einmal eine eigene Partei gegründet. Ich bin auch Blogger und ich zähle mich in Sachen Deutschland zur Opposition. Aber ob Frau Hebel deshalb auf die Idee käme, mich als „Oppositionspolitiker“ zu bezeichnen?

Weiter schreibt sie:

„Golunow, der für das regierungskritische Onlineportal „Meduza“ schreibt, wurde Drogenhandel vorgeworfen.“

Alles richtig, immerhin bezeichnet sie Meduza diesmal nicht als „unabhängig“, wie sie es sonst tut. Meduza wird nämlich zu hundert Prozent vom ehemaligen Oligarchen und verurteilten Betrüger Chodorkowski bezahlt und ist keineswegs „unabhängig“. Meduza ist aber in der Tat „regierungskritisch“. Chodorkowski hat sich diesen verlängerten Arm seines Privatkrieges gegen Putin schon Millionen von Euro kosten lassen, nur das liest man nicht in den westlichen Medien und schon gar nicht bei Frau Hebel.

Und das Video, dass Frau Hebel anscheinend beigefügt hat, um die Grausamkeit der russischen Polizei zu belegen, belegt für jeden, der Russisch versteht, das Gegenteil. Die Polizisten sind höflich und tragen nicht einmal Kampfanzüge. Wenn man das mit dem vergleicht, wie die Polizisten in Frankreich oder Deutschland bei Demos aufmarschieren, dann wird deutlich, wie zurückhaltend die russische Polizei vorgeht. Im russischen „Polizeistaat“ sieht man keine Wasserwerfer, kein Tränengas, keine Gummigeschosse und keine Gummiknüppel, ganz im Gegensatz zu den „demokratischen“ Staaten in Europa.

Oben: russische Polizei bei der Demo in Moskau heute
Unten: Französische Polizei bei Demos der Gelbwesten

In ihrem Artikel beschwert Frau Hebel sich auch darüber, dass einer ihrer russischen Mitarbeiter auf eine Polizeiwache gebracht wurde, obwohl er einen Presseausweis hatte. Stimmt, das sollte nicht passieren, aber im Video ist zu sehen, dass die Polizisten höflich sind und sagen, sie wollen nur seine Dokumente überprüfen. Das taten sie und danach durfte er wieder gehen.

Was würde Frau Hebel wohl schreiben, wenn einer ihrer Mitarbeiter mit Gummiknüppeln geschlagen würde, wie es russischen Journalisten in Frankreich immer wieder passiert, obwohl sie deutlich als Journalisten gekennzeichnet sind? Und was sollen russische Journalisten in Frankreich tun, die seit einem Jahr auf ihre Akkreditierung vom französischen Außenministerium warten und daher nicht einmal Presseausweise bekommen? Frau Hebel hat eine solche Akkreditierung vom russischen Außenministerium bekommen und darf sich in Russland frei bewegen und ihre anti-russischen Artikel schreiben, ohne dass sie jemand dabei behindert.

Aber Russland ist natürlich trotzdem ein Polizeistaat, der die Pressefreiheit behindert und im Westen herrscht Pressefreiheit und Polizeigewalt gibt es im Westen nicht. Man muss das schon sehr glauben wollen, die Fakten sehen aber (mittlerweile) anders aus.

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

5 Antworten

  1. Hier mal ein höchst „qualifizierter“ Kommentar, wie bei der heutigen Tagesschau bei youtube https://youtu.be/iBCdCK9EF4s zu sehen war:
    „Propeller
    @Ottmar Müller
    Der geniale Putin macht Politik für „sein“ Volk? Der kann „sein“ Volk noch nicht mal ernähren und ärztlich versorgen. Besser gesagt will er es nicht, weil er mit dem Geld lieber noch eine Luxusvilla kauft. Deutsche Gutmenschen spenden, organisieren und betreiben in Russland Kinderheime, Waisenhäuser, Krankenstationen, Armenküchen und andere Hilfseinrichtungen. Neben SOS Kinderdorf, gibt es unzählige Russlandhilfe-Vereine. Ohne fremde Hilfe würden Menschen im Reich des genialen Putin reihenweise versterben. “

    Das ist offensichtlich der Wissensstand eines typischen tagesschau-Konsumenten!

    1. Herr Kutusow, Sie müssen den Opfern US-amerikanischer Propaganda gegenüber Nachsicht üben! Der offensichtlich ungebildete Verfasser des von Ihnen als aufschlussreiches Fallbeispiel für den – nicht nur von Ihnen konstatierten – bedenlich geringen Wissensstand von Konsumenten transatlantischer Medien angeführten, ausschließlich auf Lügen, Falschinformationen und falschen Tatsachenbehauptungen basierenden Kommentars, ist bemitleidenswert, weil er offensichtlich den Unsinn, den er äußert tatsächlich glaubt.

      Jeder durchschnittlich gebildeten Person ist die Tatsache, dass es sich bei Russland um einen sehr hoch entwickelten Staat handelt, in welchem die dortigen staatlichen und privaten, medizinischen und sozialen Einrichtungen keiner finanziellen Unterstützung durch ausländische Hilfsorganisationen und Spender bedürfen, bewusst.

  2. Das Problem ist ja nicht, dass die westlichen Medien das Glauben oder einseitig berichten (wobei das natürlich auch aus Gründen des Staatsauftrages der Öffentlich Rechtlichen fragwürdig ist). Das viel schlimmere ist, dass die Russen selber oft diesen Mist glauben den ein Navalny und co. von sich geben. Man erkennt dasselbe Muster wie in Deutschland. Man schafft sich eine Gegenöffentlichkeit, die leicht zu steuern ist. Die leicht zu manipulieren ist. Viele junge Menschen dort sind nicht so kritisch wie die ältere Generation. Die Generation die noch die UdSSR erlebt hat und aus erster Hand deren Zerfall erfahren hat. Das interessiert sie auch nicht. Was zählt ist der böse Putin, der für alles Verantwortlich gemacht wird ohne zu verstehen oder den tiefen Einblick zu suchen, warum gewisse Prozesse in Regierung und anderen Bereichen so sind wie sie sind. Der Einblick wird auch nicht gesucht. Man gibt sich zufrieden mit den Erklärungen von Nawalny und co. Es muss ja so sein. Die armen werden unterdrückt. Sonst wären sie ja viel bekannter (erkennt man parallelen zur kritischen Bewegung hier in Deutschland). Es herrscht unter dieser Generation auch nicht viel vertrauen in die „Staatsmedien“, aber dafür umso mehr in die „unabhängigen“ Medien.
    Die Probleme sind vielschichtig. Nawalny und co. haben Ansätze. Mehr aber auch nicht. Sie können sich Medienwirksam inszenieren und dann das Opfer spielen und künstlich geschaffene Probleme aufbauschen, die so nicht existieren.
    Es gibt dort genauso wenig eine Medienkompetenz wie hier.

  3. Der obige Text mit dem Journalisten scheint mir glaubwürdig. Und er erklärt so manches.

    Vieleicht noch ein Grundsätzlicher Gedanke; Wir im Westen sollten uns nicht zu viel auf unsere Menschenrechte einbilden! Die Geschichte Europas und der USA ziehen eine Spur der Menschenverachtung hinter sich her und tun es noch immer! Es ist wie beim Dieb, für ihn ist die Sache nach der Operation gelaufen, für die Opfer meist nicht. Sei dies ganz „harmlos“ beim diktieren von Preisen zB. in der Schuh und Kleiderindustrie von Rumänien bis Asien, bei Kakao usw. Weltweit schuften „unsere Slaven“ um Produkte die wir benötigen spotbillig herzustellen. Oder die Schweizer Banken, die von jedem(!) Diktator das Geld gehütet haben.

    Da war König Leopold im Kongo, die Engländer in Indien… Vieleicht sollte Europa und Amerika der Welt zuerst mal das zurück geben was es imperialistisch zusammen geklaut hat. Aber das Gegenteil ist der Fall, die Ausbeutung geht weiter, sei dies über die Börse oder bei ungerechtfertigten Wirtschaftssanktionen.

    Ich denke keiner muss dem anderen etwas vorwerfen. Deutschland, auch da gibt es in der Geschichte ein paar wirklich dunkle Flecken. Aber darum geht es nicht. Sondern um Gegenwart und Zukunft. Und Anstelle wir mit Menschenrechten herum fuchteln sollten wir gegenseitig das Gute sehen. Uns darauf konzentrieren. Und aufrichtig an unserem eigenen schwarzen Begleiter arbeiten.

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