Lobbyismus und Berater

Die gekaufte Selbstbedienungsrepublik Deutschland

Lobbyisten und externe Regierungsberater machen immer wieder Schlagzeilen in Deutschland. Aber erst wer all die Meldungen darüber in den Zusammenhang setzt, bekommt einen Eindruck davon, welche Macht die Konzerne über die Politik und die Gesetze haben. Das wollen wir hier einmal tun und das Ergebnis zeigt, dass Deutschland und die EU reine Selbstbedienungsläden für die Konzerne sind.

In meinem aktuellen Buch „Abhängig beschäftigt“ habe ich im Detail aufgezeigt, wer in Wahrheit die Macht in den „westlichen Demokratien“ hat. Es sind die nicht die Menschen oder die Wähler, es sind einige Superreiche, die über NGOs, Berater und Lobbyisten die Politik kontrollieren und dafür sorgen, dass die Gesetze beschlossen werden, die ihre Macht und ihren Reichtum weiter mehren. Diese Erkenntnis ist nicht neu, das Interessante daran ist, sich das System, mit dem das umgesetzt wird, genau anzuschauen. Und wenn man den Blick dafür einmal geschärft hat, dann sieht man viele Meldungen der Medien in einem ganz neuen Licht.

Die Medien berichten immer wieder über Skandale in Verbindung mit externen Regierungsberatern – siehe von der Leyens Beraterskandal oder den Mautskandal von Minister Scheuer, um nur zwei Beispiele zu nennen – und sie berichten auch über alle möglichen Fälle von Lobbyismus. Aber über diese Meldungen und Skandale wird immer einzeln berichtet, die „Qualitätsmedien“ stellen nie den offensichtlichen Zusammenhang her, der zeigt, dass das Ganze keine „Betriebsunfälle“ sind, sondern dass das System hat.

Wie das funktioniert will ich hier einmal an Beispielen und Meldungen der letzten Monate aufzeigen, denn wenn man die Meldungen, Skandale und Themen nicht einzeln, sondern im Zusammenhang, betrachtet, wird jedem klar, was ich meine.

Die Berater in der EU

Überall im Westen gehen die Regierungen dazu über, immer mehr externe Berater zu bezahlen. Da ist die EU-Kommission keine Ausnahme, vor allem seit Ursula von der Leyen dort Chefin wurde. Im April hat RT-DE über einen Brief berichtet, in dem sich über 70 Abgeordnete des EU-Parlaments bei von der Leyen über die stark steigenden Kosten bei der EU-Kommission für externe Berater beschwert haben. In dem Brief haben sie vor allem vor dem steigenden Einfluss der Privatwirtschaft auf die Reformen in der EU gewarnt. Im Klartext bedeutet diese Warnung, dass sie befürchten, die Konzerne würden sich die EU-Regeln selbst so schreiben, wie sie sie haben wollen.

Von der Leyen wird diesen Brief lachend in den Müll geworfen haben, denn sie selbst sorgt ja dafür, dass sich die Konzerne ihre Regeln in der EU selbst schreiben dürfen. Einen solchen Brief an von der Leyen zu schreiben ist so, als wenn man sich schriftlich beim Wolf beschwert, dass sein Rudel die Schafe der Bauern frisst.

Von der Leyen hat zum Beispiel den weltgrößten Investmentfond Blackrock als Berater die künftigen Richtlinien der EU für die Finanzwirtschaft schreiben lassen. Offensichtlicher kann man den Einfluss der Konzerne auf die Regelwerke der EU nicht aufzeigen. Beschwerden der zuständigen Ombudsfrau der EU haben natürlich nichts gebracht. Bei der Frage geht es um sage und schreibe eine Billion Euro für den „Green Deal“ der EU, den von der Leyen bei Amtsantritt angekündigt hat. Details dazu finden Sie hier.

Warum Berater so gefährlich sind

Die wichtigsten Kunden der Beratungsfirmen sind die Konzerne. An deren Aufträgen verdienen die Beratungsfirmen das meiste Geld. Wenn nun Regierungen oder die EU diesen Beratern die Möglichkeit geben, gesetzliche Regelungen zu beeinflussen (oder gleich komplett zu schreiben), dann wissen die Beratungsfirmen natürlich, in wessen Sinne sie dabei vorgehen müssen: Nicht etwa im Interesse der Verbraucher oder Wähler, sondern im Interesse ihrer wichtigsten Kunden.

Hinzu kommt, dass die Beratungsfirmen durch solche Aufträge auch an Insiderwissen von Behörden und Regierungen kommen, das für ihre Kunden – die Konzerne – von großem Interesse ist, wenn sie ihre Interessen durchdrücken wollen. Das liegt auf der Hand, hindert die Politik jedoch nicht daran, genau das immer aktiver zuzulassen.

Beratereinsätze werden verschleiert

In dem Brief der EU-Abgeordneten wird außerdem bemängelt, dass die EU-Kommission nicht einmal die Gesamtsumme angegeben hat, die für externe Studien ausgegeben wurde. Diese Kosten werden anscheinend geschickt in den einzelnen Ressorts versteckt. Und natürlich wird damit auch unsichtbar gemacht, zu welchen politischen Entscheidungen diese Studien geführt haben.

Ich habe gerade erst am Beispiel Glyphosat aufgezeigt, wozu das führt. Das führt dazu, dass die Entscheidung über die Zulassung von Glyphosat auf Basis von Studien der Hersteller getroffen wurden, ohne neutrale Studien einzuholen. Da kann man sich eine teure Zulassungsbehörde auch gleich schenken und die Entscheidung über die Zulassung von Chemikalien, Düngemitteln, Medikamenten und so weiter auch direkt den Herstellern überlassen, die Details finden Sie hier.

Das ist keineswegs ein EU-Problem. Auch in Deutschland wachsen die Zahlungen an externe Regierungsberater jedes Jahr stark an, was durchaus kritisiert wird. Daher scheint die Bundesregierung auf die Idee gekommen zu sein, diese steigenden Kosten zukünftig zu verschleiern. Anfang Juni hat der Spiegel darüber und über die Kritik des Bundesrechnungshofes daran berichtet. Die Bundesregierung will die Definition für „externe Beratung“ verändern, was dazu führen würde, dass zukünftig viele Beratungsleistungen nicht mehr als solche eingestuft werden und daher dem Bundestag auch nicht mehr gemeldet werden müssen. Der Spiegel-Artikel nennt dafür drei Beispiele, die wir uns anschauen wollen.

Was sind eigentlich „Unterstützungsleistungen“?

Der Spiegel schreibt:

„Unterstützungsleistungen durch Externe sind demnach in der Regel für die Bundesregierung keine Beratung, auch wenn sie zentrale Aufgaben von Ministerien betreffen.“

Ich konnte keine Informationen darüber finden, wie diese „Unterstützungsleistungen“ definiert sind. Daher kann ich hier nicht sagen, was die Bundesregierung alles nicht mehr melden will, weil es ihrer Meinung nach eine „Unterstützungsleistung“ ist. Es steht jedoch zu vermuten, dass der Begriff entweder sehr großzügig oder sehr schwammig gefasst ist, um den Ministerien die Möglichkeit zu geben, möglichst viele Beratungsleistungen in Zukunft verschleiern zu können.

Anwaltskosten

Weiter schreibt der Spiegel:

„Auch Mandate für Anwaltskanzleien, etwa für Zivil- oder Strafprozesse oder deren Vorbereitung, fallen nach der Definition des Finanzministeriums nicht unter veröffentlichungspflichtige Beratungsleistungen.“

Wozu braucht eine Regierung überhaupt externe Anwaltskanzleien? Haben die Ministerien nicht eigene Rechtsabteilungen mit Anwälten und Juristen? Kann man die nicht notfalls sogar ministeriumsübergreifend zusammenfassen, damit es genug qualifizierte und spezialisierte Juristen im Regierungsapparat gibt, damit die Regierung zu jedem Thema eigene spezialisierte Anwälte hat?

Stattdessen werden teure Anwaltskanzleien bezahlt, die durchaus schon mal tausend Euro Stundensatz für die Arbeit ihrer Anwälte in Rechnung stellen. Das ist in jedem Fall teurer als eine eigene Rechtsabteilung für die gesamte Bundesregierung aufzubauen. Aber es hat offensichtlich System, in Ministerien Fachwissen abzubauen und es stattdessen extern einzukaufen. Offensichtlich ist die Regierung der Meinung, sie brauche kein eigenes Fachwissen und greift stattdessen auf das Fachwissen der Konzerne und ihrer Berater und Anwälte zurück.

Wer schreibt eigentlich die Reden von Ministern?

Besonders tief blicken lässt der dritte Punkt in dem Spiegel-Artikel:

„Wenn Externe Reden für Ministerinnen oder Minister, leitende Beamtinnen oder Beamte schreiben, soll dies ebenfalls nicht als Beratung gelten. Nicht unter die Beratungsdefinition sollen auch Studien fallen, die externe Autoren verfassen.“

Was sagt es über die Qualifikation von Ministern und ihren leitenden Beamten aus, wenn die ihre Reden nicht einmal selbst schreiben, sondern bei öffentlichen Auftritten nur ablesen, was ihnen externe Berater aufgeschrieben haben? Die Minister sind demnach nichts anderes als Sprachrohre ihrer externen Berater, die ihnen vorgeben, was sie zu verkünden und wofür sie öffentlich einzutreten haben.

Die Gefährlichkeit von externen Studien habe ich eben schon im Zusammenhang mit Glyphosat erwähnt. Und genauso, wie die EU, will auch die Bundesregierung in Zukunft verheimlichen, wer welche Studien für sie schreibt, was sie für die Studien bezahlt und zu welchen politischen Entscheidungen und Gesetzen das führt. Wie die EU, so will auch die Bundesregierung den Konzernen und ihren Vertretern Geld für Studien bezahlen, aufgrund derer die Regierung dann Entscheidungen trifft, von denen die Konzerne profitieren.

Wie in der EU, so soll auch für die Bundesregierung der Wolf die Regeln für den Schutz der Schafe vor dem Wolf schreiben dürfen.

Der Mautskandal aus dieser Perspektive

Der Kern des Mautskandals ist es, dass das Mautkonzept gegen EU-Recht verstoßen hat. Während der Europäische Gerichtshof über die Frage verhandelt hat, hat Minister Scheuer im Dezember 2018, trotz des noch laufenden Gerichtsverfahrens, langfristige Verträge mit Unternehmen zum Aufbau der Mautinfrastruktur unterschrieben. Die Verträge enthielten jeweils Regelungen zur Entschädigung für den entgangenen Gewinn, ohne dass eine Gegenleistung erbracht werden musste.

Das war eine für die beteiligten Firmen eine hervorragende Regelung und sie dürften gehofft haben, dass der Gerichtshof die Maut kippt, denn das hätte bedeutet, dass sie die von sich selbst prognostizierten Gewinne vom Staat bezahlt bekommen, ohne dafür auch nur einen Tag gearbeitet zu haben. Und so ist es ja dann auch gekommen, das war ein großzügiges Geschenk an die Konzerne und Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler.

Natürlich waren an dem Mautskandal viele externe Berater beteiligt, die Scheuer unter anderem empfohlen haben, diese „Geschenk-Verträge“ noch während des laufenden Verfahrens abzuschließen. Das hat sich auch für die Berater doppelt gelohnt, denn nun klagen die Konzerne auf das Gewinnversprechen und das Ministerium teilt mit, dass der Rechtsstreit den Steuerzahler weitere 21 Millionen für „Sachverständige, Gerichtskosten und damit in Zusammenhang stehende Kosten“ kostet, wie der Spiegel berichtet.

Das System ist so ausgelegt, dass externe Rechtsanwälte dem Ministerium empfehlen, einen Vertrag abzuschließen, der anschließend zu Prozessen führt, an denen wiederum externe Rechtsanwälte und Gutachter weitere Millionen verdienen. Gibt es für das Wort „Selbstbedienungsläden“ eigentlich eine Steigerung?

In der Privatwirtschaft würde ein Manager, der seinen Arbeitgeber so offen um Millionen erleichtert, wegen Veruntreuung angeklagt werden. Aber für Politiker gelten andere Regeln, da kommt es zu einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der dann nach Jahren einen Bericht schreibt, in dem sinngemäß zu lesen ist: „Das ist aber dumm gelaufen. Kommt nicht wieder vor.“

Das war´s, juristische Folgen hat das für die Verursacher keine. Warum das so ist und warum Politiker auch bei offensichtlichen Straftaten keine Strafen zu fürchten haben, können Sie hier nachlesen.

Minister Scheuer und die Berater

Scheuer kann aber noch mehr. Scheuer hat auch eine Neuorganisation der Verwaltung der Autobahnen auf den Weg gebracht. Als er 2016 mit seiner genialen Idee angefangen hat, sind dafür Kosten in Höhe von 41 Millionen Euro veranschlagt worden. Inzwischen liegen die Kosten bei 325 Millionen, von denen alleine externe Berater fast 39 Millionen bekommen haben. Alleine die externen Berater haben inzwischen so viel daran verdient, wie das Projekt insgesamt kosten sollte.

Da steht der Verdacht im Raum, dass die Berater absichtlich geschlampt haben, denn von den Dingen, die sie organisieren sollten (zum Beispiel die IT-Systeme), funktioniert gar nichts. Bei den IT-Systemen geht das so weit, dass IT-Systeme des Bundes und der Länder nicht einmal miteinander kompatibel sind. Für die Fertigstellung des Projektes gibt es derzeit nicht einmal ein geplantes Datum, wir dürfen also davon ausgehen, dass die Kosten – und mit ihnen die Verdienste der Berater – in den nächsten Jahren weiter steigen werden.

Das ist praktisch für die Berater: Sie liefern miserable Arbeit ab und bekommen dann weitere Aufträge, um die von ihnen gemachten Fehler auszubessern. Und auch für Scheuer dürfte sich das lohnen. Wollen wir wetten, dass Scheuer nach seiner Zeit als Minister einen lohnenden Posten bei den Firmen bekommt, die so prächtig an seinen Entscheidungen verdient haben?

Korruption als Wachstumsbranche

Die Maskenaffäre hat mal wieder gezeigt, dass Korruption von Abgeordneten in Deutschland legal ist, denn über die betroffenen Abgeordneten hat sich zwar ein medialer Shitstorm ergossen und ihre politischen Karrieren dürften beendet sein. Das können sie aber verschmerzen, denn die erhaltenen Schmiergelder in Millionenhöhe dürfen sie behalten, schließlich haben sie nichts Illegales getan. Warum und aufgrund welcher Paragrafen des deutschen Rechts das so ist, können Sie hier nachlesen.

Die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten, also die legalen Schmiergelder, sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Laut einer aktuellen Studie belaufen sie sich in der aktuellen Legislaturperiode auf 53 Millionen Euro. Das ist gegenüber die Legislaturperiode 2009 bis 2013 fast eine Verdoppelung, damals waren es „nur“ 30 Millionen Euro. Die Korruption in der deutschen Politik ist eine wahre Wachstumsbranche.

Das System läuft im wahrsten Sinne wie geschmiert, denn während die Konzerne ihren Einfluss über Berater und Lobbyisten immer weiter ausbauen, sorgen sie gleichzeitig dafür, dass es auch den Abgeordneten gut geht, damit der Bundestag auch weiterhin die Augen vor dem Problem verschließt.

Und auch die Parteien profitieren davon, indem sie Parteispenden bekommen. Um auch da die Transparenz weiter zu senken, hat Bundestagspräsident Schäuble gerade eine tolle Idee gehabt: Unter dem Vorwand von mehr Datenschutz für Parteispender möchte er dafür sorgen, dass weniger Daten über die Großspender der Parteien veröffentlicht werden müssen.

Darüber hat der Spiegel in einem sehr verständnisvollen Artikel berichtet, in dem auch zu lesen war, welche Regelungen Schäuble für die Parteien im Falle von Verstößen verschärfen möchte. Das klingt für den naiven Spiegel-Leser ganz toll. Allerdings ist mal wieder der letzte Absatz des Spiegel-Artikels entscheidend:

„Die Verwaltung des Bundestags, dem Schäuble als Präsident vorsteht, ist qua Gesetz auch für die Finanzkontrolle der politischen Parteien in Deutschland zuständig.“

Wieder einmal – siehe Parlamentarische Untersuchungsausschüsse – darf kein Staatsanwalt und kein normales Gericht über die Parteien und die Politiker urteilen, die Politiker urteilen stattdessen über sich selbst. Ob die aus Vertretern der Parteien gebildete Bundestagsverwaltung wohl härtere Strafen gegen die eigenen Parteien verhängen wird?

Der Atomausstieg

In Kombination werden die genannten Fakten beim Atomausstieg richtig teuer für den Steuerzahler und richtig lukrativ für die Konzerne. Der Atomausstieg ist unter Dach und Fach und die Entschädigungen für die Atomkonzerne stehen fest. Der Trick war auch hier, dass den Atomkonzernen nicht etwa der tatsächlich entstandene Schaden durch den Atomausstieg erstattet werden soll, sondern der mögliche Gewinn, den sie nun mit den Atomkraftwerken nicht mehr machen können, wenn sie die vom Netz nehmen müssen. Sogar im Spiegel konnte man lesen, dass diese errechneten Gewinne, die den Stromkonzernen entgehen, so großzügig berechnet worden sind, dass man davon ausgehen kann, dass sie weit weniger Geld verdient hätten, wenn sie die Meiler hätten laufen lassen dürfen.

Die Atomkonzerne bekommen nun 2,3 Milliarden Euro für Strom geschenkt, den sie mit Atomkraftwerken nicht produzieren und verkaufen konnten. Der Spiegel lässt sich in seinem Artikel lang und breit darüber aus, wie diese Summe berechnet worden sein könnte, was sicherlich interessant ist. Zwei Dinge werden dabei aber gar nicht erwähnt.

Erstens wird im Spiegel nicht erwähnt, dass der Strom, den die Atomkraftwerke nun nicht mehr erzeugen werden, trotzdem erzeugt und verkauft wird. Die Atomkonzerne lassen sich also den „verloren gegangenen“ Gewinn für nicht mit Atomkraftwerken erzeugten Strom erstatten und verkaufen den Strom aber trotzdem, nur dass sie ihn nun eben mit anderen Quellen erzeugen. Gegengerechnet wird das natürlich nicht. Das bedeutet, dass die Stromkonzerne Gewinn für nie erzeugten Strom aus Atomkraftwerken erstattet bekommen und gleichzeitig mit dem Strom Gewinne einfahren, den sie nun auf andere Weise erzeugen. Das ist doppelter Gewinn auf Staatskosten.

Zweitens vergessen Medien und Politik bei der Debatte um den Atomausstieg immer zu erwähnen, dass die Endlagerung des angefallenen Atommülls immer noch nicht geklärt ist. Eigentlich sollten – so das einst festgelegte Prinzip – die Atomkonzerne dafür aufkommen. Nun aber ist davon keine Rede mehr. Die Regierung hätte die Entschädigungen zumindest zurückhalten können (und müssen), bis diese Frage – und vor allem die Frage der Kosten – geklärt ist. Danach hätte die Regierung, wenn die Endlagerung weniger als 2,3 Milliarden kosten würde, den Differenzbetrag auszahlen können. Nun aber bekommen die Atomkonzerne die Entschädigung ausgezahlt und alle finanziellen Risiken der Endlagerung übernimmt der Steuerzahler, wenn der einst für das Thema eingerichtete Fond nicht ausreichen sollte.

Als Sahnehäubchen hat die Geschichte noch ein krönendes Detail. Die Cheflobbyistin der Energiewirtschaft heißt Kerstin Andreae und sie war bis 2019 wirtschaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. Das Amt und ihr Bundestagsmandat hat sie 2019 aufgegeben, um den – sicher sehr gut bezahlten – Posten als Cheflobbyistin der Energiewirtschaft anzutreten. Damit war eine Grüne maßgeblich an der Lobbyarbeit beteiligt, die den Atomkonzernen nun Milliarden in die Kassen spült. Ob die Wähler der Grünen ihr und der Partei dafür ihre Stimme gegeben haben?

Der Gipfel der Selbstbedienung

Wer denkt, dass die Atomkonzerne eine dreiste Ausnahme darstellen, wenn sie sich fiktive und zu hoch angesetzte Gewinne erstatten lassen, die sie vielleicht in der Zukunft gemacht haben könnten, der irrt. Das hat System. Und daran wird sich auch nichts ändern. Der Spiegel hat darüber Ende Juni geschrieben und über ein Beispiel in der EU berichtet:

„Das Gold bekommen sie nicht, deshalb wollen sie jetzt Geld. 5,7 Milliarden US-Dollar fordert der kanadische Bergbaukonzern Gabriel Resources von Rumänien – gut zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Das Unternehmen hatte eine Mine im siebenbürgischen Rosia Montana geplant, wo die größten Goldvorräte Europas vermutet werden. Doch Anwohner protestierten jahrelang gegen das Projekt, durch das sie Umsiedlungen und schwere Umweltschäden befürchten. Schließlich wurde es vom Parlament gestoppt.“

Man kann es ja noch verstehen, wenn der Konzern bereits investiert hat und die entstandenen Kosten erstattet haben möchte, wenn ein zunächst zugesagtes Projekt doch noch gestoppt wird. Aber es geht nicht um Schadenersatz, es geht um die Erstattung von Gewinnen, die vielleicht entstanden wären. Im Ergebnis – dafür haben wir bereits Beispiele gesehen – freut sich der Konzern, denn nun bekommt er Gewinne geschenkt, ohne dass er dafür hätte arbeiten und investieren müssen.

Da diese Gewinne (siehe Atomausstieg) nach den optimistischsten Schätzung berechnet werden, kommen dabei Summen zu Stande, die der Konzern wohl nie verdient hätte, wenn er die Minen tatsächlich hätte bauen und betreiben müssen.

Das Problem dabei: Solche Entschädigungen fiktiver und künstlich groß gerechneter Gewinne sind in keinem Land der Welt gesetzlich vorgesehen. Warum aber sind solche Entschädigungen dann möglich und sogar juristisch einklagbar?

Die Konzerne und ihre Paralleljustiz

Möglich gemacht werden solche exzessiven Auswüchse der Selbstbedienung durch Handelsabkommen, die uns von Medien und Politik immer als besonders erstrebenswert beschrieben werden. Der Spiegel handelt das in seinem Artikel kurz ab:

„Möglich machen das bilaterale Investitionsschutzabkommen (BIT), die Rumänien mit Kanada und Großbritannien geschlossen hat. Solche Abkommen schaffen für Konzerne eine Art Paralleljustiz, inklusive eigener Gerichte.“

Es gibt reichlich Beispiele dafür, wie solche Handelsabkommen den Konzernen Geld in die Kassen gespült haben. Das Prinzip ist immer das gleiche: Entscheidet sich ein Konzern für eine Investition (zum Beispiel in eine Mine) und der betroffene Staat verändert dann zum Beispiel auch nur seine gesetzlichen Umweltstandards, kann der Konzern vor diesen Parallelgerichten auf Erstattung der entgangenen fiktiven Gewinne klagen, weil die neuen Umweltauflagen seine Kosten erhöhen. So hebeln solche Handelsabkommen ganz nebenbei alle Bemühungen zum Beispiel für den Umweltschutz aus, denn selbst wenn ein Staat strenger Umweltschutzrichtlinien einführt, erstattet der Steuerzahler die Kosten, die den Konzernen dadurch entstehen.

Die Gewinne der Konzerne in Gefahr

In dem Spiegel-Artikel kann man kurz Hoffnung schöpfen, wenn man über diese Paralleljustiz liest:

„Im sogenannten Achmea-Urteil entschied der Europäische Gerichtshof vor drei Jahren, dass Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten unzulässig sind und auch Unternehmen vor reguläre Gerichte ziehen sollen. Als Konsequenz aus dem Urteil werden rund 130 bilaterale Abkommen nach und nach abgewickelt.“

Aber dass die Konzerne vor reguläre Gerichte ziehen müssen, wo sie mit ihren unverschämten Forderungen kaum Chancen hätten, ist nicht zu erwarten, denn sofort hat eine branchenübergreifende Lobbyoffensive begonnen und sie trägt bereits Früchte, denn die EU-Kommission wird schließlich von Ursula von der Leyen, der besten Freundin der Konzerne, geleitet. Der Spiegel schreibt dazu:

„Doch die Konzerne hätten sich »schnell vom Achmea-Schock erholt«, heißt es in dem neuen Bericht. »Ihr Plan: die EU-Kommission und -Mitgliedsländer dazu bringen, ein neues System der Paralleljustiz zu schaffen, ähnlich den alten innereuropäischen BIT, aber kompatibel mit EU-Recht.« Geschehen solle das mithilfe eines Konzepts der Europäischen Kommission zu grenzüberschreitenden Investitionen, das voraussichtlich im Herbst vorgelegt werde. (…) Mindestens ein Dutzend Treffen gab es in den vergangenen zwei Jahren zwischen Lobbyisten und der zuständigen Generaldirektion für Finanzstabilität und Kapitalmärkte (FISMA) – das zeigen Unterlagen, die das CEO mithilfe von Informationsfreiheitsanfragen veröffentlichen ließ. Offenbar waren die Treffen erfolgreich: In einem nichtoffiziellen Konzept der EU-Kommission von September 2020 werden verschiedene Möglichkeiten erörtert, künftig die Interessen von Investoren zu schützen. Eine davon ist »ein spezialisiertes Investitionsgericht auf EU-Ebene«. Dessen Prinzip entspräche den bisherigen Schiedsgerichten“

Es wird also alles beim Alten bleiben: Die Konzerne lassen sich ihre Gewinne garantieren und die Steuerzahler zahlen die Rechnung. So funktioniert die „westliche Demokratie“ in Wahrheit.

Und die Medien berichten mehr oder weniger ausführlich über jeden einzelnen Aspekt des Themas, aber die Zusammenhänge stellen sie für ihre Leser nie dar. Kein Wunder: Auch sie profitieren von diesem System, die Rechnung bezahlen die Bürger.


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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

6 Antworten

  1. Heute berichtet der Spiegel, dass nach der Bundestagswahl 1000(!) Abgeordnete in den Bundestag einziehen könnten. Wenn es so weiter geht mit der Selbstbereicherung der Politiker hierzulande, dann überholen wir bald China mit fast 3000 Abgeordneten.

    Der Bundestag ist bereits heute nach Chinas Parlament, das zweitgrößte Parlament. Das bei gerade mal 83 Millionen Einwohner im Vergleich zu China mit 1,4 Milliarden Einwohner.

    Im Bundestag gibt es Abgeordnete, die seit 40 Jahren dort herumsitzen. So etwas ist schlimmer für die Demokratie als eine jahrzehntelange Kanzlerschaft ein und der selben Person.
    Es muss im Bundestag eine zeitliche Begrenzung der Mandatszeit und der Anzahl an Abgeordneten geben, um somit regelmäßig frische Köpfe mit neuen Ideen hineinzubringen. Diese sind auch nicht so anfällig für Korruption.

  2. @transatlantifa
    Weder Begrenzung der Mandatszeit noch Frauenquote o.ä. ist zielführend! Wer seinen Job für die Menschen in einem System super macht, der soll weiter arbeiten können.

  3. Habe das Buch „Abhängig“ durchgelesen, es ging schnell, denn der Stil ist schnodderig, das Meiste ist Allgemeinwissen, insbesonders die Artikelchen über die Poltiker wirken wie aus Wikipedia zusammengeklaubt(der Brüller : die „Völkerrechtlerin“ Baerbock ! In deren Lebenslauf stimmt nichts, alles ist zusammenphantasiert und zurechtgelogen, sie hat weder etwas zu Ende studiert, noch Berufserfahrung. Das Schlimmste aber ist ihre Zeit als Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg, wo der kriminelle Schatzmeister fast 300.000,- Euro fürs liegende Gewerbe veruntreut hat (er wurde rechtskräftig verurteilt) und dem Baerbock ist während der gesamten Zeit nichts aufgefallen und sie wurde auch nicht parteiintern zur Rechenschaft gezogen.
    An anderer Stelle schreibt Röper, daß die AFD heute das Programm der CDU unter Kohl vertritt, gleich daneben steht „man muß die AFD nicht mögen, ich mag sie überhaupt nicht“. Was bringt das dem Leser und wenn er uns schon damit belästigt, daß er sie nicht mag, dann erwarte ich bei 19,95 Euro auch eine Begründung !
    In dieser Art geht es Seite über Seite, der Erkenntnisgewinn ist ausgesprochen mager.

  4. Man stelle sich mal vor man würde für seinen eigenen Job in der privaten Wirtschaft Berater einstellen. Und zwar nicht auf eigene Kosten, sondern auf Kosten des Arbeitgebers, der einen auch noch fürstlich bezahlt, inklusive Extras wie Vergünstigungen, Fahrer, Fette Pension, Kontakte in alle Bereiche etc.

    An dem Tag, an dem der Arbeitgeber bemerkt das man seinen Job von Beratern machen lässt wäre man fristlos gekündigt!

    Und in der Politik tut man so als wäre sowas das normalste auf der Welt.
    Ja, es sind teils komplizierte Zusammenhänge und da kann man sich auch mal Berater her holen, aber die Gesetze, die Beschlüsse, die Entscheidungen und alles Weitere hat man gefälligst selbst zu erarbeiten!

    Wozu bezahlen wir einewie Von der Leyen wenn die GANZE Arbeit von den Beratern gemacht wird, die wir AUCH bezahlen??

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