Wie Russland auf das Deutsch-Amerikanische Verhältnis blickt

Es ist immer vielsagend, wie die deutsche Politik außerhalb Deutschlands gesehen wird. Man muss dem nicht zustimmen, aber es öffnet doch die Augen für einen anderen Blickwinkel. Und etwas auch einmal aus einem anderen Blickwinkel zum betrachten, hat noch nie geschadet.

Ich habe schon öfters über die russische Nachrichtenagentur TASS geschrieben. Ich schätze sie sehr, weil sie – zumindest auf Russisch – immer nur die nackten Meldungen bringt, ohne diese durch suggestive Formulierungen politisch einzufärben. Und auch ihre Quellen verlinkt die TASS immer, was keineswegs selbstverständlich ist und es enorm erleichtert, eine Meldung auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Quellen zu überprüfen.

Manchmal bringt die TASS auch Gastbeiträge und Kommentare, die natürlich die Meinung des Autoren wiedergeben, aber sie sind optisch klar von den aktuellen Meldungen zu unterscheiden. Eine Vermischung von Kommentar und Nachricht, die wir in den westlichen Medien fast nur noch beobachten, findet nicht statt.

Heute hat die TASS einen solchen Kommentar gebracht und den finde ich interessant genug, um ihn ins Deutsche zu übersetzen.

Wie ich es auch bei Kommentaren in deutschen Medien mache, habe ich mir zunächst angeschaut, wer der „Experte“ ist, der uns in dem Kommentar die Welt erklärt. Und wieder fand ich einen wohltuenden Unterschied zu den deutschen Medien. Wenn in Deutschland „Experten“ erklären, wie wir die Welt zu verstehen haben, sind diese fast immer von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Sie arbeiten dort, haben dort gearbeitet oder hatten zumindest ein Stipendium von der Gesellschaft.

Diese Stiftung mit dem unschuldig klingenden Namen wurde 1962 unter Regie der CIA gegründet. Die Gründung erfolgte unter der Regie von Klaus Ritter, einem der Gründer des BND, und zwar nachdem er ein Jahr in den USA gewesen war und sich dort über die Lenkung der öffentlichen Meinung durch vom Geheimdienst kontrollierte Think Tanks mit wohlklingenden Namen informiert hat. Angespornt wurde er dabei von US-Eliten, wie dem damals aufstrebenden Henry Kissinger.

Die „Experten“ der deutschen Medien sind nichts anderes, als Nato-Propagandisten, die meist wenig Ahnung vom Thema selbst haben, aber umso mehr dafür ausgebildet wurden, die Meinung der Nato und der USA mit griffigen Formulierungen dem deutschen Publikum näher zu bringen, wie man erst vor wenigen Tagen wieder an einem besonders dreisten Beispiel sehen konnte.

Der Experte, der den Kommentar in der TASS geschrieben hat, heißt Viktor Litovkin und hat einen anderen Hintergrund. Er ist tatsächlich vom Fach, war 30 Jahre Armee-Journalist, der an allen Brennpunkten der letzten Jahrzehnte gearbeitet hat. Er war in Afghanistan, im Kosovo, bei allen Kriegen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion aufgeflammt sind und auch in Tschetschenien. Heute ist der erfahrene Kriegsberichterstatter mit seinen 74 Jahren längst in Rente und macht normalerweise für einen Fernsehsender Reportagen über moderne Waffensysteme. Und er schreibt eben auch politisch-militärische Analysen. Mit seiner Vergangenheit ist er sicher keine neutrale Quelle, das soll ein Kommentator ja auch gar nicht sein, er soll ja seine Meinung schreiben. Aber er ist eben auch niemand, der von bis heute aktiven und finanziell gut ausgestatteten Think-Tanks bezahlt wird, sondern ein freier Journalist, der seine Rente in erster Linie mit Berichten über Waffensysteme aufbessert.

Nachdem wir nun wissen, wie wir den Autoren des Kommentares einordnen müssen, kommen wir zu dem Kommentar von Herrn Litovkin aus der TASS, den ich vollständig übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Berlin will nicht mehr zahlen, als nötig – Worüber streiten die USA und Deutschland?

Der amerikanische Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hat alle Hemmungen verloren. Entgegen den internationalen Regeln und der diplomatischen Ethik mischt er sich immer wieder aktiv in die inneren Angelegenheiten des deutschen Staates ein. Er äußert seine Vorstellungen nicht bei offiziellen oder privaten Treffen mit Gesprächspartnern im Auswärtigen Amt oder in den Büros der Regierung, so ist der Vertreter der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik erzogen. Er tut es lautstark in den Medien und auch in Statements und Interviews mit Nachrichtenagenturen des Landes, dessen Gast er ist.

Grenell sandte Briefe an die Chefs deutscher Firmen, die am Bau der Nord Stream 2-Gaspipeline beteiligt sind und forderte, die Beziehungen zu den Organisatoren des Projektes abzubrechen und drohte im Falle von Ungehorsam mit verschiedenen Sanktionen seines Landes, bis hin zum Bankrott der beteiligten Firmen. Die deutsche Regierung warf ihm Provokation vor, doch der Diplomat ließ sich davon nicht beeindrucken. Selbst die Forderung des stellvertretenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Kubicki an den deutschen Außenminister Heiko Maas, den Botschafter zur Persona Non Grata zu erklären, störte den amerikanischen Diplomaten nicht.

Kürzlich forderte er erneut öffentlich, dass Deutschland den Verteidigungshaushalt drastisch anheben und ihn nach dem Vorbild anderer NATO-Verbündeter endlich auf 2 % des BIP erhöhen müsse. Andernfalls, so der Botschafter, würden die USA beschließen, ihre Militärstützpunkte vom deutschen Territorium nach Polen zu verlegen, was – ehrlich gesagt – jedoch niemanden in Berlin verärgert, aber einige Politiker in Warschau sehr erfreut hat.

Polen im Fadenkreuz

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die seit jeher in bedingungslosem Gehorsam der amerikanischen Politik folgt (die Ausnahme ist ihre Beharrlichkeit beim Bau von North Stream 2, aber darum geht es hier nicht) und sogar die „bewiesene“ Verletzung des INF-Vertrags durch Russland bestätigt hat und den Rückzug der USA aus dem Abkommen unterstützt, reagierte diesmal auf die Drohungen des amerikanischen Botschafters nur mit einem phlegmatischen Abwinken. Sie nannte Grenells Idee nicht umsetzbar.

Aber in Polen, wo US-Botschafterin Georgette Mosbacher ihren Amtskollegen in Berlin voll und ganz unterstützte, hat man sich über diese Aussicht gefreut und sogar mitgeteilt, man wäre bereit, für die Verlegung des US-Militärs aus dem Nachbarland „zusätzlichen Mittel“ auszugeben.

Der brennende Wunsch polnischer Politiker der regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“, so viele amerikanische Soldaten und militärische Ausrüstung der Vereinigten Staaten in ihr Land zu holen, wie möglich und es damit zu einem Ziel eines russischen Gegenschlages im Falle eines atomaren Angriffs der USA auf Russland zu machen, ist seit langem bekannt. Diese Haltung kann man mit einer psychischen Störung vergleichen.

Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sagte zur Anregung des US-Botschafters in Deutschland: „Die Präsenz amerikanischer Truppen in Polen spielt eine sehr wichtige, abschreckende Rolle, viel wichtiger, als ihre fortgesetzte Präsenz im Westen. Russland wird es sich zweimal überlegen, bevor es auf militärische Mittel zurückgreift, wenn es die Präsenz internationaler Truppen in Polen sieht, insbesondere amerikanischer.“

Aber wir sprechen im Moment nicht über eine medizinische Diagnose für Herren mit eingetrübtem Verstand. Also zurück nach Deutschland.

„Das ist keine Allianz, sondern eine Besetzung“

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Brigitte Freihold, forderte das Bundesfinanzministerium auf, das Parlament darüber zu informieren, wie viel Geld die Bundesregierung für den Unterhalt amerikanischer Truppen auf deutschem Boden bereitgestellt hat. Es stellte sich heraus, dass Deutschland in den vergangenen sieben Jahren nach Auszügen aus der Antwort des Ministeriums, die von der Nachrichtenagentur dpa veröffentlicht wurden, 243 Millionen Dollar für den Unterhalt amerikanischer Truppen ausgegeben hat. Dabei handelt es sich um Mittel für die Zahlung von Versorgungsunternehmen für ehemalige Mitarbeiter amerikanischer Stützpunkte, für die Instandhaltung von Grundstücken und Gebäuden. (Anm. d. Übers.: Diese Angaben sind jedoch nicht vollständig, da das Ministerium auf eine Anfrage vor einigen Monaten mitgeteilt hat, es könne die Gesamtkosten für Deutschland nicht ermitteln, da viele Kosten auch von Ländern und betroffenen Kommunen getragen und nicht zentral erfasst werden)

Darüber hinaus enthalten diese Ausgaben nicht die Zahlungen für den Bau Gebäuden auf diesen Stützpunkten, an deren Kosten Deutschland ebenfalls beteiligt ist. Und das sind weitere 480 Millionen Euro. Obwohl diese Mittel in den Büchern des Finanzministeriums als „Kosten für die Aktivitäten der NATO-Partner“ geführt werden, entfallen sie alle „fast ausschließlich auf die Amerikaner“.

Derzeit sind rund 35.700 amerikanische Soldaten in vier deutschen Bundesländern stationiert. Mehr als die Hälfte (18.459) sind es in Rheinland-Pfalz, 11.689 in Bayern, 3.036 in Baden-Württemberg und 2.471 in Hessen. Darüber hinaus arbeiten dort etwa 17.000 amerikanische und 12.000 deutsche Zivilisten. Bei der Veröffentlichung der Daten kritisierte Frau Freihold die finanzielle Beteiligung Deutschlands an Einsätzen des US-Militärs scharf.

„Deutschland ist die zentrale Drehscheibe für US-Militäroperationen auf der ganzen Welt. Die Hilfe, die ihnen von den deutschen Steuerzahlern gewährt wird, sollte endlich eingestellt werden“ meint die Abgeordnete.

Die Abgeordnete Brigitte Freihold erinnerte sich aus irgendeinem Grund nicht daran, dass die USA auf deutschem Boden auch Atomwaffen stationiert haben. Und zwar an zwei Stützpunkten in Ramstein und Büchel. Das sind Atombomben vom Typ B61. Davon gibt es etwa 30 in Deutschland. Diese Information wurde kürzlich von einem kanadischen Senator, Mitglied des Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit der Parlamentarischen Versammlung der NATO, Joseph Day, offen gelegt. Es ist nicht klar, ob es ein zufälliges Versehen war oder absichtlich kolportiert wurde. Diese Informationen waren jedoch nicht ganz neu. Die Tatsache, dass in Europa (in Italien, den Niederlanden, Belgien, Deutschland) und in der Türkei, etwa 150-200 solcher US-Bomben stationiert sind, war schon lange bekannt. Darüber schreiben große Forschungsinstitute wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI) in ihren Publikationen. Aber Beamte auf hoher Ebene, wie Senator Day, sprechen darüber normalerweise nicht.

Dabei geht es natürlich nicht um durchgesickerte Informationen über amerikanische Atomwaffen auf deutschem Boden. Und auch noch nicht einmal darum, dass deutsche Piloten unter Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag auf Geheiß der Vereinigten Staaten geschult werden, mit ihren Eurofighter Typhoon-Jets diese US-Atombomben abzuwerfen. Sondern es geht darum, dass die Wartung der B61-Bomben in Arsenalen auf deutschem Boden, die derzeit übrigens gerade modernisiert werden, auch von Deutschland bezahlt wird. Obwohl: Im Bericht des Bundesfinanzministeriums an die Bundestagsabgeordneten diese Kostenstelle gar nicht erwähnt wird.

Ein Kollege von Frau Freihold, der Linke Angeordnete Dietmar Bartsch, schrieb in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung über Atomwaffen auf deutschem Boden und die Drohungen von US-Botschafter Grenell: „Wenn die Amerikaner ihre Soldaten abziehen, sollen sie auch ihre Atomwaffen mitnehmen. Und natürlich sollen sie sie nach Hause bringen und nicht nach Polen, denn das wäre eine weitere dramatische Eskalation der Beziehungen zu Russland, was nicht im europäischen und deutschen Interesse liegt“ schrieb er.

Unterstützt wurde er von seinem Kollegen von der Partei „Alternative für Deutschland“, Mitglied des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des Bundestages, Waldemar Herdt: „US-Militärstützpunkte bedeuten keine Allianz, sondern eine Besatzung“ sagte er. „Nehmen wir zum Beispiel den Fliegerhorst Ramstein. Kein Deutscher darf ihn ohne Erlaubnis der USA betreten. Selbst die Polizei darf das nicht. Was da gemacht wird, wissen wir nicht. Materialien, Lebensmittel und Ausrüstung werden dorthin gebracht, aber wir kontrollieren diesen Prozess nicht. Wir wissen nicht, was da vorgeht. Und das ist dann keine Partnerschaft mehr.“

Aber die Linke in Deutschland hat nicht die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung und es wäre sicherlich eine große Naivität, die Situation um die amerikanischen Stützpunkte auf deutschem Boden und den Beitrag Deutschlands zum Gesamthaushalt des Nordatlantischen Bündnisses so zu interpretieren, als gäbe es in Deutschland eine wachsende antiamerikanische und anti-NATO-Stimmung unter den Politikern. Das ist bei weitem nicht der Fall.

Die Stereotypen über die euro-atlantische Solidarität sind lebendiger denn je. Sie werden jedoch gelegentlich durch solche schamlosen Äußerungen untergraben, für die Grenell und US-Präsident Donald Trump berühmt sind. Aber mehr als empörte Äußerungen in den Medien gibt es nicht. Und so kann nichts die deutsche Entscheidung ändern, nicht mehr zu zahlen.

Gelassenheit oder nüchterne Berechnung?

Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums verfügt das Land nun über ein Militärbudget von 43 Milliarden Euro (47,7 Milliarden Dollar), was etwa 1,2 Prozent des BIP entspricht. Im Jahr 2020 werden die Verteidigungsausgaben Deutschlands auf 1,37 Prozent steigen. Und dann (und das ist das Wichtigste) wird Berlin beginnen, die Ausgaben zu senken: auf 1,33 Prozent des BIP im Jahr 2021, auf 1,29 Prozent im Jahr 2022 und auf 1,25 Prozent im Jahr 2023. Vor diesem Hintergrund ist es dumm von Washington, zu glauben, dass Deutschland sie auf 2 Prozent des BIP erhöht. (Und das, obwohl Merkel 2015 versprochen hat, die Militärausgaben auf 1,5 % des BIP erhöhen).

Warum ist das so? Zur Begründung führen Ökonomen vor allem die Verlangsamung des deutschen Wirtschaftswachstums an. Und die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die jetzt zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt wurde, sagte vor ihrem Umzug nach Brüssel, dass Berlin, obwohl es Washington versprochen habe, seine Ausgaben zu erhöhen, dies entsprechend seinen Fähigkeiten tun werde.

Und es scheint mir, dass der Grund nicht nur die Verlangsamung des deutschen Wirtschaftswachstums ist. Es gibt noch andere Gründe, über die Berlin nicht laut spricht. Dort glaubt man im Großen und Ganzen nicht an den Mythos der russischen, militärischen Bedrohung und obwohl man Lippenbekenntnisse zur amerikanischen Politik der Stärkung der NATO abgibt, hält man es nicht für sinnvoll, in Europa amerikanische Militärausrüstung zu kaufen und endlose Übungen an den Grenzen zu Russland durchzuführen, für die ein großer Teil der NATO-Mittel ausgegeben wird. Und das ist nicht die sprichwörtliche deutsche Gelassenheit, sondern nüchternes Kalkül und gesunder Menschenverstand.

Ebenso wie die stillschweigende deutsche Sturheit, an der weder Präsident Donald Trump noch sein Botschafter in Berlin, Richard Grenell, mit ihren Ultimaten etwas ändern können.

Ende der Übersetzung

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Autor: Anti-Spiegel

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

2 Antworten

  1. „Dort glaubt man im Großen und Ganzen nicht an den Mythos der russischen, militärischen Bedrohung …“

    Das ist noch nichtmal eine Glaubensfrage. Jeder mit ein Bisschen Verstand weiß an Hand der Fakten, dass Russland niemanden bedroht. Man braucht nur nach dem Sinn zu fragen. Was würden militärische Maßnahmen dem Land bringen? Russland hat im Grunde alles was es braucht (und was wir vor Allem brauchen), das Einzige was fehlt ist die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Lässt sich diese mit der Peitsche erzwingen? Nach meiner Erfahrung sind Russen friedliebende Menschen, wehrhaft, aber nicht angriffslustig. Dumm sind sie auch nicht, jeder weiß, wohin ein Krieg führen würde. Wer eine russische Bedrohung behauptet ist demnach nicht ganz bei Verstand oder, wie die lautesten Stimmen, Kriegshetzer.

  2. Man sollte in diesem Zusammenhang auch an Dinge wie den Aufenthaltsvertrag oder das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut erinnern. Eigentlich hätten beide Vereinbarungen mit der Wiedervereinigung auslaufen sollen, jedoch wurden sie knapp zwei Wochen NACH Unterzeichnung des 2+4 Vertrags von der damaligen Bundesregierung Kohl verlängert.

    ( Wem das Lesen dieses Textes zu viel ist, der kann sich ja dieses Video anschauen. Da fasst der Historiker Prof. Foschepoth in einem Interview auf phoenix die Problematik schön zusammen:
    https://www.youtube.com/watch?v=qWC2kHmYw_w )

    Der Aufenthaltsvertrag sieht u.a. vor, dass acht Staaten jederzeit in (West-) Deutschland Truppen stationieren dürfen, auch ohne Zustimmung der deutschen Regierung oder des Bundestages. Es sind dies: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Dänemark, England, Frankreich, Kanada und die USA. Um Erlaubnis fragen müssen diese Staaten erst dann, wenn sie mehr Truppen stationieren wollen, als sie 1954, dem Jahr des Inkrafttretens des Aufenthaltsvertrages, im Land hatten. Offizielle Zahlen, wie viele Soldaten das wären, gibt es meines Wissens nicht, der wissenschaftliche Dienst des Bundestags
    hat vor ein paar Jahren lediglich die Zahlen bis 1983 veröffentlicht. Damals hatten die USA knapp unter 90.000 Soldaten in der BRD stationiert. Für 1954 würde ich, vorsichtig geschätzt, eine Truppenstärke zwischen 200.000 und 250.000 Soldaten annehmen. Das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut regelt zudem, dass diese Truppen von Seiten der BRD rechtlich nicht belangt werden können, bzw. dürfen. Auch das ist deutsches Recht. Wenn also unsere Politiker erzählen, dass auf deutschem Boden gefälligst deutsches Recht zu gelten haben, meint das eben nicht, dass sie das Handeln der USA auf deutschem Boden als illegal betrachten. Denn das ist es explizit nicht – NSA-Affäre eingeschlossen.

    Noch einmal: Die USA haben, neben anderen Staaten, das Recht, jederzeit Truppen in Deutschland zu stationieren, ohne Zustimmung der deutschen Regierung, ohne Kontrollmöglichkeit seitens des Parlamentes, der Justiz oder der Behörden. Die Bundesregierung ist nicht nur vertraglich, sondern, da die entsprechenden Verträge auch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden,auch nach deutschem Recht verpflichtet, den Wünschen ihrer „Partner“ nachzukommen. Das konnte man z.B. sehr schön sehen, als die USA ihr Luftwaffenbasen in Deutschland neu strukturiert haben. 2005 wurde die Rhein-Main Airbase aufgegeben, Stützpunkte wie Rammstein oder Spangdahlem wurden ausgebaut. In diesem Zusammenhang kam es zumindest in Spangdahlem zu Enteignungen gemäß Landesbeschaffungsgesetz.
    Auch das noch einmal: Die Mitwirkungspflicht der deutschen Behörden geht so weit, dass sie deutsche Bürger enteignen können/müssen, wenn den USA dies als sinnvoll erscheint.
    Es gab mal eine Doku des SWR darüber, die sich noch auf youtube findet:
    https://www.youtube.com/watch?v=MvH1c_Y7AqU

    Was die deutsche Souveränität angeht, so ist auch dieser ZEIT-Artikel unbedingt lesenswert:
    https://www.zeit.de/2009/21/D-Souveraenitaet

    Egon Bahr beschreibt darin, wie Willy Brandt bei seinem Amtsantritt als Bundeskanzler, drei Briefe vorgelegt wurden, die er zu unterzeichnen hatte. Adressiert waren sie an die Botschafter Englands, Frankreichs und der USA in ihrer Eigenschaft als Hohe Kommissare. Inhaltlich ging es darum, dass sich Brandt verpflichten sollte, u.a. die Geltung bestimmter Grundgesetzartikel (z.B. Art. 146 GG) auszusetzen. Brandt weigerte sich zunächst, wurde dann aber belehrt, dass alle seine Amtsvorgänger diese Briefe ebenfalls vorgelegt bekamen und unterzeichnet hatten.
    Bahr schildert dann im weiteren Verlauf des Artikels, wie die damalige Regierung Brandt versuchte, unter diesen Rahmenbedingungen deutsche Interessen zu vertreten. Sehr lesenswert.
    Bezüglich der „nuklearen Teilhabe“ Deutschlands schreibt Bahr übrigens:

    „Das Wort „Teilhabe“ suggeriert, dass wir dabei eine Mitbestimmung haben. Die hatten wir nie. Helmut Schmidt hatte als Bundeskanzler vergeblich ein deutsches Veto gegen den Einsatz erörtert.“

    Wolfgang Schäuble hat die ganze Thematik ebenfalls einmal sehr schön auf den Punkt gebracht:
    https://www.youtube.com/watch?v=3TV2OpCmlJc

    Tja. Was soll man dazu sagen?

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